Ernte

Mit keuchendem Atem steigt sie den Hügel hinan, die alte Margareth; auf schmalen, holperigen Feldpfad. Die Felder liegen im Glutofen brennender Sonne. Ein Endchen rückwärts trippelt noch ein Mädchen, so an die sieben – acht – Jahre – 's will nimmer halt mehr so recht mit der Alten. Aber da oben am Hügel, da liegt ein Stückchen Land. Dem vertraute sie im Frühjahr die Körner an. – Nun ist schon Ernte!

Margareth bleibt stehen und wendet sich, beschattet die Augen. "Großmutter", ruft das Kind, "wart nur! 's Burgel fasst dich an! Hast wohl wieder mit Luft? Großmutter, warum hast denn die nit? 's Burgel hat Luft – und 's ist doch so viel Luft im Feld. "Komm Burgel", antwortet die Margareth, "bald sind wir da – und dann geht's schon besser." Sie schaut über das Tal. Überall stehen die Garben. Da oben am Hügel, an der Winterseit', da zieht sich die Reise immer ein Kleines hinaus. Das Burgel fasst sie bei der welken Hand. Sie weiß nit recht; führt sie das Kind oder wird sie von dem Kind geführt?

Nun sind sie da. Die Körner knistern in den Ähren. Nicht grad' üppig steht die Frucht. Aber so war's ja immer hier an der Winterseit'. Aber das Land – es ist das Herz der Alten und sie glaubt es selber: Wenn sie hier nit mehr säen und ernten kann, dann ist ihre Zeit um. Wie das Stückchen hier an der Winterseit', so war ihr Leben. Karg und nicht allzu viel Sonne – und nimmer üppig die Frucht. Oder doch? 's wird schon einer ihre Tränen gezählt, ihre Seufzer gehört haben. – Von der Winterseit' ist halt nit so viel z' verlangen. Aber wie sie die Sichel zur Hand nimmt, die Alte, da muss sie ein wenig sinnen – so an allerlei. 's wird doch halt bald 's letzte mal sein, dass sie hier schneidet. Und – das Kind! Es wäre vielleicht noch Sommerseit' geworden in ihrem winterlichen Leben. Ja, so winterseitig war ihr Leben und doch so brennend in Qual und Weh. Und diese sengenden Strahlen, sie haben reif gemacht – reif zum Schnitt, reif zur Ernte. – Aber könnten die viel wägen, ihr Rosenkränzlein, ihre Seufzer, ihre Nachtwachen, ihre Kupferscherflein, die in die Hände der noch Ärmeren als sie selbst gingen? –

Sie sichelte an die Halme, raffte sie und legte sie zu Boden. "Großmutter, warum machst du es so? Warum lässt du es nut stehen, das Feld – dass es noch wachsen kann?" Mit fragendem Blick ist die Burgel vor sie getreten und mit kindlicher Einfältigkeit stellt es die naive Frage. "Ei, Burgel, das verstehst du nit. Schau, 's tut nimmer wachsen, das Feld. – Auch hier auf der Winterseit' ist's reif geworden. – Und was reif ist, muss fallen!"

Da ist Burgel zufrieden. Es streift ein wenig abseits, am Rain entlang, pflückt Blumen und hascht nach zirpenden Heuschrecken. So mag ein halb Stündlein vergangen sein. Da wird dem Burgel ein wenig Angst. Die Sichel klingt nicht mehr. Ob Großmutter die Burgel vergessen hat und heim ist? Doch da sieht es die Großmutter zwischen den Halmen. In der Hand hält sie die Sichel. Aber Großmutter keucht nicht mehr und schläft so fest. Das Kind fasst ihre welke Hand und ruft. Aber keine Antwort kommt. Da rennt es, von Angst getrieben, davon...

Unten am Stücke kommen Leute herbei. Sie sehen, was hier ist. Die alte Margareth' ist tot. Einer fragt das Burgel: "Burgel, weißt' nimmer, was deine Großmutter noch zuletzt g'sagt hat?" 's Burgel besinnt sich, wischt sich eine Träne ab und erinnert sich:
"Reif ist's nun auch auf der Winterseit' geworden – und was reif ist, muss fallen." ...