Die Kanonenbahn - Teil 1: Der Streckenabschnitt Leinefelde - Waldkappel

Die Berlin-Coblenzer Eisenbahn führte von Berlin bis nach Metz und wurde aus strategischen Überlegungen nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870–1871 erbaut. Der Baubeginn der Verbindungsstrecken war etwa 1877. Die Strecke wurde gebaut, um binnen kurzer Zeit Truppen und Kriegsmaterial von Berlin an die Grenze zum Erzfeind Frankreich transportieren zu können.

Man benutzte vorhandene Strecken (ca. 350 km) und baute in den Jahren von 1877 bis 1882 Verbindungsstrecken (insgesamt ca. 450 km), um die vorhandenen Lücken zu schließen. Diese waren: der Streckenabschnitt Berlin-Blankenheim (eröffnet April/Mai 1879), der Streckenabschnitt Leinefelde-Treysa (eröffnet am 15.5./31.10.1879 bzw.15.5.1880). Hier bestanden vorher lediglich das kurze Teilstück Niederhone-Eschwege (e. 31.10.1875), der Streckenabschnitt Lollar-Wetzlar (eröffnet 15.10.1878), der Streckenabschnitt

Niederlahnstein-Coblenz (eröffnet 15.5.1879), der Streckenabschnitt Coblenz-Ehrang (eröffnet 15.5.1879), der Streckenabschnitt Ehrang-Reichsgrenze (eröffnet 15.5.1878) Wir wollen hier den Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Treysa näher unter die Lupe nehmen. Dieses Teilstück der Kanonenbahn war insgesamt 130 km lang. Der Kilometer 0 lag im Bahnhof Leinefelde, der Endpunkt im Bahnhof Treysa (Km 130). Mit dem Streckenbau wurde 1875 begonnen, die Fertigstellung zwischen Niederhone und Malsfeld war am 15.5.1879, zwischen Malsfeld und Treysa am 1.8.1879 und zwischen Leinefelde und Eschwege am 15.5.1880.

Die Höhe der Baukosten ist nicht bekannt, jedoch wurde für den Bau der Strecke zwischen Berlin und Wetzlar eine Anleihe in Höhe von 50 750 000 Thalern aufgenommen. Bekannt sind lediglich die Kosten von einigen Bauwerken auf dem Streckenabschnitt zwischen Leinefelde und Waldkappel. Hiermit werden wir uns aber erst später befassen. Auch in der damaligen Zeit gab es schon Gastarbeiter in Deutschland. Die Arbeiter zum Bau des Teilabschnitts Leinefelde-Treysa kamen aus Italien, Galizien und Kroatien. Die Arbeiten mussten mangels moderner Technik mit Hacke, Schaufel, Tragekasten und Schubkarren bewältigt werden.

Lediglich einige kleine Dampf-Baulokomotiven und Kipploren waren vorhanden. Der Bahnbau brachte für die einheimische Bevölkerung einen kurzen Boom. Die Bauern verdingten sich als Fuhrleute, die Wirte bauten Kantinen-Baracken entlang der Strecke und die einheimischen Sandgruben und Steinbrüche benötigten ebenfalls eine Vielzahl zusätzlicher Arbeiter, denn die zahlreichen Brücken- und Tunnelbauten benötigten große Mengen an Baumaterial. Der Kalkstein kam aus den Steinbrüchen von Eigenrieden und Struth sowie vom Dünberg bei Lengenfeld und der Sandstein kam aus den Brüchen von Arenshausen und Marth. Die Kanonenbahn wurde ursprünglich als Hauptstrecke gebaut.

Streckenweise wurde die Bahnlinie in den Jahren 1906–1907 aus strategischen Überlegungen sogar zweigleisig ausgebaut. Dieses waren die Teilstücke Leinefelde-Dingelstädt, Küllstedt-Schwebda (in Küllstedt wurde sogar eine Drehscheibe installiert), Eschwege-Niederhone sowie mehrere Teilstücke ab Malsfeld. Der Rest der Strecke war stets eingleisig.

Hermann Josef Friske