Der Spuk an der Schlapphanjesbuche

An der Schlapphanjesbuche spukt's. Die Alten erzählen's den Jungen und so pflanzen sich die Spukgeschichten fort von Mund zu Mund. Die Geschichte, die ich nun berichte, hat sich in Wahrheit zugetragen. Mein Großvater, der frühere Hauptlehrer Kruse, hat sie mir, als ich noch Kind war, selbst erzählt.

Es war vor vielen Jahren. Mein Großvater feierte seinen Namenstag, Josefstag. Viele Gäste waren erschienen aus nah und fern; denn er war beliebt weit im Umkreis. Unter anderem war auch sein bester Freund, der Lehrer T. aus Heiligenstadt, anwesend. Es wurde gegessen und getrunken, wie es so auf den eichsfeldischen Namenstagen üblich ist. Bei guter Stimmung in vorgerückter Stunde wurden Jagd- und Waanergeschichten erzählt. Auch vom Schlapphanjesmann war die Rede. Doch der Heiligenstädter zog die Sache ins Lächerliche, er glaube nicht an Spukgeschichten. Er erbot sich, in der Geisterstunde zur Schlapphanjesbuche zu gehen und von der Buche ein Stückchen Holz zu holen. Gesagt, getan, die Wette wurde abgeschlossen und er machte sich mit dem Beil bewaffnet, kurz vor Mitternacht, auf den Weg. Er wählte die Straße nach Effelder durch das Effelder Tal. Währenddessen machten sich zwei der Gäste ebenfalls auf den Weg nach der Schlapphanjesbuche, ein Nachthemd und ein weißes Betttuch führten sie mit. Sie wählten den kürzeren Weg, den Tippstieg hinauf, um noch vor T. oben zu sein. Einer von beiden zog sich als Geist verkleidet an und versteckte sich hinter der dicken Schlapphanjesbuche. Der andere stand von ferne hinter einer Buche, um Zeuge des Vorfalles zu sein. Die Glockenklänge der Kirchenuhr von Effelder, die die Mitternachtsstunde angekündigt hatten, waren kaum verklungen, als ein Mann keuchend den Berg herauf kam und sich der Schlapphanjesbuche näherte. An der Buche angekommen, holte er das Beil hervor. Gerade wollte er den ersten Schlag ausüben, da trat der Geist hinter dem Baum hervor. "Was schaffst du hier, du elender Erdenwurm? Ich bin der Schlapphanjesmann!"

Entsetzt und entgeistert ließ der Mann das Beil fallen und lief, was ihn die Beine tragen konnten. Er verlor die Richtung und irrte planlos in die Nacht hinein. Ein Lichtschein zeigte ihm, dass er sich in der Nähe eines Dorfes befand. Am ersten Haus in Effelder klopfte er verzweifelt an. Mitleidige Seelen gaben dem zu Tode gehetzten ein Nachtquartier. Aus dem Saulus wurde ein Paulus, er glaubte fortan an den Schlapphanjesmann. Wie leicht aber hätte dieser Scherz böse Folgen haben können.

Josef Menge
(Quelle: Lengenfelder Echo)