Kloster Zelle

Von Bergen bekränzt, im Waldesgrund
Ruhst du, ein Märchen im Dämmerlicht,
Das einlädt zum Traum, wenn zur Abenstund’
Die Sonne durch hängende Zweige bricht,
Wenn mit der Nacht, die sich müde neigt,
Der Wandrer staunend zu Tale steigt.

Und immer tiefer sinkst Du in Traum.
Und immer dunkler umdrängt dich der Wald.
Da geht ein Flüstern von Baum zu Baum,
Das leise wie sehnendes Singen hallt,
Das weckend um deine Giebel weht
Wie Harfenklang und wie Abendgebet.

Und horch, da schwingt durch die stille Nacht
Ein Glöcklein wie ein leiser Flügelschlag.
Es schlägt an das Herz mit heiliger Macht
Wie Aveläuten am sinkenden Tag.
Und ist es ein Geist, der die Glocke zieht?
Wer weckte die Toten auf zum Lied?

Der Waldhauch schwillt wie zum Orgelklang,
Und über die Mauern dringt Chorgesang.
Vom Annenberge klingt feierlich drein
Das Lied von der „Mutter Anna mein“. –
Und die Sterne stehen so hell und klar
Überm Wald wie Kerzen am Hochaltar.

Versunken steh’ ich am Waldessaum.
Im Tale spricht leise die Friedaquelle.
Vorüber geht Nacht und Lied und Traum –
Du aber bleibst mir, mein Kloster Zelle, –
Du Märchen im träumenden Buchenhain,
Im Eichsfelder Lande ein Edelstein.

August Hahn