Die Kanonenbahn - Teil 6: Die Bahnhöfe Kefferhausen und Küllstedt

In der Nähe vom Haltepunkt Kefferhausen muss es einmal eine Bahnschranke mit Wärterhäuschen (bei Km 12?) gegeben haben, denn es ist belegt, dass am 04.10.1910 zwei Ziegen des Schrankenwärters von einem Zug überfahren worden sind. Die Bahnbediensteten waren in dieser Zeit auf Viehhaltung angewiesen, denn der Verdienst war äußerst gering.

Mein Großvater Paul Friske verdiente z.B. als Postbeamter im Jahre 1918 gerade mal 5 Mark in der Woche. Ab 1. Juli 1914 wurde auch der Stückgut-Verkehr in Kefferhausen abgefertigt. Ein „ruchloser Anschlag“ war Anfang Oktober 1910 der Grund, dass der Frühzug kurz vor Kefferhausen einen außerplanmäßigen Halt einlegen musste. Auf den Schienen lagen große Steine, offenbar um den Zug zum Entgleisen zu bringen, aber durch die Wachsamkeit des Zugführers konnte dieses verhindert werden (der Anschlag konnte vereitelt werden). War es nun wirklich ein Anschlag auf die Bahn oder vielmehr ein folgenschwerer Dummer-Jungen-Streich, der von einigen Halbwüchsigen ohne Bedacht auf die Folgen verübt wurde? Nur wenige Meter hinter dem Haltepunkt Kefferhausen befindet sich der Unstrut-Viadukt bei Km 12,8 und ist mit einer Höhe von 25,7m und einer Länge von 52,86m das größte Brückenbauwerk aus Stein im Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa.

Die 3 Öffnungen besitzen eine Spannweite von je 13 m. Die Brückengewölbe wurden aus Sandstein, der Rest aus Kalkstein ausgeführt. Die Ansichtsflächen besitzen eine Größe von 754 m², das bedeutet bei Baukosten in Höhe von 192.000 Mark einen Quadratmeterpreis der Ansichtsfläche von 255 M. Das Mauerwerk besaß einen Kubikmeterpreis von 42,80 M und war somit das teuerste im Streckenabschnitt. Der hohe Preis kam durch die Errichtung der umfangreichen Stützmauern und die recht hohen örtlichen Materialpreise zustande.

Vom Haltepunkt Kefferhausen führte die Strecke für 5,22 km fast geradlinig mit nur geringer Steigung bis zum Bahnhof Küllstedt, der sich bei Km 17,90 in 401,48m über NN befindet. Auf diesem Abschnitt konnten die Loks einmal richtig aufdrehen. Der Bahnhof Küllstedt wurde am 15. Mai 1880, dem Tag der Strecken-Eröffnung, gemeinsam mit dem Streckenabschnitt Eschwege-Leinefelde seiner Bestimmung übergeben.

Bereits 1 Jahr nach ihrer Eröffnung hatte die Kanonenbahn im Jahre 1881 einige prominente Fahrgäste zu verzeichnen. Am 12. Mai überquerte Kaiser Wilhelm I bei seiner Heimreise von Wiesbaden nach Potsdam auch den Kanonenbahn-Abschnitt über das Eichsfeld. Während eines kurzen Aufenthalts im Bahnhof Leinefelde (wahrscheinlich ein Lok-Wechsel) wurde der Kaiser von vielen anwesenden Reisenden und auch von Einwohnern aus Leinefelde umjubelt, denn eine solche Sensation sprach sich wie ein Lauffeuer in Windeseile herum.

Am 3. Oktober 1881 benutzten Kronprinz Wilhelm, der spätere Kaiser Wilhelm II und seine Gemahlin, Prinzessin Auguste Viktoria, von Trier kommend, die Kanonenbahn zwischen Eschwege und Leinefelde. Nachdem im Jahre 1881 so viel Prominenz über den Kanonenbahn-Abschnitt des Eichsfeldes gefahren ist, dürfte es nicht verwundern, dass 25 Jahre später, im Herbst 1906, auch noch das Kaiser-Manöver im Raum Küllstedt-Büttstedt stattgefunden hat.

Im Rahmen des Manövers wurde eine Artillerie-Einheit am Bahnhof Küllstedt entladen. Im Jahre 1906 wurde mit dem Bau des 2. Gleises zumindest zwischen Küllstedt und Schwebda begonnen. Im Rahmen dieser Bauarbeiten erhielt der Bahnhof Küllstedt auch eine 16-m-Drehscheibe, die sich im Nordosten, kurz hinter der Einfahrt von Dingelstädt her, auf Gleis 4 befand. Leider wurde die Drehscheibe nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg in den Jahren 1919/1920 beim Rückbau der Strecke auf eingleisigen Betrieb wieder ausgebaut.

Im Jahre 1915 wies der Bahnhof beachtliche 8 Gleise auf, da durch die vielen Tunnels in unmittelbarer Nähe des Öfteren Bauzüge hier Station machten und über Nacht hier abgestellt wurden. Nur das elektrische Licht ließ auf sich warten. Es wurde erst im Jahre 1937 auf dem gesamten Bahnhofsbereich eingebaut. In der heißen Phase des 2. Weltkriegs, in den Jahren 1944 und 1945, wurde der Bahnhof Küllstedt mehrmals von amerikanischen Jagdbombern angegriffen. Diese richteten zum Glück keinen nennenswerten Schaden an. Standen vor dem Angriff Züge im Bahnhof, wurden sie rechtzeitig in den Küllstedter Tunnel gefahren.

Auch die wirtschaftliche Bedeutung des Bahnhofs Küllstedt war beachtlich. Er war der bedeutendste der vier Eichsfeld-Bahnhöfe. Bereits Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts, fast gleichzeitig mit der Eröffnung des Bahnhofs, erbaute Carl Müller (geb. am 7. Oktober 1858) die Gebäude und Lagerhallen für seinen Kolonialwaren-Großhandel, der durch seinen steigenden Umsatz auch an der Wirtschaftlichkeit des Bahnhofs stark beteiligt war. Leider verstarb Carl Müller viel zu früh im blühenden Alter von nur 48 Jahren am 23. November 1906.

Außer dem Großhandels-Unternehmen bildete die Holzabfuhr das größte Kontingent auf dem Bahnhof Küllstedt. Ansonsten war der Bahnhof der Entladebahnhof des umliegenden Kohlenhandels. Für die Dauer von 20 Jahren, von 1937 bis 1957, spielten die Flachsanlieferung an das ehemalige Zisterzienserinnen-Kloster Anrode und die Abfuhr der fertigen Wergballen ebenfalls eine wichtige Rolle auf dem Bahnhof Küllstedt. Der Abtransport von anderen Industrie-Gütern war eher gering, nur die Anfuhr von Halbfertigwaren spielte eine gewisse Rolle.

Hermann Josef Friske