Die Kanonenbahn - Teil 20: Der Bahnhof Schwebda bis 1945

Als im Jahre 1872 der Baron von Keudell aus Schweb-da für 24.000 Reichsmark Ländereien in der Schwebdaer Flur an das Deutsche Kaiserreich zum Zwecke des Eisenbahnbaus veräusserte, wusste man in der Umgebung: Die Bahn kommt! Mit dem Bahnhofsbau in Schwebda wurde im Laufe des Jahres 1875 begonnen. Eröffnet wurde der Bahnhof 3. Klasse gemeinsam mit dem Streckenabschnitt Leinefelde – Eschwege am 15. Mai 1880 mit dem feierlichen Eröffnungszug.

Der Friedatunnel, auch Dachsbergtunnel genannt, wurde im Jahre 1876 begonnen und im Laufe des Jahres 1878 vollendet. Er hat eine Länge von 1066 Metern und liegt zwischen den Bahnhöfen Geismar und Schwebda. Der Tunnel wurde mit einer Holzzimmerung im so genannten Wandrutenbau ausgebaut, wobei als Baumaterial für die Widerlager Sandstein, Bruchsteine mit Werksteinverblendung und für das Tunnelgewölbe und die Portale Sandstein-Werksteine verwendet wurden.

Die Gesamtkosten des Tunnels betrugen 1.392.782 RM, wovon allein für die beiden Tunnelportale 19.103 RM, das heißt für den laufenden Tunnelmeter der stattliche Betrag von 1.290 RM, aufgewendet wurden. Was muss dann erst die ganze Strecke gekostet haben! Beim Frieda-Viadukt nahm allein der Bau des Pfeiler-Mauerwerks die Zeit vom Mai 1877 bis zum Oktober 1878 in Anspruch. Das gesamte Brückenbauwerk dürfte somit etwa im Frühjahr 1879 vollendet worden sein. Der Brückenschlag überspannte die Frieda, die 10 m breite Straße von Eschwege nach Heiligenstadt und einen Feldweg von 6 m Breite.

Das Viadukt wurde, ähnlich wie das Lengenfelder Viadukt in der so genannten Fischbauchträger-Konstruktion errichtet und besaß eine Mittelöffnung von 36 m lichter Weite und 2 Seitenöffnungen von je 23 m. Die Gesamtlänge des Viadukts betrug 98,70 m und die maximale Höhe 25,70 m. Die Gesamtkosten für das Bauwerk betrugen 235.000 RM, wovon allein der stählerne Überbau einen Betrag von 77.899 RM verschlang. Die Ansichtsflächen maßen 2500 m2, das entsprach einem Quadratmeterpreis von 94 RM. Da die Zufahrtsstraße zwischen Schwebda und seinem Bahnhof nur unzureichend befestigt war, der Verkehr aber zunahm, wurde die Bahnhofstraße bereits im Jahre 1881 ausgebaut.

Ab dem 4. Juli 1888 besaß der Bahnhof Schwebda endlich auch seine Bahnhofswirtschaft, deren erster Pächter Friedrich Schilbe war, welcher die Wirtschaft scheinbar nur wenige Jahre betrieb. Denn bereits 1895 wurde im Königlichen Landratsamt Klage darüber geführt, dass die Bahnhofswirtschaft in Schwebda nicht besetzt sei. In diesem Zusammenhang ist eine Anekdote erhalten geblieben: Da im Jahre 1895 während der Rübenernte täglich ca. 40 Pferdegespanne aus der Umgebung, aus Richtung Wanfried und Treffurt, im Bahnhof Schwebda ihre Fuhre Rüben anlieferten, konnte man sich nach getaner Arbeit in der Bahnhofsgaststätte Schwebda nicht mit einem Bier erquicken, da diese geschlossen war.

Laut Randnotiz auf der Beschwerde im Landratsamt war das aber nicht ganz so schlimm, denn die Güterschuppen-Arbeiter schafften Abhilfe, indem sie heimlich Flaschenbier (die Flasche für 10 Rpf.) im Güterschuppen an die Fuhrleute verkauften. Im Jahre 1896 bekam der Bahnhof Zuwachs durch ein Extra-Gleis zur neu errichteten Dampfziegelei der Gebrüder von Keudell, das vom Bahnhof aus in Richtung Geismar nach links zur Ziegelei hin abbog und eigentlich aus zwei Gleisen bestand.

Die Ziegelei war bis etwa 1917 in Betrieb und wurde bereits im Jahre 1919 wieder abgerissen. Zunächst war der Bahnhof Schwebda nur ein Durchgangsbahnhof wie viele andere an der Strecke gelegene Bahnhöfe. Dieses sollte sich am 02.04.1900 ändern, denn an diesem Tag begannen mit dem obligatorischen ersten Spatenstich beim Bahnhof Schwebda die Bauarbeiten zum Neubau der Bahnlinie von Schwebda über Wanfried nach Treffurt (Länge 16 km). Im Jahre 1907 wurde die von der Bevölkerung liebevoll „Das Botenlieschen" genannte Bahnlinie in Richtung Eisenach bis Hörschel verlängert.

Die Einweihung dieser Strecke fand am 01.05.1902 mit einem feierlichen Eröffnungszug statt, der um 09.45 Uhr in Eschwege losfuhr, zunächst bis Schwebda die Trasse der Kanonenbahn benutzte, um schließlich die Neubaustrecke bis Treffurt zu befahren. Am Zielort angekommen, folgte für die Teilnehmer der Festfahrt ein musikalischer Frühschoppen auf dem Normannstein. Von dort aus strebten die Festteilnehmer, durch einen Dauerregen durchnässt, dem Bahn hof Treffurt zu, um die Rückfahrt nach Wanfried anzutreten und dort am anschließenden Festessen teilzunehmen.

Hermann Josef Friske