Vom Altvatersloch zum Schulmeistersloch

Ein Beispiel dafür, wie der Eichsfelder Volksmund so manche historische Begebenheit und auch Sagen umgeformt hat, findet sich in der Gemarkung der ehemals Kloster-Zella'schen Waldungen.

Über die Gründung des ehemaligen Benediktinernonnenklosters Zella auch Friedespring genannt (im Klostergarten entspringt die Frieda), berichtet Carl Duval:

„Nach einer Angabe der Nonnen selbst soll Zella von einem Ritter von Tastan gegründet worden sein. Derselbe war ein sehr gefürchteter Raubritter seiner Zeit. Nichts war ihm heilig, und selbst nach den Gütern der Kirche wagte er die Hände auszustrecken. Dafür ergriff ihn aber in späteren Jahren die bitterste Reue. Und weil er sich trotz der vielen angehäuften Schätze nicht glücklich fühlte – sondern ständig vor dem Zorne des Allerhöchsten zitterte –, so beschloss er endlich, alles, was er auf so schändliche Weise erworben hatte, zu frommen Zwecken zu verwenden. Er ließ das Kloster Zella erbauen, stattete es reichlich aus und besetzte es mit Klosterfrauen aus dem Orden der Benediktinerinnen. Er selbst begab sich in das ‚Altvatersloch', eine über dem Kloster befindliche Felsenhöhle, und verbrachte den Rest seines Lebens unter den strengsten Bußübungen.“

Soweit die Legende. In Wirklichkeit wissen wir über die Gründung des Klosters nur sehr wenig. Dr. Bernhard Opfermann schreibt in seiner Klostergeschichte von 1961: „Über die Gründung und Frühgeschichte des Klosters wissen wir sehr wenig, da die mittelalterlichen Urkunden 1649 einem großen Brand des Klosterhofes zu Mühlhausen zum Opfer fielen. Trotzdem ist uns in Abschrift eine Urkunde erhalten geblieben, in der schon 1215 Papst Innozenz II. dem Kloster ein Schutzprivileg erteilt; seine Besitzungen und Vorrechte bestätigt.“

Indes, an jeder Legende ist ein Fünkchen Wahrheit, so auch an dieser. Der Waldweg nach Kloster Zella führt durch zerklüftete Berge, die Ausläufer der obereichsfeldischen Muschelkalklandschaft sind. Eine solche Zerklüftung gegenüber der "Teufelsnase - oder Dewelsnoas'n" (ein wuchtiger Felsvorsprung des "Sommeribers"), hat man von jeher als „Schulmeistersloch“ bezeichnet. Hier soll in alter Zeit einmal ein Schulmeister, der sich im Walde verirrt hatte, tot aufgefunden worden sein. Er soll an dieser Stelle abgestürzt sein. Aus »Altvatersloch« wurde so ein „Schulmeistersloch“. Solche sprachlichen Umformungen gibt es im Eichsfeld noch viele.

Vinzenz Hoppe (1965)
(Quelle: Eichsfelder Heimatstimmen, Heft 6 [Juni] 1990)