Beiträge von Josef Richwien

Blick vom Schlossberg

Verloren tickt die Zeitenuhr –
so lies die Stunde ab,
wo Wildnis auf verwehter Spur
dem Berg die Ruhe gab.

Verschollen schläft der Mauerrest,
und Duft von Kräutern würzt
die Stille, die ihn schlafen lässt,
der mild in sich zerstürzt.

Der alle Wirrnis übersteht,
der Wald, er flüstert fort:
die Sage, die im Dickicht geht
und Zuflucht sucht und Wort.

Wie Stimme jetzt dir zugewandt.
Vielleicht: Wer hier gehaust
und so den Blick zu Tal gesandt
wie du hinunterschaust?

Gang zum Geiberich

Waldempor die alten Pfade –
Klingt nicht alles unterm Rade
fern enteilter Zeiten nach?
Dämmrig, da ich aufwärts steige,
ruht der Wald, als ob er schweige,
wo er längst sein Schweigen brach.

Ausgeschnitten ragt die grüne
Lichtung her – verwaiste Bühne,
fort gesagter Handlung voll.
Könnte dieser Boden reden –
Wessen Schlaf? Auch jener Schwede,
deren Schlachtruf hier erscholl?

Adam Richwien zum 30. Todestag

Du lebst nach meinem Glauben
In einem anderen Land, nur aus der Zeit –
Man keltert aus den Trauben,
die dort gedeihn, den Wein der Ewigkeit.

Du hast zu allen Dingen,
so scheint es mir, den Standort nur vertauscht;
Du hörst die Glocken klingen
Wie ehedem, als du auf sie gelauscht.

Dorfheimat – Erdenstelle,
die köstlich, was die lieb, in sich beschloss,
dass es, verzückte Welle,
in Lieder und Gedanken sich ergoss.

Am Fanster

’S knärbeln wee kläine Kinner,
als wullten se Zehne krie,
wee narrsch uff d’r Hoobrät de Hinner.
Me wird je drehning d’bie.

De Väule in Bäimen un Bischen,
dee hunnse wöhl aongerät,
dan Singsang d’zwischen ze mischen.
Schwickt libber stille un lät!

Äbberhäupt daos äine wisse,
daos Bäist kann vun freeh bis speet
’s sall sich veerseh d’met!

Uff’m Hackklotz, do stickt `ne Boorten –
De veelen Schaoläier sinn
Äh graode känn Gruind ze woorten
Bis speet in Novamber ninn.

Änge August

Schunn korz d’r Taogk; de Ziet vertroppt.
Än kiehles Liftchen kimmt am Nobd
Un kämmt de Stuppelfaller.
Am schwaorz verhanknen Hämmel seecht
D’r Mond sich Lecher färr sinn Leecht,
un manchmo wird’s dann haller.

De Stüden, dee Züne stenn,
vum Weend bewaajt, als wann’se genn
uffmo – wee Butzemanner.
Dann wädder schient’s, se bläbben steh,
dan Kopp gewaandt, als horchten see
un tuscheln mättn’nanner.

Dem Sommer nachgesungen

Bläue Lichtspiel im Laube,
Du weißt, wie die Wildrose roch –
Veratmet manchmal im Staube
Die alte Landstraße kroch.

Es lag das Land wie gebacken
Und sank in die laue Nacht.
Arme bräunten und Nacken
Wie aus Bronze gemacht.

Von Vögeln war und Insekten
Immer Laut in der Luft.
Inständig, dass wir ihn schmeckten,
Eiferte Lindenduft.

Und immer das ferne Getucker
Und Trecker – im Feld irgendwo.
Die Beere sammelte Zucker.
Es reifte Korn und Stroh.

D'r schennste Taogk in diesem Summer

Daos worr d’r schennste Taogk in diesem Summer –
Sö baale gitt’s känn zwäiten wärr wee dan:
Als werr d’r Arde Bitterkäit un Kummer
In lütter Leecht vergleht un nie gewan.

Dar Taoge alleräwwerschter worr disser.
Me nimmt es hänn. Ab änner sich besunn?
War denkt schunn an de veelen Krankenhisser,
wö Liete linn, de nüscht d’vunne hunn?

Vum Bäum des Wöhls, do lett sich lichte asse,
un Meewe macht es nitt. Me fingt’s bequam.
Dach sall me üh ze danken nitt vergasse,
wee’s sich geheert. De wißt schunn: Wam!

G'sang am Moin

Leecht d’r Freehe,
Weendg’wisper im Läube.
Wackg’bloosen
De Spinnwaaben äbberm Harzen.
Väule und Kärchenglocken.
Notenkeppe d’r Fäide
Im Lied d’r Walt:
De eerteh röten Käsper.
Was de Hinner d’zwischen
V’rlüte looßen,
Äß sö wiet nitt wack
Vun allem G’sang.
Jeder hett sinn Bewarbchen,
Lange Waje nach Nobd.
Väule un Kärchenglocken –
Me mütte’s larne,
Ihren Klang äbbern Taogk
Im Öhr ze b’haalen.

Immer de annern!

Besoffne hunn manchmo b’sundre Marotten -
Zwäi Manner, dee schwer än gebloosen hotten,
dee sogk ich mo jingst in de Strooßenbaohn stie,
do kunnten se knapp ehre Fann ninng’krie –
de Schnapsfann, verstett sich, dee jeder geträun.
Dach endlich worrn se nu drinne im Wäun.
’S frug do d’r äine: „Wee schpeet äss’es dann?“
Do gräff in de Kiepen dar annere Mann
Un kroomte `ne Strichholzschachtel veer
Un gückte ninn un aotmete schwer
Un murmelte „Mittwoch“ verr sich henn.
Dar annere hott’n wöhl trotzdam verstenn

Kärchenhoob

Goldgaossen – harzlicher Klang im G’heer,
korz, wee nur än Gaßchen g’see kann,
un dach d’r langste Wagk d’r Walt:
dü läifst in d’r Ewigkäit üs.
Dü fiehrst an de Pforten,
wö hinger g’stututen Wißdornhecken
de Töten schloofen.

Im aalen Hoobe gajennäbber blehn
Viellicht de Bäime graode im de Wette,
udder de riffen Äppel lichten
röt üs’m Läube. Junge Kaotzen jäun
hinger Leechtkringeln har im Graose
un zehlen nitt de Taoge, dee ann g’gann sinn.