Die Kanonenbahn - Teil 10: Mühlbergtunnel II und Heiligenberg-Tunnel

Bei einem Abgehen der Strecke im Rottenbachtal fand ich bei km 24,7, nur wenige Meter hinter dem Westportal des Mühlenberg II-Tunnels, auf der rechten Seite die Grundmauern eines Gebäudes (ca. 10 x 4 m), welches die Reste des ersten Haltepunkts Großbartloff, eröffnet am 1.12.1894, sein könnten.

Das machte Sinn, denn hier gibt es eine Weg-Unterführung und einen direkten Weg nach Großbartloff. Außerdem ist es die einzige Stelle im Rottenbachtal, an der sich neben den Gleisen ausreichend Platz für ein Wartehaus bzw. ein Streckenhaus befindet. Die Großbartloffer sollen, solange ihr alter Haltepunkt bestand, stets Angst gehabt haben, ihre Station würde durch die nur geringe Entfernung zum Haltepunkt Effelder geschlossen. Im Bereich des Rottenbachtals soll es auch noch Reste von Unterständen der Tunnelwache aus dem 1. Weltkrieg geben. Die Strecke verliert jetzt immer mehr an Höhe.

Der nun folgende Heiligenberg-Tunnel liegt in seiner mittleren Höhenlage nur noch 329 m über NN. Wenige Meter vor dem Tunnel rauscht noch ein ziemlich hoher Wasserfall und bei der Wegüberquerung am km 25,24 liegt der im Jahre 1921 auf unbeschrankten Betrieb umgebaute Bahnübergang. Der Tunnel besteht aus einer einzigen Krümmung, hat eine Länge von nur 198 m und wurde in den Jahren 1878 bis 1879 erbaut.

Das Gefälle beträgt im Inneren des Tunnels nur noch 1:96 und die Deckschicht besitzt lediglich eine Stärke von 10 bis 12 m. Ein Einschnitt wäre hier wahrscheinlich billiger gewesen, aber infolge des lockeren und stetig nachrutschenden Gesteins entschied man sich hier für den Bau eines Tunnels. Dieser beginnt bei km 25,533 und endet bei km 25,731. Der Tunnel war verhältnismäßig teuer, er kostete 322.000 Mark, von denen rund 7,5 % der Baukosten allein auf die Portale fielen, nämlich 24.000 M, das bedeutet einen Preis von 1 626,26 M für den laufenden Meter Tunnel im Gegensatz zum Mühlenberg II, dort kostete der laufende Meter Tunnel lediglich 1 341,11 Mark.

Die unverhältnismäßigen Baukosten für die Portale wurden durch fortwährende Rutschungen am Tunnelmund verursacht. Die ersten Instandsetzungsarbeiten am Tunnel begannen auch hier schon wenige Jahre nach der Eröffnung der Strecke. Nur ca. 120 m hinter dem Heiligenberg-Tunnel erreichen wir bei km 25,85 den in einer Höhe von 328,70 m über NN liegenden Haltepunkt Großbartloff. Er besteht bereits, wenn auch ursprünglich an anderer Stelle im Rottenbachtal, wahrscheinlich bei km 24,7 direkt hinter dem Mühlenberg II gelegen, seit dem 1.12.1894 und wurde per 20. Mai 1902 an die jetzige Lage am talseitigen Ende des Heiligenberg-Tunnels verlegt.

Das Gebäude zeigt sich noch in einem guten Zustand, ist heute privatisiert und fungiert als Wochenendhaus. Sogar das Schild „Großbartloff“ erinnert noch an die ehemalige Funktion des Gebäudes, auch wenn es nicht mehr das Original ist. Das Toilettenhaus dient heute, wenn auch in der Höhe etwas gestutzt, als Garage. Der Haltepunkt befindet sich ca. einen Kilometer oberhalb des Ortes Großbartloff. Unmittelbar hinter dem Haltepunkt in Richtung Lengenfeld / Stein existiert noch ein unbeschrankter Bahnübergang.

An dieser Stelle möchte ich über die Entgleisung einer Diesellok berichten, die sich 1 Jahr vor der Wende, am 2. November 1988, ereignete. Der Frühzug Nr. 18561 in Richtung Geismar entgleiste durch einen infolge längeren Eisregens umgestürzten und quer zu den Gleisen liegenden Baumstamm oberhalb des Campingplatzes Luttergrund. Da nur die Lok entgleiste und die Waggons in den Gleisen blieben, wurde der einzige Fahrgast des Zuges (und das zu DDR-Zeiten!) auch nicht verletzt. Dieser machte sich anschließend die paar Kilometer bis zu seinem Reiseziel Großbartloff zu Fuß auf die Socken, das waren immerhin ca. 3 km, und das im November! Die Lok wurde nach dem Unfall mit Seilwinden wieder auf die Gleise gesetzt.

Im Ort selbst hat man im Januar 2006 in der ehemaligen Schule ein kleines Kanonenbahn-Museum eröffnet, in dem ein kurzes Stück der Strecke als Modellbahn in der Größe H 1 nachgebaut wurde. Außerdem konnte man eine visuelle Bahnfahrt von Eschwege nach Leinefelde erleben sowie eine reichhaltige Auswahl an historischen Fotos bewundern. Inzwischen ist das Museum nach Lengenfeld unterm Stein (in die Hagemühle) verlegt.

Hermann Josef Friske