Das Federschleißen - Bäuerliches Winterbrauchtum der Vergangenheit

Was in unseren bäuerlichen Kleinbetrieben im Sommer nicht geschafft wurde, blieb liegen für die langen Winter-Nachmittage und Abende. Gewöhnlich in der Zeit zwischen Weihnachten und Fastnacht zog man dann in der Nachbarschaft und Bekanntschaft herum, um an sogenannten „Herdabenden“ gemeinsam diese Kleinarbeiten zu verrichten. Neben den beliebten Spinnstuben (auch „Spellstobben“ genannt) ging man besonders in den Dörfern um den Hainich und dem alten Thüringer Landgraben auch zum „Federschleißen“. In Eigenrieden wurde dieser Brauch bis vor einigen Jahren noch lebendig gehalten.

Jede Hausmutter setzte ihre ganze Ehre ein, jedem ihrer Kinder als zur Mitgift gehörend eine gute Bettfedernfüllung mitzugeben. Es wurden ja damals noch beträchtliche Scharen von Gänsen und anderem Wassergeflügel gehalten. Meistens wurden die Gänse mit beginnendem Winter gemästet. Das geschah durch das „Stopfen“ oder auch „Fricken“ (Ausdruck aus dem Eichsfeld). Aus Schrot und einem Schwarzmehlzusatz wurden Teignudeln geformt und in der Ofenröhre gebacken. Diese „Nudeln“, wie man sie auch noch nannte, wurden der Gans in den Schlund geschoben, was meistens nicht weit von Tierquälerei entfernt war, wenn die Gans einen zu engen Schlund hatte.

Beim Schlachten der Gänse wurde sorgfältig darauf geachtet, dass sie auch frei von Federn waren. Man wollte ja einwandfreie Ware gewinnen, denn Bettfedern waren immer hoch im Preis, und die Bauersfrau musste früher mit jeder Mark rechnen. So kosteten zum Beispiel gute böhmische Federn der Firma Blahut aus Deschenitz pro Pfund Herrschaftsschleiß 6 Mark, Halbflaum 8 Mark, Flaum (Daunen) 10 Mark, Brustflaum 13 Mark und hochwertiger Kaiserflaum 15 Mark.

Die säuberlich in Sieben aufbewahrten Federn, die sich um Martini herum vom Gänseschwarm angesammelt hatten, wurden dann gemeinsam in lustiger Gesellschaft geschlissen, also ihrer Federkiele entledigt. Dabei ging es gar emsig zu, und der Volksmund sagte scherzhaft: „Ehe man ein Bröcklein gebissen, hatte man ein Häuflein Federn geschlissen“. Freilich fehlte dabei auch die Gastfreundschaft nicht, und wo man an der Reihe war, wurde Kaffee serviert mit leckeren Fettkräppeln und Eisenkuchen.

War die Arbeit getan, kam die Gemütlichkeit zu ihrem Recht und Volkslieder und Rundgesänge wechselten einander ab. Das junge Volk vergnügte sich beim beliebten »Pfänderspiel«, wobei mancherlei Neckereien ausgelost wurden. Auch machten mancherlei Sprachreime viel Freude, die große Geschicklichkeit erforderten. Bekannt ist noch: „Hier ist ein Scheit, ein Schleißenscheit, ein wohlgeschliffener Schleißenscheit! Den schickt die Frau Weiß aus Meiß und lässt dabei sagen ganz fein, dass ihr Mann, der Herr Weiß, der geschickteste aller Scheit-Schleißer sei. Ihr Mann, der Herr Weiß, sitzt hinter der Haube und schleißt, und ehe noch eine Weile verstrichen, hat er drei große Haufen Federn geschnitten, gespalten und geschlissen“.

Vinzenz Hoppe (1978)