Geschichte & Brauchtum

Diese Rubrik vereint eine breite Auswahl an historischen Beiträgen zur Eichsfelder Geschichts- und Naturlandschaft sowie einzelne Ausarbeitungen zu den Themenkomplexen Tradition und Brauchtum des (Süd-)Eichsfeldes.

Die Arbeiten und Aufsätze verschiedener Heimatforscher und Lokalhistoriker, die oft ein Leben lang zu einzelnen Themenschwerpunkten ihrer näheren Heimat geforscht haben, sollen hier genauso dargestellt werden wie kleinere Ausarbeitungen bislang unbekannter Autoren.

Es ist das Ziel, diese Rubrik sukzessiv zu einem historischen Textarchiv des Südeichsfeldes auszubauen. Der Schwerpunkt der Auswahltexte wird dabei auf dem Ort Lengenfeld unterm Stein und seiner näheren Umgebung liegen.

Oliver Krebs

November

Spätherbst ist’s. Novemberstürme brausen über die frisch gepflügten braunen Erdschollen der leeren Felder. Am Erker meiner Wohnung klappert der Schiefer. Im nahen Buchenwalde braust und heult es, als ziehe nach alter heimatlicher Sage der wilde Jäger durch Wälder und Felsschluchten.

Eine kleine Wanderung bei Raureif

Mattgelbe Sonnenstrahlen durchbrechen das düstere Gewölk des Wintermorgens. Bald leuchten in weißem Dunste und Raureif die Berge und Wälder in die winterliche Landschaft. Das bezaubernde Bild der Naturschönheit lockt zu einer Wanderung ins Freie und ich lenke meine Schritte dem nahen Bergrücken zu. Auf hartgefrorenen Feldwegen geht es an Feldern, Rainen und Triften vorüber, gegen ein mit prächtigem Raureif behangenes Feldgehölz.

Die Zahnbehandlung in Lengenfeld vor 50 Jahren

Wenn jemand von Zahnschmerzen geplagt wird, so ist es heute eine Selbstverständlichkeit, dass er sich unverzüglich in zahnärztliche Behandlung begibt. In dieser Beziehung haben es die Lengenfelder bequem, denn im Dorfe befinden sich zwei modern eingerichtete Zahnpraxen.

Vor 30 Jahren, am 1. Januar 1928, eröffnete Zahnarzt Gottfried Hagemann seine Praxis, wenig später folgte Dr. Karl Lorenz.
Wie aber war es ehedem? Mit dieser Frage möchte ich der jungen Generation einen Einblick in die Zahnbehandlung um die Jahrhundertwende geben.

Juni im Friedatal

Ein lauer Wind weht über die grünende und blühende Flur. Leise streicht er über das Halmenmeer der Getreidefelder, die sich im wogenden Rhythmus wie Wellen im Meere auf und ab bewegen. Winzigen Fallschirmen gleich fliegt der Same des Löwenzahnes in der Luft umher. Aus dem Walde schallt der Kuckucksruf. Im Wipfel einer Fichte am alten Graben singt ein Amselhahn seinem Weibchen ein Minnelied. Im schnellen Fluge umkreist der Mauersegler den Kirchturm. An den Feldrainen blüht der Holunder, und die Blütenpracht der Heckenrosen leuchtet in der Junisonne.

Ein Junimorgen und Wallfahrt zum Hülfensberg

Ganz leise graut schon der Morgen. Hinter der waldumkränzten Höhe des Kälberberges steigt die Sonne empor und lässt ihre goldigen Strahlen auf Wald und Wiesental fallen. Die grauweißen Wolken haben sich am klarblauen Junihimmel verflüchtet. Es ertönt ein ganzer Chor von gefiederten Sängern, die Drossel flötet und Lerchen singen trillernd in die Lüfte steigend ihr Morgenlied. Wie Edelsteine und Diamanten funkeln und glitzern an den Gräsern die unzähligen Tautropfen. Goldgelber Hahnenfuß und Löwenzahn öffnen ihre Blüten und weiße Margueriten wiegen sich in leisem Morgenwinde.

Eine Weihnachtserinnerung aus meiner Jugendzeit

4433_200.jpg Es war in der Heiligabendnacht 1908. Auf schneeverwehtem Bergpfad steige ich gegen 4 Uhr morgens mit meiner Großmutter zu der am Berghange des Dünberges ehemals stehenden Grotte empor. Über die schneebedeckte Flur leuchtete der Mond; am Himmel funkelten die Sterne und unter meinen rindledernen Schuhen knirschte der Schnee. Oben am Bergrain (Rotkelchensborn) war die kleine Quelle im Frost erstarrt.

Schlachtefesterinnerungen

Jetzt es de Ziet, we in das Derfern wedder alle Moine dos übliche Schwienekrehlen ze heren es. De Worschtekammern sin lerk un do mun de Borstentiere starbe. Gaarn denke ich nach zericke an de Schlachtefaste, we ich als Junge dan Schwaanz halte mutte und dann vum Schlachter ene Worscht ohngemassen bekom. Do fällt me eine Geschicte vum Schlachtefaste in. Ich wall se üch erzehle: Bin Kasemanes Merten im Ingerlane wor ferr Montag Moin dos Schlachten ohngesa't worrn. Dar Merten, dos wor en Süffbalg, er hotte sich, wann an besoffen worr, schun oft we en Schwien benumm'n un im Drack rimgewälzt.

Spinnstobben

Wos wor dos freher schene, wenn im Winter Spinnstobben gefiert wurde. Bi uns wor disse Nobbt Spinnstobben. Mine Mutter hotte Isenkuchen und Zimtröllchen gebacken. Im 8 Ühr komen de Gäste. De Manner speelten Korten, Die Fräuwen spunnen und strickten. Min Voter langte dan Zerrwanst un zwischenderch wurde ä mol gesungen. Sö üm 10 Ühr kochte mine Mutter dan Kaffee. Se ging in de Spiesekammer und wullte dan Kuchen lange. Aber, o Schreck, Isenkuchen und Zimtröllchen woren alle wak. Nur ene Kostprobe vun jedem hotte dar Spitzbube liegeloßen. Mine Mutter wor üsser sich.

Vögel besingen den Frühling

Anfang Februar glaubten viele, der Frühling sei schon ins Land gekommen. „Soll das gut gehen?“, fragten besorgt die Acker- und besonders die Obstbauern im Gegensatz zu den sich freuenden, wintermüden Menschen.

Die Fruchtknospen und Laubtriebe der Sträucher und Baume schwollen schon bedenklich an. Schneeglöckchen, Veilchen und Seidelbast blühten. Die Imker im Friedatal sahen ihre fleißigen Arbeitsbienen mit gelbbraunen Höschen zu den Stöcken zurückkommen, Also blühten auch die Haselnussstauden schon.

Winterlandschaft um Lengenfeld unterm Stein (1940)

Dicht und tief verschneit liegt Tal und Dorf. Vor den Fenstern in den Futterkästen sitzen dick aufgeplusterte Kohl- und Blaumeisen und picken, was ihnen mitfühlende Menschen spenden. Große Schwärme von Sperlingen, Goldammern und Buchfinken in buntem Durcheinander beleben mit Geschrei die Bauernhöfe und Dorfstraßen.

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