Beim Krippenbau des Herzens

Advent - Ankunft. -Unsere Gedanken kreisen mehr und mehr um den einen Mittelpunkt, um das nahende hoch heilige Weihnachtsfest. Vorbereitungen treten an uns heran, auf dass es werde für jeden eine fröhliche, beseligende, ungetrübte Gnadenstunde. Wer kann sie alle aufzählen, die Pläne, die entstehen und verwirklicht werden zur Entfachung hell jubelnder und still betrachtender Christtagsfreude. Wie viel Geheimnisvolles hat sie an sich, die vorbereitende Adventszeit. Unsere Jungen haben das fröhliche Drachenspiel draußen auf den Feldern aufgegeben und sinnen Neues, Zeitgemäßeres. Was haben sie nun so geheimnisvoll zu basteln im Kämmerlein, Tag für Tag. Nun, was wird es sein?

Sie sind beim Weihnachtskrippenbau, denn das frohe Kinderfest beherrscht nun ihre ganze Phantasie, breitet seine Strahlen nun täglich mehr und mehr ins hoffnungsvolle Kinderherz. Wir Großen - wir sind keine Kinder, das fühlen wir tagtäglich im harten Schicksalsringen des Lebens. Und doch, bis der heilige Abend sich herabsenkt, bis die heiligste Erdennacht hereingebrochen, bis dahin müssen wir wieder Kinder sein, sonst - werden die Weihnachtsglocken vergebens für uns läuten. Darum herbei, und ein wenig basteln im Herzenskämmerlein, denn bis zum heiligen Abend muss alles fertig sein, auf dass uns eigen werde alsdann der tiefe Sinn der kommenden Weihnacht, der Sinn der Liebe! Dann braucht's nicht viel. Stelle nur recht bescheiden im Herzenskämmerlein das Kripplein auf und harre der Stunde, wo darin das geheimnisvolle Wunder sich vollzieht. Dazu gibt's nichts zu kaufen aus dekorierten Schaufensterauslagen. Dazu braucht's nicht viel mehr als guter Wille. Wenn du dann mit Weib und Kindern endlich vor dem glänzenden Lichterbaume stehst und einfällst in ihr fröhliches Singen, wenn du dann auch nur eine einzige Träne betroffen zerdrückst, siehe, dann ist dein Herzenskripplein nicht mehr einsam und leer, es ist gefüllt vom neugeborenen Gotteswunder der Liebe, und du bist ein Kind. Ja, wenn es so sein könnte, dann würde Weihnacht für dich tief innerstes beseligendes Erlebnis.

Weihnachten 1925