Das Stuffenloch auf dem Hülfensberg

Vorbemerkung des Verfassers:

Die Höhlenforscher Hessens haben sich im Rahmen ihres Forschungslagers in Nordhessen im März 1991 auf Höhlensuche begeben. Dazu gehörte es auch, dem Wahrheitsgehalt von Höhlensagen nachzuspüren. Einem »Stuffenloch« wollte ich auf die Spur kommen, das trotz einiger Literaturquellen nicht lokalisiert werden konnte. Das Land jenseits des Eisernen Vorhangs war für uns ja fast immer noch terra incognito, so dass wir kaum Hinweise über das Stuffenloch in den Händen hatten. Ursprünglich vermuteten wir es an der Plesse.

Am 24. März fuhr ich dann mit zwei Münchner und drei Eisenacher Höhlenforschern zum Hülfensberg; hier ein kleiner Auszug aus dem Tagesbericht:
»Die westliche Flanke des Berges ist noch zerfurcht und zaunbewehrt von den Grenzsperranlagen der ehemaligen DDR, als wir zum Berg fahren. (...) Ein Franziskanermönch sammelt gerade seine Schäfchen zum Gottesdienst, als ich ihn nach dem Stuffenloch frage. Seine unwirsche Antwort, die Palmzweige in den Händen der Gottesdienstbesucher und das fortgeschrittene Alter des Mönchs lassen mich schlussfolgern: Frage nie am Palmsonntag einen alten Franziskaner auf christlicher Stätte nach »heidnischen Abgott«! Wir finden die angegebene Stelle ganz in der Nähe eines mehrere Meter hohen Metallkreuzes (Aussichtspunkt) und wissen nicht, ob wir enttäuscht sein sollen.«

Der für einen Höhlenforscher wirklich kümmerliche Höhlenrest, eine kleine Spalte an der nördlichen Steilkante des Hülfensberges, hat mich dennoch so sehr interessiert, dass ich seitdem in Bibliotheken und Archiven nach der Höhle recherchiert habe. Eine große Menge an z.T. auch sehr alten Schriften konnte ich dabei auswerten. Trotzdem sind immer noch viele Fragen zum Stuffenloch offen. Man kann damit rechnen, dass unter dem Erdboden des Hülfensberges wohl noch einige Antworten auf unsere Fragen verborgen liegen.

Auf den Spuren eines Höhlen-Heiligtums?

»Nächst Heiligenstadt ist kein Ort auf dem Eichsfelde, dem man so alte und merkwürdige Begebenheiten zuschreibt, als der Hülfensberg.« (WOLF 1802, S. 3)
Mit diesen Worten leitet der eichsfeldische Geschichtsschreiber Johann Wolf am 3. Februar 1802 eine Rede ein, die er in Erfurt vor den Hohen Herren der Kurfürstlichen Akademie nützlicher Wissenschaften hält.

Fast 190 Jahre später sind diese Merkwürdigkeiten des Hülfensberges beinahe vergessen. War doch der Berg über drei Jahrzehnte fast unerreichbar; er befindet sich nämlich im ehemaligen Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze, nur wenige hundert Meter vom Metallgitterzaun entfernt, direkt gegenüber der nordhessischen Stadt Wanfried.

Das Bergplateau des Hülfensberges ragt über 200 Meter aus der umgebenden Landschaft heraus und erreicht eine Gesamthöhe von 444 Meter über NN. Der Wanderer erblickt »einen dem Scheine nach kegelförmigen, sehr regelmäßig gestalteten Berg, von dessen Anblick er unwillkürlich gefesselt wird« (WALDMANN, 1857, S.10).

Die Plateaufläche entspricht einem nach Süden gerichteten Dreieck von 180 Metern Seitenlänge, bei einer Fläche von etwa vier Morgen (RÖHRIG 1926, S.110). Darauf steht das größte christliche Heiligtum der Eichsfelder, wie die Wallfahrtskirche auf dem Hülfensberg (14. Jhdt.) bezeichnet wird. Diese Kirche war vor der Grenzziehung ein altes, traditionelles Ziel von Wallfahrern und ist erst nach der Aufhebung des Sperrgebietes 1990 erstmals wieder Endpunkt einer großen Pilgerfahrt geworden. (SCHNEIDER 1990, S. 115)

In den vorgefundenen Quellen finden sich folgende Bezeichnungen für den Hülfensberg:

  • 1352/57/67 Stoffenberg
  • 1357 Stouffenberg
  • 1381 Sente Gehulfinn Berg
  • 1397/1444 Sanct Gehülfensberg
  • 1419 mons salvatoris
  • 1429 mons sancti salvatoris
  • 1581 Sente Gehülfen Berg
  • 1605 Gehülfenberg
  • 1850 teils Hülfensberg, teils Hilfensberg
  • 1920 Hülfensberg

»Es scheint, das Kloster Anrode (in dessen Klostervermögen die Kirche auf dem Hülfensberg im Jahre 1363 fiel, Anm. d. Verf.) mit Vorbedacht dahin gestrebt hat, den alten heidnischen Namen in Vergessenheit geraten zu lassen und die andere christliche Bezeichnung mehr zur Geltung zu bringen« (OSTENDORF 1930,3.20)

Der Hülfensberg ist mit einer Vielzahl von Sagen und Legenden umrankt. Eine der interessantesten Überlieferungen betritt jedoch das sogenannte Stuffenloch. Die Sage vom Stuffenloch selbst ist ein Teil der Bonifatius-Legende. Erst seit dem Anfang des 17. Jahrhunderts wird der Hülfensberg in historischen Schriften mit Bonifatius, dem Apostel der Deutschen in Verbindung gebracht.

Über die Anwesenheit des Bonifacius in den Zwanziger Jahren des 8. nachchristlichen Jahrhunderts und auch Karls des Großen auf dem Hülfensberge findet man schon frühere Schriften. Fast alle späteren Schriftsteller beziehen sich nur auf die beiden Quellen LETZNER und SPANGENBERG.

JOHANN LETZNER (1602): »Von Geismar ist Bonifacius mit den seinen über die Werrha, und auff den Stuffenberg gezogen. Dieser Berg ist auff dem Eichsfelde, zwischen Heiligerstadt und Eschwege in der Junckern von Hannstein gebiet gelegen. Darauff ein Teuffelischer Götze gestanden Stuffo genandt, welchen das benachbarte Volck, als einen Gott geehret und angebetet, denselben hat Bonifacius verfluchet und verdammet, und soll daselbst in ein Loch getanen sein, daher dasselbige noch heut zu tage Stuffens Loch, wie auch der ganze Berg Stuffenberg genandt wird. Und hat Bonifacius an Stadt dieses Götzenhauses ein Oratorium und Capell gebawed auch einen Priester dahin verordnet, der das Volck im Christlichen Glauben unterrichten und lehren solt.« Darüber hinaugehend berichtet M. CYRIACUS SPANGENBERG (1603) noch, daß den Anhängern des Stuffo durch einen »Götzen dann auch der Teuffei ihnen auff ihre Fragen geantwortet hat«.
Aus der Höhle selbst, so berichtet er, soll »zu Ungewitters zelten ein greulicher Dampff und Nebel heraus gehen«.

Am 24.3.91 konnte die wahrscheinliche Lage der heute nicht mehr existenten Höhle ermittelt werden. »Ein schattiger Pfad kommt uns entgegen und bringt uns im Nu zur Stuffensbrücke. Unter Pater Maternus Jungmann angelegt, verbindet sie, auf eisernen Trägern ruhend, zwei klaffende Felsmassen. Früher war hier, wo das Gestein vorwiegend aus wasserhaltigem Muschelkalke besteht, ein tiefer Trichter, das sogenannte Stuffensloch. Da das hineinlaufende Wasser im Winter zu Eis gefror, sprengt es den Felsen auseinander. Der dadurch entstandene Spalt zieht sich durch den ganzen Berg bis unter das Chor der Wallfahrtskirche. Nachdem in den Jahren 1811 und 1826 die äußere Felswand am Stuffensloch unter großem Getöse und alles unter sich begrabend eingestürzt ist, zeigt sich dem Besucher nur noch der gähnende Spalt.« (SCHWEDHELM 1928, S.8f).

Eine noch abenteuerlichere Theorie über die Genese der Höhle tischt uns SCHWEIKERT auf, der Höhlenentstehung und Legende miteinander zu verbinden sucht: »Das Stuffensloch, das sich in den Erzählungen von Letzner und Spangenberg findet, kann man nur auf einen niederfahrenden Blitzschlag deuten, der den Berg gespalten hat und von großem Geschrei der Umstehenden und dem bekannten schwefeligen Gerüche begleitet war.« (SCHWEIKERT 1912,5. 107)

Die heutige naturwissenschaftliche Erklärung würde die Lage der Höhle an der herzynischen Klüftung (»Spalt, der sich durch den ganzen Berg zieht«) bestätigen. Der tiefe Trichter wäre dann als Einsturz in unterirdische Lösungshohlräume (Einsturzdoline) zu erklären. Diese Einsturzdoline hätte dann über eine bewetterte Verbindung mit den noch nicht eingestürzten Hohlräumen den Nebel erzeugt. Dieses Phänomen wird auch bei einigen anderen Höhlen beobachtet; die Höhle funktioniert dann wie ein natürlicher Barometer: Bei plötzlich fallendem Luftdruck (»zu Ungewitters Zeiten«) strömt Höhlenluft mit relativ hoher Feuchtigkeit nach draußen. »In Höhlengängen aufwärts wehender Wind erreicht schnell die Sättigungsgrenze. An den Wänden kommt es zu Kondensationen, normalerweise als Kondenswassertropfen, in Eishöhlen als Rauhreif und Eisblumen. Sind genügend Kondensationskerne vorhanden, dann bilden sich Nebel.« (BÖGLI 1978, S. 233)

Die Quellen

Wenn wir den historischen Gehalt der Ausführungen von SPANGENBERG und LETZNER beurteilen wollen, dann müssen wir auch die Quellen beurteilen, aus denen die beiden letztlich geschöpft haben.

An dieses Thema hat sich im Jahre 1802 erstmals JOHANN WOLF kritisch herangewagt. WOLF schreibt, dass SPANGENBERG in der Zueignungsschrift an den Herzog von Braunschweig, Bischof zu Münden erläutert, er habe sein Werk »aus alten Schriften, die noch nicht in Druck ausgegangen wären« zusammengetragen. (WOLF 1802, S. 19)
WALDMANN schließt aus Bemerkungen bei LETZNER und SPANGENBERG, daß sie, insofern sie überhaupt ihre Quellen preisgeben, »denn keine Randbemerkung und auch keine andere Hindeutung zeigt dieses bestimmt an«, den Stuffo »nur von Fontanus oder Laspo« haben können (WALDMANN 1857, S. 54).

»Conradus Fontanus von Huxtor burtig, ein Benediktiner Munch zu Helmershu-sen an der Diemel gelegen, ein gelehrter Mann und Historicus, hat seines Freundes Albrecht Tonerii angefangene historische Beschreibung des Weserstromes wieder für sich genommen und in vielem verbessert, (...) ist aber daselbst zu Helmershusen über der Arbeit verstorben, also daß dieses Werk abermals nicht kompliret, sondern unvollendet liegende blieben. (LETZNER, 1604, Kap. 70)

Von Benediktus Laspo sagt LEUCKFELD: »Es hat zwar anno 1286 in demselben (Kloster Reinhausen) ein Meßpriester namens Bened. Laspo gelebt, welcher sich auf das Studium historicum gelegt und aus vielen alten Closter-Büchern und schriftlichen Uhrkunden ein Chronicon bis auf sein anno 1300 erfolgtes Absterben zusammengetragen hat, so aber verlorengegangen.« (LEUCKFELD), Antiquität. Bursfeldens, S. 129).

Die Chronisten und Gefährten von Bonifatius, Willibald und Othlo vermelden nichts von der Reise des Bonifatius zum Hülfensberg. Auch andere Geschichtsschreiber vor LETZNER und SPANGENBERG wissen nichts vom Stuffo. JOHANN BECHERER erzählt in seiner Thüringischen Chronik im Jahre 1601 über Bonifatius: »darnach zoch er gen Geismar, und warf da umb einen großen Baum, bey welchem die Heiden dem Abgott Jupiter geopfert haben, und bauwet eine Kirche in St. Peters Ehre an die Stette.« BECHERER war Pfarrer zu Windeberg bei Mühlhausen, unweit des Hülfensberges. Er hätte es sicherlich nicht mit Stillschweigen übergangen, wenn damals in der Umgebung der Glaube geherrscht hätte, da Bonifatius den Stuffo auf dem Hülfensberge gestürzt hätte.

Die etymologisierende Geschichtsdeutung allein schon weckt starken Argwohn; neben dem Stuffo auf dem Stuffenberg soll Bonifatius laut LETZNER u.a. folgende weitere Götter in der Umgebung gestürzt haben: Biel auf der Biels-höhe, Asteroth bei Osterode, Lharam bei Schloß Lahr, Jecham bei Jecheburg ...
Den Gipfel der Interpretation bietet dazu SPANGENBERG für die nie nachgewiesene »Göttin Hastradh«. Allen Ernstes heißt es bei ihm, der Name stamme von »hastig rhaten, das ist schnell und eilend zu Hülffe kommen.«

WOLF (1802, S. 12) dazu: »Heutiges Tages würde man sich sehr lächerlich machen, ich will nicht sagen bey Gelehrten, sondern selbst by Lesern, die nicht ohne alle Kenntnis und Geschmack sind, wenn man mit solchen Mährchen aufgezogen käme. Damals hingegen wurden SPANGENBERG und LETZNERS Schriften von dem h. Bonifacius mit allgemeinem Beiyfalle aufgenommen, und man wusste es ihnen Dank, dass sie so alte, bisher unbekannte, Geschichten der Welt bekannt machten.«

WOLF, obwohl selbst Kanonikus im Petersstifte zu Nörten, ist ganz vom Geist der Aufklärung beseelt. Er fragt sich und den Leser nach den Motiven der Erdichtung: »Wie hat es jemanden einfallen können, in der Genealogie, um manche Geschlechter bis ins sechste Jahrhundert oder noch weiter zurückzuführen, so viele Ahnen zu dichte, Vater und Söhne zu nennen, die nie gelebt haben ?

Woher haben wir in mehreren Stiftern Verzeichnisse der Bischöffe von den Apostelzeiten, mit Bemerkung der Jahre, wie lang ein jeder gelebt habe, wenn er gestorben und was er gethan, von welchen die Alten nichts gewußt haben ? Woher so viele Fabeln in einigen Legenden der Heiligen? Zweytens antworte ich: Die nächste Veranlassung, solche Götter zu dichten, war Mangel an Sprachkenntniß oder falsche Deutung der Namen der Berge. Was Reto, Stuffo, Jecha u.s.f. eigentlich bedeuten, wußten die Erdichter nicht. Sie wußten aber, daß die Götter der Heyden durchgehends auf Anhöhen in Wäldern sind verehret worden: daraus machten sie den falschen Schluß: also hat es einen Gott Reto, Stuffo und Jecha gegeben. Ich getraute mir nicht, dieses so dreist zu behaupten, wenn man es mit den Städten nicht ebenso gemacht hätte. Hat man nicht geglaubt, Hamburg habe seinen Namen von dem Jupiter Hammon, Mer-seburg von dem Mars, Goldwedel von der Sonne, Magdeburg von der Venus, Hermesleben von dem Merkur, Lüneburg von dem Monde, und Isni in Schwaben von der Isis? (WOLF 1802, S. 73f.)

LÖFFLER (1913, S. 59), ist es klar, »daß SPANGENBERG den LETZNER benutzt hat. Er übernimmt von ihm auch die erwähnten Gottheiten, übt aber andererseits schon in seiner Weise Kritik an LETZNERS Erzählungen und rückt manches zurecht.« Für LÖFFLER ist LETZNER der eigentliche Bösewicht. Er bezeichnet ihn auf der selben Seite als »notorischen Geschichtsfälscher«. WOLF hingegen ist der Auffassung, daß SPANGENBERG das Werk LETZNERS nicht gesehen hat. Obgleich LETZNER sein Werk ein Jahr vor SPANGENBERG herausgab, habe »jener doch bereits im Jahr 1602 Nov. seine Dedication an den Rath zu Hammelburg abgefaßt. Vielleicht war die Geschichte schon lange vorher vollendet.« (WOLF 1802, S. 20)

Der Jesuit SERARIUS gab im Jahre 1604 die Mainzer Geschichte heraus, darin beschrieben auch das Leben des Bonifatius. SERARIUS führt LETZNER mit den Geschichten vom Hülfensberg in seinem Werk an. Da sich die Mainzer Geschichte von SERARIUS ziemlich schnell in ganz Deutschland verbreitete, wurden der heidnische Abgott Stuffo und seine Höhle einem größeren Publikum bekannt. WOLF zählt im Jahre 1802 bereits 22 Autoren, die nach LETZNER und SPANGENBERG den Stuffo erwähnen. »Doch kann diese Menge der Geschichtsschreiber, wenn sie auch noch größer wäre, die Lüge nicht zur Wahrheit machen; und alle zusammengenommen haben nicht mehr Gewicht, als der erste, dem sie es nachschrieben.« (WOLF, 1802, S. 17f.)

LEUCKFELD (1706, Vorrede S. 4) sagt von LETZNER, er sei »zwar ein großer Liebhaber von denen Antiquitäten, aber dabey auch ofte an judicio sehr schwach gewesen, daß er zum öftern alter Weiber Erzehlung vor grosse Wahrheiten angenommen, und solche wiederum seinen Schriften einverleibt hat.« WOLF (1802, S. 23f.) zerpflückt LETZNER und SPANGENBERG vollends; er zitiert SCHÜTZE (III. Samml. S. 39): »Man muß sich über die gelehrte Treuherzigkeit des LETZNER und SPANGENBERG verwundern. Sie haben ihre Nachkommen nach dem Maaße ihrer Leichtgläubigkeit beurtheilt, da sie ihnen die Träume der Mönche, auch vielleicht ihre eigenen Träume, als Wahrheit verkaufen wollen, weil sie sich auf keine Gewährmänner zu berufen wissen: so geschieht ihnen kein Unrecht, wenn man ihre Gottheiten als Aftergötzen verstößt.«

Fundstücke

Einen bemerkenswerten Fund, der zunächst keine Beachtung fand, machte im Jahre 1867 der Franziskaner-Mönch Pater Marcellus, der auf dem Hülfensberg lebte. Er grub eines Tages den Boden auf dem Bergplateau um, denn er wollte Ackererde für den neu angelegten Klostergarten gewinnen. Dabei entdeckte er eine glatt senkrecht in den Felsen gearbeitete Grube (nicht gemauert, wie SCHWETHELM1928, S. 3 fälschlicherweise behauptet) von 3,5 Metern Länge, 2,5 Metern Breite und 2 Metern Tiefe. An einer Längsseite waren treppenförmige Stufen angelegt. In Reihen neben- und übereinander stand eine große Anzahl mit Asche gefüllter Urnen. »Diese sind danach, nach dem Bericht von Augenzeugen, sämtlich zerschlagen worden« (TEVES 1924).

Der vorgeschichtlich interessierte Pater VIGILANTIUS TEVES versuchte im Jahre 1924 die Anlage wieder aufzugraben, »um seine genauen Maße festzulegen, doch ist es mir nicht gelungen, die Stelle zu finden. Eine große Anzahl Bruchstücke der Urnen hat sich vorgefunden.« TEVES glaubte daran, »noch andere wahrscheinlich mit einem größeren heidnischen Kultort im Zusamm-menhang stehende Anlagen aufzugraben.« Seine angeschlagene Gesundheit und der Mangel an Mittel zwangen ihn aber zur Aufgabe.

Einige erhalten gebliebene Bruchstücke wurden im Jahre 1927 von Dr. Karl Engel am prähistorischen Museum in Magdeburg untersucht. Er datierte die von den Urnen stammenden Scherben mit ihren senkrecht gestellten Strichornament-Bändern bzw. breiten Riefenornamenten in die »spätslavische Periode von 1000 - 1200 v. Chr.« (MAGDEBURGER ZEITUNG am 12. Dez. 1927, zit. in SCHWETHELM 1928, S. 3)

Im Jahre 1890 entdeckte man beim Baue des jetzigen Kirchenchores der Wallfahrtskirche in einer Bergspalte eine große, nicht näher beschriebene oder untersuchte Menge Asche (SCHWETHELM 1928, S. 34). Wir erinnern uns an die Beobachtung SCHWETHELMS, daß die Bergspalte, an der das Stuffenloch angelegt war, sich bis unter das Chor der Wallfahrtskirche ziehe (SCHWETHELM 1928, S.8). Die Bergspalte unter dem Kirchenchor könnte dann wohl auch ein kluftorientiert angelegter Hohlraum (resp. Höhle) gewesen sein, wofür die große Menge gefundener Asche spricht.

»Die Hülfensbergkirche hatte schon um 1100 einen Friedhof, wie das Gräberfunde unter der ehemaligen Bonifatius-Kapelle 1889 wahrscheinlich machen.« Aus einer Urkunde des Jahres 1589 geht seine Existenz noch hervor (OSTENDORF 1930, S. 19f.). Die Bewohner der offenen Ortschaften Geismar, Großtöpfer, Döringsdorf und Bebendorf flohen wegen einzelner Fehden großer Reichsfürsten, in welche auch Hessen und Thüringen als feindliche Parteien verwickelt waren (so z.B. in den Jahren 1387 und 1402/4) auf den Hülfensberg, wo sie sich an der alten Pfarrkirche ansiedelten. Diese Ansiedlung wird wohl noch bis zum Anfang des 16. Jahrhunderts bestanden haben« (OSTENDORF 1930, S.26ff).

Die Aschen- und Urnenfunde aber können nur nichtchristlichen Ursprungs sein. Kein gläubiger Christ hätte sich (schon gar nicht auf geweihtem Boden) der Gefahr ausgesetzt, wegen Verbranntseins nicht an der leibhaften Auferstehung am Jüngsten Tage teilnehmen zu können.

Spätestens hier stellt sich jetzt die Frage, ob das Stuffenloch, wenn schon nicht in Verbindung mit einem Gott Stuffo, so doch aber vielleicht (aufgrund der Fundlage) anderweitig mit vorchristlichem Kult in Verbindung stand? Der Gott Stuffo steht zwar auf sehr schwachen Füßen, doch gibt es immer noch Ungereimtheiten und offene Fragen.

So taucht bei SCHWEIKERT plötzlich ein vorher nicht bekannter Brief von Nikolaus Elgard auf. Der spätere Weihbischof von Erfurt, der 1575 auf dem Hülfens-berge gepredigt hat, schreibt an den Kardinal Como: »Auf dem Hülfensberge (in monte sancti Salvatoris) liegt eine Kirche; wo ich am Pfingstmontage mit den Visitatoren war. Wir ersahen aus alten Denkmälern (ex antiquis monumentis), daß der heilige Bonifatius dort ein Götzenbild zerstörte, durch das ein Teil namens Stauff redete.« (SCHWEIKERT1912, S. 46 und SCHWETHELM1928, S. 68) GREGORIUS (1711,8.40) behauptet sogar, dass das Bildnis des Stuffo in der Predigerkirche von Mühlhausen bis 1525 als Kuriosität aufbewahrt worden sein soll.

Zur Etymologie von Stuffo und Stuffenberg

Wild wuchern die Erklärungen über den Ursprung des Namens Stuffenberg. Mehrere Interpretationen scheinen hier möglich zu sein; eine einzig wahrscheinliche und eindeutige Interpretation ist nur sehr schwer in der Vielzahl der Deutungsmöglichkeiten auszumachen. Ich skizziere kurz und stichwortartig (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) die Deutungsmöglichkeiten, die hier einen Bezug haben könnten.

VEITH, HEINRICH (1871): Deutsches Bergwörterbuch, Breslau, S.477ff Stufe, Stuffe = 1) ein Stück Gestein; 2) ein Zeichen im Gestein SPANGENBERG, K. (1982): Thüring. Wörterbuch Bd. V, Berlin, S. 1708 Stufe = Loch zum Einsetzen von Saatkartoffeln, Loch zum Einstreuen des Samens oder des Mistes, Pflanzloch für Kraut

GRIMM, JACOB & WILHELM (1919): Deutsches Wörterbuch Bd. 10, II. Abt., 1. Teil, Leipzig, S. 1173

Stauf=Spitzer, kegelförmiger Berg. So nur hochdeutsch: Substantivierung des westgermanischen Adjektivs staupa = steil; angelsächsisch Steap; englisch steep; althochdeutsch stauf, stouf; mittelhochdeutsch Stouf = hochragender Felsen.

GRIMM, JACOB & WILHELM (1942): Deutsches Wörterbuch Bd. 10, IV. Abt., Leipzig, S. 291 ff

Stufe = 1) im oberdeutschen Vertiefung im Erdboden: stuff, ein Loch, das man macht, pflanzkraut darein zu stecken.

Stufe = 2) »Der Hauptgebrauch ist zu allen Zeiten Stufe als Teil einer Treppe, Leiter und dergl.

Stufen = 3) beschneiden, stutzen, insbesondere Bäume WOLF, JOH. (1802): Stuffo, kein thüringischer

Abgott, Erfurt, S. 76 »Stuffenberg ist aus Stuffe und Berg zusammengesetzt und bedeutet einen Berg, der stufenweise bestiegen wird, also einem jähen und steilen Berge entgegengesetzt ist.«

SCHWEIKERT, H. (1912): Stäppchen mit dem feurigen Schwänze und der heidnische Abgott Stuffo. Unser Eichsfeld Jg. 7, Nr. 1 + 2, S. 42 - 53 und S. 105 -109 Stuffo = Stäppchen, eichsfeldische Bezeichnung für den

Teufel OBERMÜLLER, WILHELM (1872): Deutsch-keltisches Wörterbuch Bd. II, Wiesbaden, S. 733
Staufen = von tob steiler Bergrand

NIERMEYER, J.F. (1976): Medieae latinitatis lexicon minus, Leiden, S. 995 Stufa = aus dem lat. extufarce dampfen, Dampfbad, geheizter Raum (erwähnt im Lex Alamannorum, aus der Zeit um 720 n. Chr.) Vulgärlatein, extupare räuchern, eine Präfixbildung zu tupare, seinerseits Entlehnung aus griech. typhe-stai rauchen, qualmen

EGLI, J.J. (1880): Etymologisch-geographisches Lexikon, Separat-Ausgabe des lexikalischen Theils der Nomina Geographica; Leipzig, S. 546 Stufa = »Badestube, Schwitzstube, ein ital. Name gewisser Grotten, in welcher heisser Dampf aus Spalten und Löchern strömt, so bei Sciacca (Sicilien) und auf Pantellaria.«

Nachwort
Alle von mir benutzten Quellen sind im Text angegeben. Die Quellen zur Etymologie sind bereits im Text vollständig vermerkt, eine gesonderte Angabe in der Quellenliste entfällt deshalb.
Nachsatz: Für die freundliche Hilfe bei der Quellenrecherche danke ich Gerhard Stein, sowie Beate Puffe und anderen. Mein Dank auch an Manfred Moser, der den Anstoß gab.

Heinz J. Hövel, Frankfurt am Main
(Quelle: Eichsfelder Heimatstimmen, Heft 1 - Januar 1992)