Der Hülfensborn

Wenn man von Geismar aus den Hülfensberg besteigt, so trifft man zwischen der achten und neunten Station des Kreuzweges, der den Pilger zum Berg hinaufgeleitet, auf eine Quelle, die dem Muschelkalkboden entspringt. Es ist der Hülfensborn, dessen Wasser man eine heilkräftige Wirkung zuschreibt. Die kleine Quelle führte ursprünglich einmal den Namen Jesusbrünnlein. Sie soll auf folgende Weise entstanden sein:
Einst hütete am Abhang des Berges der Sohn des Schäfers eine kleine Herde. Es war ein heißer Julitag und wochenlang war schon kein Tropfen Regen gefallen. Gras und Blumen verdorrten und weil es unten im Tal schon lange kein Futter mehr für die Tiere gab, hatte der Junge seine Herde hier heraufgetrieben. Inzwischen war es Nachmittag geworden und der Junge verspürte einen brennenden Durst. Doch weit und breit gab es kein Wasser. Gar zu gern wäre der Junge ins Tal hinuntergeeilt, um einen Brunnen aufzusuchen. Sein Vater hatte ihm jedoch immer wieder eingeschärft, unter gar keinen Umständen die Herde allein zu lassen. Obwohl ihm die Zunge am Gaumen klebte, folgte er der Weisung des Vaters und blieb bei den Tieren. Fromm erzogen, hatte der Junge von seinen frühesten Kindertagen an eine besondere Verehrung zum Jesuskind und manches Liedchen sang er vor sich hin und fühlte sich fast wie einer der Hirtenknaben, die zur Weihnachtszeit oben auf dem Berge in der Kirche die Krippe umstanden. In seiner Not wandte er sich an das göttliche Kind und bat es um Hilfe. Kaum hatte er seine Bitte vorgetragen, da rieselte aus dem steinigen Boden klares Wasser hervor und der Junge konnte so recht nach Herzenslust trinken. Dann kam auch seine Tiere an die Reihe. Aus Dankbarkeit aber nannte er die entstandene Quelle das Jesusbrünnlein. Die wunderbare Begebenheit sprach sich schnell herum und aus der ganzen Gegend kamen die Menschen und holten Wasser für sich und ihr Vieh. Und da man von dem Wasser eine heilkräftige Wirkung zu verspüren meinte und die Quelle außerdem fast auf der Höhe des Hülfensberges entsprungen war, nannte man sie Hülfensborn. Und jeder Pilger, der schon einmal in der mittäglichen Glut der Sonne den Berg bestiegen hatte und der müde und erhitzt oben ankam, hat zumindest die erfrischende Wirkung des tiefkühlen Wasser verspürt und war dankbar dafür.