Politische Geschichte Lengenfelds und Bischofsteins

Ab 1600 wird in den nun folgenden Fortsetzungen die Geschichte Lengenfelds und Bischofsteins unter diesem Titel weitergeführt.
Zwischen 1400 und 1802 hatte das Amt Bischofstein seine eigenen vorgeschriebenen Maße und Gewichte:

Berliner Gemäß = 16 Metzen = 1 Scheffel, um 24 Scheffel = eine Mispel.

Heiligenstädter Gemäß = vier Köppchen = eine Metze, vier Metzen = ein Scheffel und sechs Scheffel = ein Malter, ein Malter ist ungefähr drei Zentner.

Ein Malter Heiligenstädter Gemäß = drei Scheffel, sechs 2/5 Metzen Berliner Gemäß.

Bischofsteiner Gemäß = sechszehn Metzen = ein Malter/Heiligenstädter Gemäß.

Die Sprengelmetze, solche sechs Metzen geben auf einen Scheffel und sechsunddreißig Metzen gehen auf ein Malter Heiligenstädter Gemäß.
1600. Im Auftrage des Landesfürsten Wolfgang von Dailberg mussten der Oberamtmann des Eichsfeldes Leopold von Strahlendorf und der Schultheiß Andreas Reuter aus Uder zwischen 1582 und 1601 ein Verzeichnis aller Liegenschaften des gesamten Eichsfeldes aufstellen. Der Grund für diese Maßnahme war in erster Linie das große Geldbedürfnis zur Bestreitung der vielen Landesbedürfnisse. Alle Ländereien und Waldungen wurden vermessen. Gemeinden, Adelige und Bauern, die sich durch Urkunden und die herkömmlichen Abgaben über den Erwerb von Ländereden nicht ausweisen konnten, verloren diese an den Landesherrn. Die Grundstücke wurden aber mit Ausnahme derer, die nicht verkauft wurden den bisherigen Inhabern gegen eine bestimmte Abgabe in barem Gelde oder Naturalien weiter belassen. Alle Liegenschaften wurden im Reuterschen Lagerbuch‚ handschriftlich und unter genauer Angabe des Besitzers festgehalten. Dieses Salbuch befindet sich im Magdeburger Staatsarchiv.

Danach hatte die Gemeinde Lengenfeld um 1610 112 Häuser und 6 Gemeindehäuser. Liegenschaftsbesitzer waren: Anhalt, Andreß, Börner, Behmen, Becker, Dittrich, Daumann, Dreßler, Dinkelberg, Dinkele, Eckstein, Engel, Falk, Fischer, Freund, Franke, Friedrich, Godehard, Glimm, Groß, Grim, Gleiche, Hedderich, Hahn, Hesse, Holtzmann, Hornbach, Hupach, Hötzel, Hartin, Hellmold, Helmbrecht, Hein, Jakob (der Müller), Isenbiehl, Kamm, Keuler, Köhler, Könemund, Kesseler, Lambrecht, Löffler, Lorentz , Meußler, Nußbau, Oberthür, Pudenz, Ruland , Rauschenberg, Reuß, Reuber, Rinken, Rossing, Rorbach, Rüdinger, Reuse (Riese?), Richwien, Richwlmann, Selzmann, Schneider, Stünder, Schlosser, Steffen, Siebold, Schlothauer, Steinmetz, Schmidt, Weingärtner, Weiso, Witzell, Weydemann, Weigand, Zink.
Am 11. Mai 1611 weihte der Mainzer Weihbischof Kornelius, Gobelius, Bischof von Askalon, auf der alten Burg Bischofstein die St.-Georgskapelle auf ihren alten Titel.

Infolge der Religionswirren brach 1618 der Böhmisch-Pfälzische Krieg aus. Der Landesherr des Eichsfeldes, Kurfürst Joh. Schweikhart von Mainz, stand auf der Seite des Kaisers, mit ihm das Eichsfelder Volk, die Geistlichen, Klöster und der katholische Adel. Der protestantische Adel arbeitete als Parteigänger Friedrich V. den Anordnungen des Kurfürsten zur Verteidigung des Eichsfeldes entgegen. Truppen zur Verteidigung der Eichsfelder Grenzen gab es nicht, nur geworbene Söldner und einen sogenannten Ausschuss Dieser setzte sich aus Mannschaften zusammen, die, im Frieden von Zeit zu Zeit im Gebrauch der Waffen geübt, in Fällen der Not zur Verteidigung des Landes aufgerufen wurden. Als am 23.6.1620 ein Parteigänger Friedrichs V., Herzog Ernst von Weimar, mit einem Regiment Fußknechte von Corvey her das Eichsfeld raubend und plündernd durchzog, stellte der Ausschuss im Amt Bischofstein ein Fähnlein von 400 Musketieren und 100 Pekenieren auf. Sein Hauptmann war Melchior von Harstall zu Diedorf. Wer aus Lengenfeld zu diesem Fähnlein gehörte, wissen wir nicht. Die Namen sind, wie vieles andere, vom Dämon dieser Zeit mit verschlungen worden.

Am 29.5.1622 zogen die Horden des tollen Christian von Braunschweig auf ihrem Wege nach Fulda und Höchst über Ershausen, Wilbich, Geismar, Lengenfeld, Hildebrandshausen, Treffurt raubend und plündernd durch das Amt Bischofstein. Bis auf 7 Dörfer waren alle ausgeplündert. Mutwillig schossen die Söldner in die Dächer. In Lengenfeld verbrannten sie einige Häuser. Kirchen und Altäre wurden entweiht, die Orgeln zerschlagen, sogar die Gräber nach Schätzen durchwühlt. Die Amtshäuser Bischofstein und Greifenstein, sowie alle Klöster hatten die Zügellosigkeit der entmenschten Soldateska am gründlichsten zu spüren. Frauen, Jungfrauen und Kinder wurden zum Opfer ihrer viehischen Lust, wenn sie nicht rechtzeitig entflohen waren. Kein Lebensalter blieb verschont. Die spärlichen Feldfrüchte dieses Jahres wurden mutwillig zertreten und vernichtet. Obschon die Bauern ihr kostbares Vieh in den Wäldern versteckt bewachten, wurde es aufgespürt und geraubt. Lebensmittel und Geld erpressten die Unmenschen unter Anwendung von Marter und Pein.

Nach der Niederlage des tollen Christian bei Höchst a. Main am 20.6.1622 durch Tilly trafen seine zersprengten Scharen elend und zerlumpt im Juli auf dem Südeichsfelde ein, um sich durch erneutes Rauben und Plündern unter der wehrlosen Bevölkerung für ihr Missgeschick zu rächen. Allen voran ihr Führer Christian, der fortwährend auf Zahlung von 62.000 Thalern drängte. Bei Stadtlohn i. W. ereilte ihn samt seinem Raubgesindel das verdiente Schicksal im August 1623. Hier wurde er mit Ernst von Mansfeld von dem nachziehenden Tilly vollständig geschlagen. Die Truppen der Mordbrenner flohen nach Holland. Der Krieg schien beendet.

Da brach 1625 der Niedersächsisch-Dänische Krieg aus. Der kaiserliche Feldherr Wallenstein zog am 1. Oktober 1625 von Eschwege her durch das Südeichsfeld dem von Norden kommendem Dänenkönige entgegen.

Obwohl das Eichsfeld als Freundesland von einem kaiserlichen Heere geschont werden sollte, hatte es von seinen Truppen unsäglich viel zu leiden, weil die Unterfeldherren sich um die Anweisungen der Oberleitung vielfach nicht kümmerten. Der Oberamtmann des Eichsfeldes, von Westphal, bewog dieselben, in das Gebiet der Stadt Mühlhausen abzurücken. Doch kehrten sie am 16. Dezember zurück und setzten sich im Amte Bischofstein fest. Hier hausten sie schlimmer als der Feind. Tilly blieb bis Mai 1625 in Hessen. Er verschonte das Eichsfeld mit Einquartierungen, legte ihm aber eine Kriegssteuer von 40 000 Floriner Gulden auf. Ende 1625 zog Tilly über Duderstadt, forderte vom Eichsfeld 1000 Fuder Roggen, wandte sich dann nordwärts, um den tollen Christian zu vertreiben, der im Harz und auf dem Untereichsfelde nun zum dritten Male sein Unwesen trieb. Am 7. Mai 1626 wurde er von Tilly geschlagen und floh ins Braunschweigische, wo er, erst 27 jährig, als Opfer seiner Ausschweifungen starb. Inzwischen hatte Wallenstein bei Dessau a. E. Ernst von Mansfeld geschlagen und dann bis Ungarn verfolgt, wo auch diesen Abenteurer der Tod ereilte. Unsere Vorfahren atmeten auf. Gern hätten sie ihre Häuser wieder aufgebaut. Dazu hatte Tilly ihnen das Bauholz aus den Harzwäldern des tollen Christian als Schadenersatz zugewiesen. Sie kamen nicht dazu. Dem Beispiele des tollen Christian folgend, überfiel eine Schar hessischer Söldner am 3.5.1626, von Eschwege kommend, das Amt Bischofstein, raubte, plünderte und misshandelte die Leute. Am 5. Mai drang sie raubend in Katharinenberg und Diedorf ein. Der oben genannte Ausschuss unter Melchior von Harstall warf sie über die Landesgrenze. Damit war die Drangsal noch nicht beendet. Die Pest kroch in diesem Jahr noch über unsere Gefilde und forderte auch in Lengenfeld viele Opfer.

Am 24. Juni 1630 landete der Schwedenkönig Gustav Adolf mit 15 000 Mann Schweden an der Ostseeküste Deutschlands. Auf seinem Zuge nach Süden schlossen sich ihm unter anderen protestantischen Fürsten auch der Landgraf von Hessen und der Herzog von Weimar an. Wegen seiner besonders gefährdeten Lage wurde das Eichsfeld unter den bewaffneten Schutz Tillys gestellt. In seinem Auftrag wurde es durch General Pappenheim besetzt. Bis zum Frühjahr 1631 blieb daher unsere Heimat unbehelligt. Bald aber benötigte Tilly die Truppen Pappenheims, so dass unsere Heimat feindlichen Einfällen gegenüber schutzlos war. Das benutzten hessische Forstknechte und herrenlose Burschen, fielen über das Südeichsfeld her, plünderten und brandschatzten in Werleshausen, Volkerode, Kella, Töpfer, Geismar, Ershausen und Diedorf, wo ein elfjähriges Mädchen und ein Bauer erschossen wurden. Von den 100 Mann des Eichsfelder Ausschusses, der Töpfer besetzt hielt, wurden 18 erschlagen, die anderen gefangen genommen.

Am 16. 9. 1631 erlitt Tilly bei Leipzig seine erste Niederlage gegen Gustav Adolf. Dieser berührte auf seinem Zuge zum Rhein auch das Eichsfeld. Im November und Dezember lagen schwedische Regimenter bei Mühlhausen. Von hier durchstreiften sie das Eichsfeld, plünderten und erpressten Kriegsgelder. Nach der Wanfrieder Chronik (Strauß) soll am 11. Dezember am Fuße des Karnberges unweit Katharinenberg eine blutige Schlacht zwischen den Kaiserlichen und Schweden stattgefunden haben. 400 erschlagene Schweden sollen auf dem Mördergottesacker am Karnberg, weitere 1000 auf dem „Blutacker“, auch Schwedenfriedhof genannt, am Gaiberich zwischen Katharinenberg und Hildebrandshausen begraben liegen.

In dieser Zeit verschenkte Gustav Adolf deutsche Gebietsteile an solche deutsche Fürsten und Herzöge, die ihm Gefolgschaft geleistet und sich dafür diesen Lohn ausgebeten hatten. Um das Eichsfeld bewarben sich der Herzog von Lüneburg, Herzog Friedrich Ulrich von Braunschweig, Herzog Wilhelm von Weimar und der Landgraf von Hessen. Darüber gerieten sie untereinander in Streit. Jeder von ihnen suchte sich auf eigene Faust an der ohnehin schon völlig ausgeplünderten Bevölkerung noch zu bereichern. Am 11. Dezember 1631 fiel auf Befehl Wilhelm von Weimar der Oberstleutnant von Uslar in das Eichsfeld ein. Im Februar 1632 kam er selbst, nahm die Festen Rusteberg und Gleichenstein ein und ließ den Oberamtmann des Eichsfeldes von Westphal gefangen nach Erfurt abführen. Als aber Pappenheim von Eschwege aus anrückte, mussten die Weimaraner vom Eichsfeld wieder abziehen. Dafür hetzten sie den Mühlhäuser Ausschuss auf. Dieser fiel am 24. Juni in Struth ein und steckte dort 20 Häuser in Brand. Am 5. Juli kam er mit einer Schar Weimaraner nach Faulungen und nahm von hier 400 Stück Vieh mit fort.

Im Juli 1632 besetzte der Herzog von Lüneburg das Eichsfeld als sein Eigentum. Am 26. Juli sandte Wilhelm von Weimar die beiden Obersten Eisleben und Wrangel mit 260 Reitern und 1000 Mann Fußvolk aufs Eichsfeld zur Wahrung seiner angeblichen Rechte. Im August war auch der Bischofstein von seinen Truppen besetzt. Unter dem Gezänk der Vasallen Gustav Adolfs hatten unsere Vorfahren Unsägliches zu leiden, weil Pappenheim auf höheren Befehl an den Rhein abgezogen war, die zurückgebliebenen Besatzungen mit den einheimischen Ausschüssen aber ihnen gegenüber machtlos waren. Ende des Jahres marschierte Pappenheim von Nürnberg her nach Sachsen, um Gustav Adolf erneut zur Schlacht zu zwingen. Sie fand am 16. November bei Lützen statt, wo beide Feldherren fielen.

Nach dem Tode Gustav Adolfs ernannte der schwedische Kanzler Oxenstierna den Herzog Bernhard von Weimar zum Oberbefehlshaber des schwedischen Heeres. In unserer Heimat wusste bald niemand mehr, wem das Eichsfeld gehörte. Nach dem Tode ihres Zuchtmeisters nahmen die Grausamkeiten der schwedischen Soldaten immer abscheulichere Formen an. Noch heute erzählt der Volksmund vom Schwedentrunk und Schwedenritt.

Das Jahr 1633 und die folgenden Jahre brachten unserer Heimat fortgesetzt neue Truppendurchzüge. Im Juni 1633 lagen in Lengenfeld, Diedorf und Heyerode ein Regiment Kavallerie und eine Kompagnie Dragoner. Entsetzlich war das Los der Frauen und Jungfrauen. An vielen Orten waren wenig oder gar keine Sommerfrüchte ausbestellt; die Erträge daher kümmerlich. Es wuchs fast nur Unkraut. Die gute Frucht wurde zumeist ein Opfer der in diesem Jahre in großen Mengen auftretenden Mäuse und des Mutwillens der in den Tag hinein wild lebenden Soldateska. Die letzten Vorräte an Mehl, Gerste, Wicken usw. fielen ihr nach wütenden Folterungen der verarmten Bevölkerung zum Opfer. Da es an Zugtieren fehlte, wurden Kinder in die Sielen gespannt, um den so erpressten Proviant ihren Unterdrückern noch zuzuführen. Die Leute verkrochen sich in die Wälder und lebten dort sogar den Winter hindurch von Wurzeln und Baumrinden.

Auch das Jahr 1634 brachte unserer Heimat noch viele Truppendurchzüge und damit neue Leiden. Im Spätherbst bezogen schwedische, hessische und weimarische Truppen auf dem Eichsfeld Winterqartiere und brachten es fast zur Verzweiflung. Seit dem Tode Wallensteins in Eger am 25. Februar 1634 wurden die Schweden nur noch ruchloser. Erst der Friede von Prag, den der Kaiser 1635 mit den Sachsen schloss, bewog viele deutsche Fürsten zur Aufgabe der Gefolgschaft im Dienste Schwedens und zum Vergleich mit dem Kaiser. Die Schweden mussten das Eichsfeld an den Kurfürsten von Mainz abtreten. Unsere Vorfahren glaubten, der Krieg sei nun zu Ende. Diese Hoffnung trog.

Frankreich verbündete sich mit den Schweden und setzte den Krieg fort, der unserer Heimat eine Kette neuer Leiden brachte. Am 17. August 1635 ernannte der Kurfürst von Mainz den tatkräftigen Christoph von Griesheim zum Oberamtmann des Eichsfeldes. Dieser warb auf eigene Kosten eine kleine Schar geübter Truppen an und hielt damit die Schweden und die überall bei uns marodierenden Räuberbanden in Schach. Infolge der Verwüstungen und unbebauten Felder wütete die Hungersnot weiter. Als im Frühjahr 1637 der kaiserliche General Spork in Mühlhausen ein Werbebüro einrichtete, ließen sich viele Einwohner des Amtes Bischofstein aus diesem Grunde anwerben. Die Kinder liefen in Scharen umher und schrien nach Brot. Vom Gleichenstein aus machte von Griesheim Jagd auf die Schweden und brandschatzenden Banden. Auf seine Anordnung . überfielen eichsfeldische Bürger mit kaiserlichen Truppen am 19. März 1639 die schwedische Besatzung in Nordhausen und vertrieben sie. Er selbst überrumpelte am gleichen Tage Mühlhausen, machte dort viele Gefangene und erschlug die übelsten Schweden. Das erregte den Zorn des schwedischen Generals Baner. Er befahl seinem Unterfeldherrn General Königsmark, sich des Eichsfeldes zu bemächtigen. Im Juni 1639 zog dieser von Minden heran und besetzte es. Am 11. Juli musste sich ihm der Gleichenstein ergeben. Die Besatzung wurde gefangen, von Griesheim nach Erfurt abgeführt. Die Eichsfelder Schreckenszeit erstieg den Höhepunkt.

Nach dem Bericht des damaligen Pfarrers von Lengenfeld vom 15. Mai 1656 (Akten der Pfarrei) waren von den 1584 bestehenden 100 Herdstätten nach 1648 nur noch 24 vorhanden, die anderen verfallen, 1639 meistens verbrannt. Nach Wolf (Pol. Geschichte) wurde Lengenfeld von hessischen Bauern teilweise verbrannt. Nach Hillmann und Reischel hatte Lengenfeld nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges statt 86 nur noch 24 Herdstätten. Am schwersten mögen auf unsern Vorfahren die unmenschlichen Kriegskontributionen gelastet haben, weil sie selbst in jeder Hinsicht bitterste Not litten. Neben den Schweden raubten und plünderten „Buschklepper“ und „Schnapphähne“ aus dem nahen Hessen im Amt Bischofstein. Vielfach machten auch Einheimische gemeinsame Sache mit ihnen, oft sogar als Rädelsführer, Zuträger, Helfershelfer oder Kundschafter. Einen Einblick in die Kriegsführung jener Zeit gibt uns das Beschwerdeschreiben des Wanfrieder Amtsschultheißen an den Kasseler Landesfürsten vom Jahre 1640, das sich im Wanfrieder Stadtarchiv vorfindet.

Es lautet:
„Durchlauchtigster, hochgeborener Fürst, gnädiger Herr. Wie unangenehm es uns ist, euch und eure fürstlicher Gesellschaft belästigen zu müssen, weiß Gott der Allmächtige. Wir können dessen dennoch nicht enthoben sein. Der Sachen verhalten sich wie folgt: Im Jahr 1640 hat eine kaiserliche Truppe den Amtsuntertanen zu Altenburschla ihr Vieh, Schwein und Ziegen abgenommen, dieses über den Gärnberg nach dem Eichsfeld getrieben und nun beklagen sich die Untertanen darüber hier beim Gemeindevorsteher Johann Werner Geihsen. Derselbe hat dann der hier lagernden Rehmischen Kompanie einige Junge Bürger zur Seite gestellt und befohlen ihnen nachzufolgen, um ihnen das Vieh wieder abzunehmen. Sie trafen die Truppe in Lengenfeld unterm Bischofstein an und begehrten das Vieh zurück, doch die Truppe stellte sich zur Gegenwehr, trieb die Unseren zurück und schoss einen Soldaten, Heinrich Backhaus genannt, nieder. Inzwischen war noch eine weiter Truppe hinzugekommen, die vom Leutnant Hanns Hesse geführt wurde, und verfolgte unsere Truppe bis an den Keudelstein im hessischen Gehölz, die Gott der Allmächtige, bis auf besagten Backhaus, unbeschadet erhalten hat.

Hiernach gibt der Leutnant Hesse vor, die Unseren hätten ihm sein Pferd erschossen und will dafür 50 Taler haben, wollte sich letztendlich aber mit 20 Talern zufrieden geben. Und wie ihm solches nicht alsbald gezahlt wurde, ist er mit seiner Truppe hier vor das Tor gekommen und sagte, er wolle nun nicht 50 oder 100 Thaler haben, sondern sich wohl bezahlen lassen. Und er begehrte, die Bürgermeister sollten zu ihm vor das Tor kommen. Wie aber selbige sich dem verweigerten, zog er seine Pistole und schießt den Bürger Christoph Armbrust durch den linken Arm.

Einige Zeit später fiel er mit seiner Truppe hier in das Feld ein, raubte Junker Heinrich Keudeln sein Pferd und ein Rind und jener musste sich für 16 Taler auslösen. Damit erklärte er sich der Stadt öffentlich zum Feind, wie er dann mit den Seinen die Jahre zuvor zu vielen Malen im Feld eingefallen, Pferd und Vieh geraubt und davon gebracht hat. Auch am gestrigen Tag, dem 13. Juni, hat er sich mit seinen Reitern im Holz beim Keudelstein verborgen, und als er sah, dass zwei Salzfuhren von Allendorf mit Frucht hier aus der Stadt nach Frieda fahren wollen, hat er sich über den Eichenberg hinweg abgesetzt, um jenen am Dorf Frieda zuvorzukommen. Als sie die Fuhren erobert hatten, haben sie die Pferde ausgespannt. Und als sie sich unten an der Werra durch die Frieda ins Dorf absetzen wollten, einen Liborygerungsknecht, Hans Hilsing genannt, vom Pferde geschossen, dass er in der Werra versank und nicht mehr gefunden wurde. Vier weitere Pferde haben sie an sich genommen, sind damit die Werra hinauf geritten, um hier im Felde noch drei Pferde vom Uckerbore, wovon eines dem Amtsvorsteher, die anderen zwei Jakob Hillemann gehörten, aus dem Pflug genommen und sich ihrem alten Brauch und Gewohnheit nach nach Hildebrandshausen abgesetzt, um die Pferde gegen Lösegeld wieder herauszugeben.

Darauf haben der Herr Amtsvorsteher das seinige für 14 Taler, Jakob Hillemann seine zwei für 20 Taler, die Salzfuhrer von Allendorf auch zwei für 20 Taler eingelöst. Und er hat sie mit sehr schimpflichen Worten, unter deutlicher Betonung, in Beisein des Pfarrers und Herrmöllers von Lengenfeld und vieler anderer Eichsfeldischer Untertanen, vernehmen lassen, wie er sich noch mehr und noch länger nehmen zu wollen erachtete, bis er seine 100 Taler für sein Pferd wieder bekäme. Die hier vereinnahmten Gelder wären nur Zinsen.

Sollte denn, gnädiger Fürst und Herr, dieser Leutnant Hans Hesse jetzt in keinen Kriegsdiensten begriffen sein, anstatt sich mit seinem Anhang nur des Plagens der Bürger auf der Straße zu befleißigen, wie er von denjenigen Marktleuten aus Mühlhausen, Allendorf, Göttingen, Eschwege und anderen Orten, die vergangenen Sonntag den Heiligengstädter Jahrmarkt besucht haben, das Ihre abgenommen hat, was die Eichsfeldische Obrigkeit, aber auch die Untertanen, nicht nur alles ungeahndet passieren lassen, sondern solche Plagegeister noch aufnehmen, beherbergen und Unterschlupf gewähren. Und ob dann dieser Leutnant Hesse sich am Hof des Königs, wo das Kommando geändert wurde, aufhalten und uns täglich mit mehr Überfällen, Plündereien und Niederschießen auf der Straßen belästigen solle.“ (A. Höppner A. B., S. 14 ff.)

Aber auch viele Eichsfelder selbst rotteten sich zu Banden zusammen, bewaffneten sich und überfielen wehrlose Dörfer. Einer ihrer Rädelsführer war Friedrich von Hanstein aus Geismar. Er hieß auf dem Südeichsfelde „Schnapphanischer General“. Am 14. Januar 1643 beschloss der Landtag, den Ausschuss mit den Aufgaben einer Sicherheitspolizei zu betrauen, deren Mannschaften alle Buschklepper zu verfolgen hatten. Sie durften sich dabei der noch vorhandenen Pferde bedienen. Die Schulzen mussten auf Feldern und Kirchtürmen Wachtposten aufstellen, die mit Alarmschüssen und Glockenläuten von Dorf zu Dorf das Herannahen der Banden meldeten. Das hatte Erfolg. Doch trieben sich noch im Jahre 1644 Banden umher, unter ihnen sogar versprengte Franzosen. Am 20. April 1643 wurde der Gleichenstein geschleift. Schwer drückte das schwedische Joch. Die Kaiserlichen sollten das Land schützen, raubten aber und plünderten ebenso wie die Schweden.

Am 22. September 1646 schenkte die Königin Christina von Schweden das Eichsfeld dem Landgrafen Friedrich von Hessen als Mannlehen zur Belohnung für seinen ständigen Eifer. Am 10. März 1647 nahm dieser es in seine Obhut. Er versprach, jeden Beamten in seiner Stellung zu belassen und das Joch der Schweden zu mildern. Er veranlasste den schwedischen General Wrangel, das Eichsfeld zu verlassen. Am 30. März war er selbst in Heiligenstadt, versprach, das Eichsfeld mit Einquartierungen zu verschonen, forderte aber von ihm für die Zeit vom September 1646 bis Dezember 1647 insgesamt 21.700 Taler Steuern und Kriegskontribution. 20.051 Taler 6 Groschen wurden ihm tatsächlich gezahlt. Welch schwere Last! Dabei trieben sich immer noch Schweden und Kaiserliche plündernd und raubend umher. Das Ende des Krieges war nicht abzusehen. Die Kinder schrien nach Nahrung; die Mütter wussten nicht, ihren Hunger zu stillen. Brot war ein Leckerbissen. Täglich starben Leute vor Hunger. Ja, man aß das Fleisch krepierter Tiere und aß sich krank.

Auf einmal hieß es, der Friede sei nahe. Niemand wollte es glauben; die Vorstellung vom Frieden war vollständig ausgetilgt. Und doch, im Spätherbst erreichte unsere Vorfahren die erlösende Nachricht vom Frieden zu Münster und Osnabrück, der am 24. Oktober mit den Franzosen und Schweden geschlossen worden war. Da weinten die Leute vor Freude. Auf den Knien dankte man Gott; der Bischof von Mainz ordnete Dankprozessionen an.

Die wirtschaftlichen Verluste des Eichsfeldes durch den Krieg lassen sich schwer ermessen. Seine Einwohnerzahl war von 80.000 auf 12 000 gesunken. Mehr als 60.000 Stück Vieh hatte der Feind geraubt. Auf den Straßen wuchsen mannshohe Dornhecken. Die meisten Häuser lagen in Schutt und Asche. Es fehlte an Saatgut, Ackergerät und Zugvieh. Schlimmer als das waren die sittlichen Schäden. In allen Schichten des Volkes herrschte der niedrige Instinkt. Lasterhafte Soldaten hatten seinen Körper durch ansteckende Krankheiten verseucht. Die Kirchen waren ausgeraubt und zerstört. Viele Dörfer hatten jahrelang keinen Geistlichen. Allseitige Erschöpfung führte das Ende dieser grauenvollen Zeit herbei.

Die Aufzeichnungen über den dreißigjährigen Krieg sind entnommen für Lengenfeld und Bischofstein aus „Unser Eichsfeld", Jg. 1929, von Ernst Mähler. Es folgt als Nachtrag ein Urkundenauszug über diese Zeit aus dem Lagerbuch der Kirche von Lengenfeld. Unter dem 14. Januar 1628 wird für den Schultheißen und Leutnant Hans Vogelbein ein Haus eingetragen für 52 Rthlr. Hiervon erhielt die Kirche 27 Rthlr., 9 Schnbrg. Lehnsgeld. 1632 hat dieses Haus bereits Jakob Mehler im Besitz. Dieser Schultheiß kann als Leutnant dem 1620 aufgestellten Fähnlein des Ausschusses unter Hauptmann Melchior von Harstall angehört haben. Im gleichen Lagerbuch wird ein Haus von Soist Dias alias Dortmas aufgeführt, das 1631 Christian Richelmann, dann Margarethe Sezelmann, 1660 Haus Senner, 1725 einem Hesse gehört. Desgleichen ein weiteres „hinter der Schenk", das 1632 Joist Lorentz, 1633 Hans Engel gehört, 1636 aber zusammengebrochen ist, zur Zeit der Aufzeichnung im Lagerbuch Hans Merten Morgenthals Eigentum. Hinter der Schenke befindet sich heute noch ein Haus im Besitze der Familie Morgenthal.

Lambert Rummel
(Quelle: Lengenfelder Echo)