Südeichsfelder Redewendungen und Brauchtum um die Weihnachtsbäckerei

Auch die Bäckereien auf dem Land sind bereits weitestgehend modernisiert und elektrifiziert. Nahte früher die Vorweihnachtszeit und man dachte an die Christstollen oder obereichsfeldisch „Christschieter“ (Christscheite), so hieß es für die Mutter zunächst: „Im Backs das Backen bestellen und einen Trog holen“. Oftmals mussten auch die Kinder gleich die Backhefe und die leckeren Zutaten mitbringen, und man kam sich vor wie Roseggers Waldbauernbub, der „Christtagsfreude holen ging“.

Bei der Zubereitung des Kuchenteiges musste streng darauf geachtet werden, dass der Teig auch richtig „lose war“, d. h. das er in die Höhe ging. Hierbei musste auf die Minute genau die vom Bäcker angegebene Zeit eingehalten werden, wann der Trog mit dem Teig zum Gemeindebackhaus, „ins Backs“, gebracht werden musste. Vorher hatte bereits der Bäckergehilfe bisweilen an das Fenster getippt und gerufen: „Es ist Zeit zum Kneten“.

Den Kuchenteig brachte der Bäcker im Backhaus meistens selber aus, damit die Christstollen auch schön gleichförmig wurden. War ein Ofen voll Teigstollen beisammen – sie lagerten in bester Ordnung auf langen, mit Mehl bestreuten Brettern –, so wurden sie sorgfältig vom Bäcker mit dem Schieber „eingeschossen“, es wurde also ein „Schoss“ oder „Schuss“ dem Ofen übergeben. Der Bäcker und auch die Hausfrau setzten ihre ganze Ehre ein, dass die „Christschieter“ bestens gelangen, denn an ihrer Qualität konnte man später auch die Festtagsfreude messen.

Unliebsame Szenen gab es, wenn die runden Kuchenbleche versehentlich vertauscht wurden. Nachdem die Stollen bestens mit Zucker gepudert und erkaltet waren, wurden sie wie rohe Eier behutsam nach Hause geholt. Allgemein ging das Urteil von Mund zu Mund: „Die sind aber gut geraten“. Die Frauen tauschten gegenseitig ihre Erfahrungen aus, wie es vorher beim Kneten oder Zusammenschlagen des Teiges geklappt hatte, auch das war ein Gradmesser für das gute Gelingen der Christstollen. Beim Abholen der Christstollen erhielt der Bäcker zumeist neben dem geregelten Backlohn noch eine kleine Anerkennung in Form eines Trinkgeldes oder Rauchwaren. Der Bäcker sprach meistens den Segenswunsch „Verzehrt’s gesund“.

Wenn auch die Backstube für die Kinder tabu war, so durften sie dieselbe als Mithelfer hin und wieder betreten. Angelockt wurden wir früher immer durch das rhythmische Pfeifen der „Heimchen“, die infolge der gleichbleibenden Wärme in den Mauerritzen des Backofens daheim waren.

Etwas anders war es früher beim Brotbacken. Zeitweise hatte der Dorfbäcker einen „Back-“ oder „Trog-Karren“. Dessen Oberfläche bestand zu beiden Seiten aus muldenförmigen Vertiefungen für die Backtröge. Von Haus zu Haus wurden diese dann bei den Backkunden des Tages abgeholt.

Aus Brotteig ging dann meistens ein „Zippelkuchen“ (Zwiebelkuchen) mit Speck mit „ins Backs“. Auf der hölzernen Kuchenschüssel (rundes Kuchenbrett) wurde er abgeholt und so warm wie er war, zum Frühstück am Backtag verspeist. Gab es bei der Ernte ausgewachsenes Mehl mit viel Zuckergehalt, so wurde in der viereckigen Bratpfanne der sogenannte „Süßkuchen“ auf dem Backofen gebacken.

Erinnerungen werden da wach an die Dorfalten. Wenn einer prahlte, wo er schon überall gewesen sei, so musste er sich von den Alten sagen lassen: „Du bist doch noch nicht weiter gekommen, als der ‚Backskarren’ fährt“. Dieser kam nie über die Dorfgrenze hinaus.

In den Notzeiten des I. Weltkrieges und der ersten Nachkriegsjahre backte die Hausmutter aus einfachem, schwarzen Brotmehl zur Advents- und Weihnachtszeit die „Hasen, Männer und Nikoläuse“, die mit der Form aus dem Brotteig gestochen waren, auf der Herdplatte. Auch darüber waren wir sehr froh. Schnitt die Mutter einen Brotlaib an, so machte sie stets mit dem Brotmesser ein Kreuzzeichen darauf.

In einer Backstube las ich den Spruch: „Die Bäcker, das sind edle Knaben, was sie sich vom Finger schaben, muss sich alle Welt dran laben“. Bei allem Überfluss und Komfort bei der heutigen Weihnachtsbäckerei sollten wir aber daran denken, dass es heute in aller Welt noch viele Menschen gibt, die hungern und Kinder, die verhungern. Erst dann können wir mit gutem Gewissen auf Weihnachten warten, wenn wir bereit sind, zu teilen.

Vinzenz Hoppe (1980)
(Quelle: Heimat Eichfeld – Streifzüge durch die Geschichte und Volkskunde, Duderstadt: Mecke, 2000).