Die Kanonenbahn - Teil 5:- Der Bahnhof Dingelstädt

Die Strecke wurde bereits im Jahre 1879/1880 von Silberhausen-Trennung bis zum Bahnhof Dingelstädt 2-gleisig errichtet. Heute ist nur noch einer der beiden Brückenköpfe erhalten. Der eiserne Überbau hatte eine Länge von 17,50 m und eine Breite von 3,92 m. Die Baukosten betrugen 41.400 Reichsmark. Nach 1945 wurde auch die Gothaer Eisenbahn auf eingleisigen Verkehr umgestellt, so dass der Abzweig der Kanonenbahn nur noch aus einer einfachen Weiche bestand.

Am 23. Oktober 1947 wurde der Trennungsbereich in ein Endstellwerk des Bahnhofs Silberhausen umgewandelt und die Signal- und Sicherungsanlagen abgebaut bzw. dem Bahnhof Silberhausen zugeordnet. In den 70er Jahren wurde das Stellwerk nochmals umgebaut und durch moderne sowjetische Stellwerktechnik ersetzt, die ebenfalls von Silberhausen her bedient wurde. Das alte Stellwerk an der Trennungsstation wurde dadurch am 23. August 1979 endgültig stillgelegt Die Weiche wurde spätestens 2 Monate, nachdem am 4. August 1996 der letzte Triebwagen zwischen Leinefelde und Dingelstädt gefahren ist, bei der Modernisierung der Gothaer Strecke herausgerissen.
Hinter dem Abzweig führte die Strecke in einem weiten Bogen in westliche Richtung zum Bahnhof Dingelstädt bei Km 10,14. Heute ist die Strecke bis zum Bahnhof an zwei Stellen unterbrochen. Bei Km 9,2 wird die Trasse von der neuen B247 unterbrochen und bei Km10 sind die Gleise auf einer Länge von ca. 50m weggerissen, da das Gelände heute privatisiert ist. Auf dem 2 km langen Stück sind noch 2 Wegunterführungen und das Einfahrtssignal zur Gothaer Strecke erhalten (bei Km 9). Der Bahnhof Dingelstädt wurde am 15. Mai 1880 eröffnet und lag in einer Höhe von 375,11 m über NN.

Nachdem man entlang der Kanonenbahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bahnhofsbeleuchtung auf elektrischen Strom umstellte, wurde die Zeit auf dem Bahnhof Dingelstädt beim Ausbau des 2. Gleises im Jahre 1922 wieder zurückgedreht. Die elektrische Beleuchtung wurde wieder ausgebaut, zurück auf Petroleum umgestellt und sämtliche Ausfahrtssignale ausgebaut. Nach dem Ausbau des 2. Gleises wurde die Strecke zwischen Leinefelde und Malsfeld auf Nebenbahnbetrieb umgestellt und der Verkehr in Eschwege gebrochen. Reisezüge fuhren fortan mit einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h und Güterzüge nur noch mit 30 km/h.

Im Jahre 1942 gab es einen Unfall im Bahnhofsbereich von Dingelstädt. Durch falsche Weichenstellung bei der Ausfahrt in Richtung Leinefelde geriet der Frühzug aus Eschwege auf ein Nebengleis, auf dem ein Bauzug abgestellt war. Der Frühzug fuhr auf die stehenden Waggons auf, schob sie ineinander und über den Prellbock hinaus. Zum Glück gab es hierbei nur einige Leichtverletzte.

Nachdem am 10. April 1945 der Bereich um Leinefelde von amerikanischen Truppen besetzt wurde und am 7. Juli die russischen Besatzer anrückten, wurde der Personenverkehr am 1. August 1945 zwischen Leinefelde und Küllstedt wieder aufgenommen, denn weiter konnte der Zug wegen der gesprengten Giesebrücke nicht fahren.

Ab 01.01.1946 fuhren die Züge wieder bis nach Geismar. Die Bahnmeisterei in Dingelstädt wurde im Jahre 1954 aufgelöst und der Bahnmeisterei Leinefelde zugeordnet. Am 26.11.1965 wurde zwischen Dingelstädt und Lengenfeld der vereinfachte Nebenbahndienst eingeführt mit Dingelstädt als Zugleitbahnhof. Dieser wurde ab 26.04.1966 bis Geismar ausgedehnt.

Ab 29.09.1969 war Dingelstädt nur noch der einzige Güterbahnhof zwischen Leinefelde und Geismar, denn die Güterabfertigung in Küllstedt wurde wenige Tage vorher, am 01.09.1969, geschlossen.

Ab 1. August 1990 wurden die Bahnhöfe Dingelstädt und Silberhausen dem Bahnhof Leinefelde unterstellt, und weil der Bahnbetrieb auf der Strecke nach der Wende stark rückläufig war, betrug die Kostendeckung zwischen Dingelstädt und Geismar im Frühjahr 1992 nur noch 1,82 %.
Nachdem ab 1. Januar 1993 wegen der abgelaufenen Betriebsfrist des Lengenfelder Viaduktes der Bahnverkehr zwischen Küllstedt und Geismar eingestellt worden war, wurden der Personenverkehr zwischen Dingelstädt und Küllstedt sowie der Schienen-Ersatzverkehr zwischen Küllstedt und Geismar am 29. Mai 1994 ebenfalls eingestellt. Ab jetzt ging alles Schlag auf Schlag, das Ende der Kanonenbahn Ost rückte ebenfalls unausweichlich näher. Am 31. Dezember 1995 wird die Güterverkehrsstelle Dingelstädt geschlossen und bereits ab 1. März 1996 wurde die Besetzung durch einen Fahrdienstleiter in Dingelstädt aufgehoben, denn ab diesem Tag fuhren nur noch wenige Triebwagen ausschließlich an Wochentagen zwischen Leinefelde und Dingelstädt. Ab 2. Juni 1996 blieb der Bahnhof gänzlich unbesetzt, so dass bereits am 4. August 1996 der allerletzte Triebwagen auf der Kanonenbahn Ost zwischen Leinefelde und Dingelstädt fuhr. Wenige Tage später wurde die Weiche in Silberhausen-Trennung entfernt, so dass nie wieder ein Zug die Strecke befahren wird.

Das Bahnhofsgebäude steht heute leer und verfällt zusehends. Die Kanonenbahn überquerte direkt hinter dem Bahnhof Dingelstädt die alte B 247, um nach einigen 100m mit einer kleinen Brücke einen Feldweg zu überqueren. Die Strecke führte zunächst in nord-westlicher, später in süd-westlicher Richtung und umfuhr die Stadt Dingelstädt in einem großen Halbkreis.

Eine kleine Weg-Überführung und zwei Ausfallstraßen aus Dingelstädt werden gekreuzt bis zum 2,54km entfernten Haltepunkt Kefferhausen bei Km 12,68, der am 15.12.1903 eröffnet wurde. Dieser Haltepunkt wurde errichtet, um den Pilgerstrom zur Wallfahrtsstätte und Franziskanerkloster „Kerbscher Berg“ bei Dingelstädt bewältigen zu können, denn die Wallfahrtskirche wurde um die Jahrhundertwende erbaut. Der Haltepunkt wurde am 29.Mai 1994 geschlossen und ist heute nur noch als Ruine erhalten. Die Strecke zwischen Dingelstädt und Küllstedt soll ebenfalls stets eingleisig gewesen sein, ein endgültiger Beweis scheint jedoch auch hierfür zu fehlen.

Hermann Josef Friske