Die Glocken der Pfarrkirche zu Lengenfeld unterm Stein

In den Kirchenrechnungen von 1580 bis 1856 werden des öfteren Ausgaben an einer „großen“, „kleinen“ und „mittel“ Glocken erwähnt.

1594 wurde an der Lengenfelder Kirche eine Generalausbesserung vorgenommen. So finden wir in der Kirchenrechnung von 1594 außer der Einzelaufführung „Summa alles geldes so verbauwet thut 74 Gulden 6 Schnbg. 1 Pf“. Hierbei tauchte wohl der Wunsch bei unseren Vorfahren auf, drei neue Glocken für das renovierte Gotteshaus herstellen zu lassen.

So wurde 1597 der Glockengießer Melchior Mörinck zu Erfurt „gedungen“, die mittlere Glocke zu gießen. Hierzu wurde die entsprechende alte Glocke nach Erfurt gegeben. Diese von Mörinck auch gegossene Glocke hat einen Durchmesser von 1,05 m und trägt folgende Inschrift:

„ANNO MDXCVII DA GOS MICH MELHIOR MOEHRINCK ZU ERFURT IM NAMEN GOTTES V.D.I.AE“ (MDXCVII steht für 1597; V.D.I.AE steht für „verbum domini manet in aeterum“, auf deutsch: „Das Wort des Herrn gilt in Ewigkeit“ – die Redaktion)
„EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE FRIEDE AUF ERDEN DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN“

Über das Gewicht gibt uns auch die Kirchenrechnung von 1597 Auskunft. Die Eintragung des damaligen Kaplans Laurentius Hahn, der dem Pfarrer Josef Drisseler (als Kaplan) beigegeben war, heißt es: „Die neue mittell Glocken so Anno 1597 gekauft weyget an gewicht 13 Zentner 42 Pfd. Jeden Zentner zu 18 Gulden 21 Schnbg. Davon das 6 Zentner 5 Pfd. so die alte Glocken geweygen“.

Nachfolgend gebe ich einen Auszug aus der Kirchenrechnung von 1597, um dadurch den Glockenguß zu bestätigen und die derzeitigen Preisverhältnisse zu schildern:

„Dieß nachfolgende ist der neuen erkauften Glocken halber ausgegeben:
10 Schnbg. der Schultheis, die Gerichtsschöffen, die Altaristen und sonsten etzliche Mann des Ausschuß der Gemeinde verdrunken, als sie Melcher Mörinck, Glockengießer von Erfurdt, die neue Glocken gießen verdingt.
10 Schnbg. Balten Helmbolden gegeben, der zu Erfurdt beim Glockengießen die Glocke zum Fertigen angesucht.
3 Gulden an Claus Besseler von der Alten Glocken zu wiegen gegeben
2 Schnbg. Zoll von bewußter Alten Glocken geben müssen.
1 Schnbg. Claus Besseler zum Trinken geschenkt, als er wieder zu Hause kommen.
18 Schnbg. Von der Neuen Glocken zu Erfurdt zu wiegen geben müssen.
10 Schnbg. 8 Pfg. den Knechten von der Glocken auf- und abzuladen geben müssen.
1 Gulden 5 Schnbg. Zehrung, Zoll, als man die Neue Glocke zu Erfurdt abgeholt.
12 Schnbg. verzehrt, als die Glocken von Erfurdt nach Lengenfeld gefuhrt, als sie sind zu Haus gekommen.
1 Gulden 4 Schnbg. vor Isen (Eisen – d. Red.) gegeben, das zur Inbindung der Neuen Glocken kommen
8 Gulden vor den Klöppel der Neuen Glocken von Isen und Stol (Stahl – d. Red.), damit die Glocken ingebunden und Hans Sandern vor die Arbeit bezahlt.
10 Schnbg. 6 Pfg. sind verdrunken worden zu Diedorffen vor solche Arbeit.
1 Schnbg. dem Schmied diesmal zu Trunkgeld geschenkt.
16 Schnbg. 3 Pfg. sind verzehrt worden, als man die Wellen gemacht, die Wellen beschlagen und die Glocken aufgehängt.
1 Schnbg. vor den Hagenmuller gezahlt, als die Neue Glocke angemacht.
79 Gulden 4 Schnbg. 6 Pfg. den 10. Dez. Anno 1597 dem Glockengießer zu Erfurdt zur Angabe der Glocken bezahlt.
1 Gulden 4 Schnbg. seinem Knecht zu Trinkgeld gegeben.
13 Schnbg. 6 Pfg. von des Glockengießers Kloben und Seil, damit man die Glocken aufgezogen.
1 Gulden ist verzehrt worden in Beisein des Pfarrherrn, des Gerichtsschreibers, der Geerichtsschöffen, des Kirchendieners und Dorfvormunds, als man sich mit dem Glockengießer der Angabe berechnet und dieselbe geliefert.
Summarum aller Ausgabe geld
100 Gulden, 7 Schnbg., 5 Pfg.“

Im Jahre 1598 wurde die kleine Glocke von Melchior Möhrinck gegossen. Die alte kleine Glocke, die bis dahin in unserer Kirche gehangen, wurde nach Erfurt gefahren.

Über den Verbleib dieser kleinen, 1598 gegossenen Glocke geben uns die Gemeinde-Rechnungen Aufschluß. Ab 1822 bis 1830 heißt es darin:

„Besitzt die Gemeinde eine Kirche worin sich befinden drei Glocken, eine davon gesprungen, nicht gangbar…“.1831 heißt es in der Ausgabe: „lt. Anweisung und Quittung für Fuhrlohn für die zersprungene Glocke von hier nach Freienhagen zu fahren, und die neue gegossene Glocke von Freienhagen wieder hierher zu fahren = 4 Thaler 25 Groschen“.

Die von Chr. Gabel Freienhagen im Jahre 1831 für 1439 DM nach heutigem Gelde gefertigte kleine Glocke wog 322 kg. Im Ersten Weltkrieg mußte sie 1917 abgeliefert werden. Anstelle der abgelieferten Glocke wurde von der Kirchengemeinde 1928 eine neue kleine Glocke für 1500 DM angeschafft, die von der Firma Petit & Gebr. Edelbrock in Rescher i.W. (tatsächlich heißt der Ort Gescher, er liegt bei Münster in Nordrhein-Westfalen – d. Red.) gegossen worden ist. Sie trägt das Bild des hl. Erzengels Michael und folgende Inschrift von unserem 1928 verstorbenen Heimatdichter Adam Richwien:

„LENGENFELD U. STEIN 1928 DEM RUHME DES HÖCHSTEN BIN ICH GEWEIHT, ZU DER HELDEN GEDENKEN ERTÖNT MEIN GELÄUT, DER KRIEG ZERBRACH MEINER SCHWESTER ERZ, STATT IHRER ICH DER FREUDE – DEM SCHMERZ“

Schon 1598 wurden lt. Kirchenrechnung dem Glockengießer Melchior Mörinck zu Erfurt 98 Gulden für die neue dritte und größte Glocke im Voraus bezahlt. Die nun 1599 gegossene Glocke hat einen Durchmesser von 1,25 m und wiegt 1040 kg. Sie trägt folgende Inschrift:

„EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE FRIEDE AUF ERDEN UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN LUCA AM ANDEREN KAPITEL ANNO MDXCVIIII GOS MICH MELCHIOR MOEHRINCK ZU ERFURDT IM NAMEN GOTTES HANS HUBACH, SCHULTIS JOST HOTZEL, VORMUNDT“

Die Gesamtausgaben für die von Melchior Mörinck zu Erfurt gegossenen drei Glocken beliefen sich auf:

  • a) Große Glocke: 254 Gulden, 6 Schnbg., 8 Pfg.
  • b) Mittlere Glocke: 190 Gulden, 17 Schnbg., 6 Pfg.
  • c) Kleine Glocke: 64 Gulden, 9 Schnbg.
  • Summa: 509 Gulden, 13 Schnbg., 2 Pfg.
  • d) Nebenausgaben (vergl. Vorderseite): wie Transport, Zoll, Aufbau der Glockenstühle, Trinkgeld usw., 54 Gulden, 8 Schnbg., 11 Pfg.
  • Gesamtsumme: 564 Gulden, 1 Schnbg., 1 Pfg.

Zu dieser Gesamtsumme kommt der Materialwert der ganz alten Glocken, die zum Umguß mit nach Erfurt geliefert werden mußten.

Im Zweiten Weltkrieg mußten die beiden ältesten Kirchenglocken (1597, 1599) 1942 mitsamt den Klöppeln abgeliefert werden. Da sie wegen ihres hohen Alters und infolge ihres historischen Wertes unter das Denkmalschutzgesetz fielen, wurden sie vorerst nicht eingegossen. Als der Krieg 1945 zu Ende ging, setzten von Seiten aller Gemeinden, die den Verlust ihrer Kirchenglocken zu beklagen hatten, das Forschen und Suchen nach deren Verbleib ein. Wir Lengenfelder hatten das Glück, unsere beiden Glocken 1945 auf einem Sammelplatz in Ilsenburg im Harz wiederzufinden. Auf das Bitten der Kirchengemeinde gab die sowjetische Besatzungsmacht 1947 die Glocken frei. Nachdem die Firma Franz Schilling Söhne, Apolda, den Transport von Ilsenburg nach Apolda besorgt hatte, wurde die 1597 gegossene Glocke im Herbst 1947 und zur größten Freude der Bevölkerung an ihren alten aufgehängt. War es doch zu dem Zeitpunkt, als diese unsere älteste Glocke ihr dreihundertfünfzigjähriges Jubiläum feiern konnte.

In den Becher dieser Freude fiel ein kleiner Wermutstropfen. Die größte, 1599 gegossene Glocke war gesprungen. So wurde der Firma Franz Schilling Söhne der Auftrag gegeben, diese Glocke umzugießen. Nach dem erfolgreichen Umguß, bei dem die alte Inschrift von 1599 behalten wurde, lieferte diese Firma am 13.12.1948 die große Glocke zurück:

Hinzu kam noch folgende Inschrift: „FRANZ SCHILLING SÖHNE IN APOLDA GOSSEN MICH IM JAHRE 1948“

So läuten nun seit 1948, wie vor über 350 Jahren drei Glocken in unserer Kirche und rufen die Lebenden zum Gottesdienst und beklagen auch die Toten auf ihrem Weg zur letzten Ruhestätte.
Quellenverzeichnis: Kirchenrechnungen von 1580-1604. Gemeinderechnungen von 1820-1831.
1 Gulden = 20 Schnbg. (Schneeberger), 1 Schnbg. = 12 Pfg. (Pfennig)


Walther Fuchs
(Quelle: „Lengenfelder Echo“, März-Ausgabe 1957, S. 2 – 3)