Die Wallfahrt zum Annaberg

Vom Kloster Zella etwa 700 m in nördlicher Richtung entfernt stand bis zum Jahre 1869 auf Einem Bergvorsprung eine Kapelle, in der die heilige Anna verehrt wurde. In dieser Kapelle, die im Jahre 1714 unter Beibehaltung des Glockenturmes vom Jahre 1672 neu aus Stein gebaut wurde, stand das Gnadenbild der hl. Anna, das sogenannte „Selbdrittbild“. Zu diesem Gnadenbild wallfahrteten am jährlichen „Annatag“ (26. Juli) seit Beginn des 18. Jahrhunderts die Einwohner von Struth, Effelder, Küllstedt, Büttstedt, Bickenriede, Lengenfeld u./Stein, Hildebrandshausen und Faulungen in Prozessionen.

Die Lengenfelder Prozession, die auf ihrem Weg in Kloster Zella kurz zum Gebet anhielt, zog den Kreuzweg mit sieben Stationen, kurz die sieben Fälle genannt, zum Annaberg hinauf.

Obwohl durch ein Dekret vom 7. Juli 1810 des Königs Hieronimus von Westfalen das Kloster Zella endgültig aufgehoben wurde, die Nonnen – Benediktinerinnen – das Kloster daraufhin verlassen mussten, das die Kaufleute Heinrich und Wilhelm Röbling für 60.000,00 Thaler gekauft hatten, gingen die Wallfahrten zum Annaberg weiter. Erst als am 19. April 1848 vom II. Senat des Oberlandesgerichtes in Halberstadt dem neuen Besitzer Lutteroth auch über die Annakapelle das Eigentumsrecht zugesprochen worden war und dieser die Wallfahrten verbot, zog am „Annentag“ 1848 die letzte Lengenfelder Prozession zu diesem so beliebten Wallfahrtsort.

Mit dem Abbruch der Wallfahrtskapelle durch den Besitzer Lutteroth im Jahre 1869 fand eine so berühmte Gnadenstätte und damit auch die Wallfahrten dorthin ihr Ende.

Da der Pfarrer von Struth dem Ersuchen des Besitzers Lutteroth, Glocken, Altäre, Kanzel und Kommunionbank aus der Kapelle zu beseitigen, nicht nachkam, ließ unser Pfarrer und Dechant Heinrich Adam Spieß die Kapelle räumen und diese Gegenstände nach Lengenfeld unterm Stein transportieren.

Darüber berichtet uns das Tagebuch des Ziegeleibesitzers Joseph Hahn von der Ziegelhütte. Noch heute (1984) werden die Besitzer dieser ehemaligen Ziegelei „Ziegelhüttens“ genannt: „Pro 1869, den 13. Oktober habe ich den Hochaltar, die Kanzel. 3 Beichtstühle und zwei Glocken aus der Annaberger Kirchen auf zwei Fuder mit 4 Pferden hier nach Lengenfeld in die kleine Schule gefahren. Hierzu war ich vom Dechant Spieß beauftragt. Die große Glocke war 1760 gegossen und die kleine Glocke war 1762 gegossen.“ (Tagebuch von Joseph Hahn)

„Pro 1869, den 13. Oktober. Die zwei Neben-Altare hat Hampeter Hahn in der Mittelmühlen den größten davon nach Lengenfeld gefahren mit einem Pferdefuder auch in der kleinen Schule.“ (Tagebuch von Joseph Hahn)

Die kleine Glocke erhielt das Kloster der „Barmherzigen Schwestern“ in Heiligenstadt, die große Glocke Dieterode. Das Gnadenbild der heiligen Anna wurde in Struther Pfarrkirche aufgestellt.

Walther Fuchs
(Quelle: Kirchenchronik von Lengenfeld unterm Stein, 1984)