Amt Bischofstein - Südeichfelder Land und Leute (1924, unvollständig)

I. Der Stein

Was funkelt vom hohen Felsengrat

hinauf in des Himmels Blau?

Was blinket wie Zinnen- und Dächergewirr

hinab in die Frieda-Au

Im Frührotschein? -

Die Burg zum Stein.

Was schmiegt sich der trutzigen Feste so traut,

Umfriedet von Mauer und Wall

Wie ein Küchlein der schützenden Henne an

Im jähen Terrassenfall

So schmuck und fein? -

Die Stadt zum Stein.

Was reitet mit Schnauben und Waffengeklirr

Am steilen Bergeshang?

Wer sprengt in den Burghof mit Funkensprühn

Bei hellem Drommetenklang

Von der Wartburg her

im schimmernder Wehr?

Der Thüringer Landgraf und Landesherr,

Ihm zur Seite die Zierde der Frau’n

Auf weißem Zelter Elisabeth,

Die Blume aus Ungarns Au’n;

Noch flockte der Schaum

Von Trense und Zaum.

Vom hohen Söller im „nyddersten Hus“

Die Landgräfin blickt in die Rund

Über Berge und Hügel, zum Greifen nah

In stiller Abendstund.

Fern im Zenit

Die Goburg glüht.

Die Felsenschroffen am Ulenstein

Umflattert ein Taubenschwarm.

Da erhebt ihre Hände die hohe Frau

Zum Schöpfer so innig und warm, Lobpreist und fleht im Nachtgebet:

„Warum hüpfet ihr Berge wie Widder auf

Und ihr Hügel wie Lämmer zart?

Die Erde erbebt vor dem Antlitz des Herrn,

Der sich als ihr Gott offenbart,

Nicht uns die Ehr,

                                                    Nein dir, o Herr.“                            Psalm 113,6.

„Meine Taube in Mauer und Felsenkluft,

Laß mich in dein Antlitz sehn,

Laß deine Stimme mir klingen im Ohr,

- Süß ist sie, dein Angesicht schön, -

Bis der Tag aufsteigt

                                          Und der Schatten sich neigt.“                        Hoh. Lied 2,14.

Aus der Tiefe, wo schwindelnd die Klippe fällt,

Ein Glöcklein läutet und fleht

Vom Turm der Kapelle, die in der Hut

Des Ritters Sankt Georg steht,

So schlank und fein

Am gewachsenen Stein. -

Jahrhunderte fliehn, Am Bischoffsteinstor         

Prangt zierlich das Mainzer Rad.

Gobelius, Bischof von Askalon

Mit reisigem Trosse naht,

Die Kapelle zum Stein

Von neuem zu weihn.

Doch bald bebt der Berg vom Kartaunenschlag,

Die Steinkugel kraftlos sinkt,

Die Schildmauer klafft, in die Bresche hinein

Blutdürstend der Schwede springt

Und hinterdrein

Die von Wallenstein.

In Trümmer zerbarst da der wehrhafte Bau,

Nachbröckelnd löst Stein sich um Stein,

Rollt springend zu Tal, am neuen Schloß

manch Quaderstück füget sich ein. -

Indes reitet der Tod

Beim Abendrot.

Durch den Zwinger, hinab die versunkene Stadt,

Um die Klippe mit hohlem Aug’

Gras wuchert im Palas, auf Kirchhof und Markt,

Bestreuet mit herbstlichem Laub,

Um Graben und Wall

Wogt Nebelschwall.

Im Maßholder ein schriller Marderschrei,

Am Waldrand ein Rehlein lauscht,

Vom Felsblock, gekrönt einst vom „nyddersten Hus,“

Im Nachtwind die Linde rauscht

Von Liebe und Leid

Und tosendem Streit.

Und ein Raunen geht durch die Blätter all

Bis ins blitzdurchfurchte Gezweig,

Aus grausiger Tiefe wie Glockenton klagts

Vom Georgskirchhof so weich

Von versunkener Zeit

und Herrlichkeit.


1.

Seit Aeonen rissen Frieda und Lutter wie gigantische Motorpflüge tiefe Furchen in das südeichsfeldische Hochland. Noch bevor sich ihre Wasser vereinen, um im munteren Lauf    zur Werra zu eilen, erhebt sich, von beiden Bächen umfaßt und zernagt, ein felsenstarrender Höhenzug, nicht unähnlich dem Rücken eines Ebers, der den bewehrten Rüssel angriffsdräuend talwärts lenkt. Hier am äußersten Bergsturz künden uns Mauerreste und Erdesenkungen die Stätte der alten Burg zum Stene oder Steyn (castrum dictum Steyn), die Jahrhunderte hindurch das meilenlange Tal von den Faulunger Pfaffenköpfen bis zur Goburg beherrschte. Nach der Bergseite sicherte die Burg ein Halsgraben mit barbakadenartig vorspringenden Erdwällen. Neben der Zugbrücke stellte sich ein aus Buckelquadern gefügter Turm, von starken Schildmauern flankiert, schützend vor den Palas der Oberburg, wie der kürzlich ausgegrabene Turmsockel erkennen läßt. Bis auf 10 mtr. Breite spitz zulaufend, fällt der Burghof westwärts allmählich ab bis ans Malzhaus, dessen Kellergeschoß gleichfalls von den Schülern der jetzigen Studienanstalt Bischofstein freigelegt wurde. Für den Zwinger blieb nur wenig Raum. Dann ging es aufwärts zur Unterburg, dem sogen. Nyddersten Hus, etwa 12 mtr. tiefer als die Oberburg gelegen. In einer Vertiefung inmitten der Unterburg, des letzten Zufluchtsortes in Zeiten der Not, treten die Fundamente des Bergfriedes zu Tage. Gegen Osten ist der die Unterburg tragende Fels noch durch Mauerwerk verstärkt.

Ein Bild der Burg gibt uns der Lehnsbrief von 1420, datiert Heiligenstadt: „Konrad, Erzbischoff von Mainz, belehnt die Gebrüder Apel und Hildebrand von Erershusen mit nachstehenden Gulten und Gütern zu einem Burg- und Mannlehen, zu Erbburglehen mit dem Nyddersten Hus uff dem Styn mit seinen Zubehörungen bis an das Malzhus ... zu einem rechten Mannlehen, mit zwen Höfen in der Stadt zum Steyn. item mit einer Wiesen zu dem

Riete, hinter dem Huse zum Steyn (Bulschtal) und mit dem Holz das lieget by der Celle, die da liget by dem Huse zu dem Steyn.“ (Wolf I. Nr. 99.)

Gleich den Burgen Hanstein, (Rimbach), Rusteberg, (Marth), Normannstein, (Treffurt) hatte auch der Stein seine Marktstadt, oppidum Stene. Am Halsgraben ansetzend, führte die Stadtmauer bergab hinter dem noch sichtbaren Erdwall östlich am neuen Bischoffsteiner Friedhof vorbei bis fast zum Bahndamm, bei dessen Bau viele Waffen, Knochen etc. gefunden wurden, von da nach Westen abbiegend am Waldrand bergan bis unter die Klippe, etwa 3 ha Gesamtfläche umfassend. Die den eichsfeldischen Wüstungen von Wintzingerode beigegebene Karte verlegt die Stadt zum Stein irrtümlich unter das neue Schloß Bischoffstein.

Die Bewachung und Instandhaltung der Stadtmauer war den adeligen Lehnsträgern abschnittweise anvertraut. Der größere ebene Platz unterhalb der Klippe hieß früher der Marktplatz, die abwärts folgende etwa 10 mtr. lange, schmale Felsterrasse die Kirche, darunter der Kirchhof und zuletzt am Walde der Judenkirchhof.


2.

Über die Erbauung der Burg schweigen die Quellen und die älteren (vor 1400) sind unklar, da die Landgrafen von Thüringen noch 4 Burgen gleichen Namens besaßen, den Altenstein bei der Hessell, den Fürstenstein bei Albungen, Liebenstein und Altenstein bei Meiningen, und somit auch die Personenbenennung de lapide nicht schlüssig ist. Das Schloß Stein, ursprünglich den Grafen Giso von Gudensberg, den Besitzern der Landschaft an der Werra gehörig, kam nach Aussterben der Gisonen um 1137 als Allodialerbe an das erste Landgrafenhaus von Thüringen und Hessen. Auch das Erzstift Mainz erhob als früherer Lehnsherr über die Güter der Gisonen Anspruch auf den Stein. 1251 war Erzbischof Gerhard I. von Mainz im Besitze der Burg und belehnte damit Gottschalk von Plesse. Dieser verlor sie im thrüngischen Erbfolgerkrieg an Herzog Albrecht v. Braunschweig, der sie 1264 zugleich mit Eschwege, Sontra und Wanfried an die Markgrafen von Meißen abtreten mußte.

1304 besaßen die Edelherren von Hardenberg den Stein und verkauften 1326 castrum et oppidum Sten apud nemus Heyene (Schloß und Stein beim Hainich) an Erzbischof Mathias von Mainz für 2030 Mark feinen Silbers Göttinger

Gewichts. Obwohl Mainz das gesamte Schloß käuflich erworben, verfügt es in den folgenden Jahrzehnten immer nur über die Hälfte, die Unterburg; die Markgrafen von Meißen hatten Mitrechte, seit 1341 sogar eigene Burgmannen und nennen in ihren Urkunden den Stein „Markgrafenstein“, (von Wintzingerode, Wüstungen S. 116) wie auch den in ihrem Besitze

befindlichen Turm zu Treffurt „meißener oder markgräflichen Turm“.

Erst im Jahre 1409 bestimmt Mainz über die gesamte Burg und nennt sie zum erstenmal

Bischoffstein: „Erzbischof Johann von Mainz nimmt, datiert Frankinfurte 12. Januar 1409, Lutze, von Wangenheim und seine Leibeserben zum Burgmanne auf dem Erzbischöflichen

Schlosse Bischoffstein an“. (Regesten der von Wangenheim I.S. 168.) 1272 wird Tuto de lapide genannt, 1282 Hugo advocatus in Lapide, Vogt in Stein. 1336 übernimmt Balduin

(v. Trier) „Friedrich und Hermann von Heringen zu Erbborgmannen des Schlosses und Borg zum Steyn uff deme Eysfelde. Jeder der Brüder hat Lehnspflicht zu tun mit je einem guten, wohlgeborenen Wapener, wohl gezeuget.“ 1360 sitzen zu dem Steyn: Tile von Volkolderode, der großen Steben von Tastungen, Marolt von Topphern, Groß-Henrich von der Nezze, von Weberstedt, Eckert Pronse, Hermann Schilling, 1381: Gebrüder Proisen, Otto von Erershusen,

Apel Keydel, von Bülzingsleben, von Harstall, von Hanstein. 1459 wird die Burg an die von

Bülzingsleben (mit Ausschluß der den Keudel, Hanstein etc. zustehenden Burglehen) verpfändet und erst nach fast 200 Jahren wieder eingelöst. Diese Pfandinhaber nannten sich 1554 Herren zu Bischofstein und hatten dort ihren eigenen Vogt.

1476 starb das Geschlecht der von Ershausen aus, in ihr Burglehen traten die von Hanstein ein, die von 1518 - 1804 wörtlich wie die von Ershausen 1420 belehnt wurden, obwohl keine Burg mehr bestand und die Lage der Lehnstücke in Vergessenheit geraten war. So oft nötig, wurde das peinliche Gericht auf oder unter der Burg Bischoffstein gehalten, 8 Diedorfer- und Katharinenberger Schöffen mußten neben den 12 Bischoffsteiner Schöffen sitzen.

Die St. Georgskapelle in der Stadt Stein, wohin einige Ländereien der Gemarkung Lengenfeld unter dem Stein, zinsen müssen, wird erwähnt 1611. Mai 11: Sacellum St. Georgii in veteri castro Boschoffstein, quod Cornelius Gobelius episcopus Ascalonesis, suffraganeus Archiepiscopi Mogunt. die 11. Mayi an, 1611 consecravit e. veteri misto. (Wolf C. d. A. H. S. 42). -

Die St. Georgskapelle auf der alten Burg Bischoffstein weihte der Mainzer Weihbischof Cornelius Gobelius, Bischof von Askalon am 11. Mai 1611 auf den alten Titel. -

Wenige Jahre später, 1620, erlitt die Burg durch die Schweden, Tillys und Wallensteins Truppen arge Beschädigungen, wonach sie sich nie wieder zum früheren Glanze erhob. Zwar blieb sie Sitz der Verwaltung und des Vogtes, die ihr angegliederte Stadt verödete jedoch mehr und mehr. Am längsten hielt sich die Kapelle, die noch 1695 zu Amtshandlungen benutzt wurde, wie folgende Eintragungen im Lengenfelder Taufregister beweisen: „Anno 1693, 5. Oktober, habe ein unächtig Kind in der Kapelle zu S. Georg ufm Bischoffstein getauft, so von einer Malefikperson gebohren. Der Vatter wurde derzu benennet: der Schafrichter aus der Vogtey, ein Ehmann, dies Kind hat H. ambtsvoigts magt Margaretha aus der Tauf gehoben.“ „Anno 1695 den 5. Augusti ist auf dem Amptshause Bischoffstein in der gefangenschaft ein unächtig Kind als Söhnlein gebohren von Margaretha Kobold aus der Fülung gebürtig zu welchem Kinde der Vatter Hans Henrich Griesh aus dem Lunenburgerlande von ermelter persohn denominiert worden. Dieses Kind ist an gedachtem Orte in der Schloßkapelle zu S. Georgio getauft worden. Darzu gevattern sind gestanden Jakob Kobold juni. Joseph Witzel und Maria Hedderich.“

Im 18. Jahrh. entdeckte der Mainzer Amtmann, Regierungsrat Holzborn in Bischoffstein die Rudera der Kirche zu Stadt Stein. Das jetzige Schloß Bischoffstein wurde 1747 und 48 unter Kurfürst Johann Friedrich von Ostein (1743 - 63) in halber Berhöhe als Amts- und Wirtschaftsgebäude von Meister Heinemann aus Dingelstedt errichtet. Leider benutzte man bei dieser Gelegenheit, sowie beim Bau der Lengenfelder Mittelmühle und des sogen. Gewölbes die damals noch stattliche Burg als Steinbruch.


II. Amt Bischoffstein

1. Land und Geschichte
 

Das Amt umfaßte das ganze südliche Eichsfeld einschließlich des früheren Mainzer Amtes Greifenstein und der Ende des 16. Jahrh. von Hessen an Mainz abgetretene Dörfer,

insgesamt 16 noch heute bestehende Orte, und etwa 20 Wüstungen. Nur wenige dieses Gebiet betreffende Urkunden sind überliefert, noch wenigere ältere Bauten haben den Zeitensturm überstanden. Inbetracht kommen die Magdeburger Handschrift A aus dem 14. Jahrh. und neben dem Reuterschen Salbuch das Bischoffsteiner Jurisdiktionalbuch, (Weistum) nach der Aufschrift aus dem Jahre 1586, bis 1677 fortgesetzt, in Verwahrung der Regierung zu Erfurt. Unschätzbares Gut bewahrte uns auch die Heimaterde in den Flurbenennungen und Namen der untergegangenen Orte, die Freiherr von Wintzingerode in seinen „eichsfeldischen Wüstungen“ gesammelt hat.

Von seinem Hochsitze konnte der Vogt fast das ganze ihm unterstellte Gebiet übersehen, und welch’ herrliche Schau bot sich ihm dar, als noch von ebenhohen Höhen Nachbarburgen (Keudelsburg, Spindelsburg, Sieboldsburg, Greifenstein) grüßten, als noch zahlreiche kleine Rodungen und Weiler aus der waldbedeckten Tiefe auftauchten. Die mäandrischen Windungen

der Frieda erzählen noch, wie mühsam die Wasser ehedem durch Wald- und Wurzelboden einen Weg bahnen mußten. Durch die Furthwiese (jetzt in Fitterweesen verstümmelt) gelangte man oberhalb der Hagemühle über den Bach nach Unterlengenfeld, das sich vom Siechrasen bis ins Unterland hinzog. „De Clywenrode desolato habet dominus Archiepiscopus einen jähr-

lichen Zins von 3 Hufen Rodeland.“ (Handschrift A Blatt 7). Wo lag dieses schon im 14. Jahrh. als wüst bezeichnetes Dorf Clywenrode, aus dem der Mainzer Erzbischof Zins bezog? Im Lengfenfelder Flurbuch wird der Gückserain vor 1750 stets Glücksrain geschrieben, das L ist später gestrichen. Vielleicht ist hier Clywenrode zu suchen. Jedenfalls ist die regelmäßige Abböschung des Gückserains und Kirchbergs nicht durch Naturkräfte bewirkt, der ganze Kirchberg trägt noch die Spuren einer Wallburg, dessen Grenzen von der Keudelsgasse südlich des Lochborns durch den hohlen Graben bis zum Bildstock auf der Heide und nordwärts im „roten Graben“ (von der Endung rode) ausliefen. Beide Gräben liegen nicht im Zuge des talwärts flutenden Wassers. Mittelpunkt dieser Ursiedelung war der Platz der Kirche.

In Lengenfeld besaßen die von Hanstein gegen 400 Acker Land, nämlich die Meierei, einen Hof unter dem Kirchiber und zwei später Ficksche Höfe. (Inschrift am Hause: „Junker Hans“). Der Südhang des Kälberberges heißt noch der Hanstein, wo auch das 1420 an die Ershäuser und 1518 an die Hansteiner verlehnte Holz an der Celle liegt.

1269 giebt das Cyriakus-Stift zu Eschwege dem Mühlhäuser Brückenkloster 4 mansos lignorum qui siti sunt in Blankentail iuxta villam quae vocatur Gozrode. „(Marburger Stadtarchiv) - 4 Holzhufen im Blankentail neben dem Dorfe Gozrode.“

„1434 belehnen Anna von Rumrode, Aebtissin, Anna von Uslar, Küsterin und die ganze Samenung zu Eschwege dasselbe Brückenkloster mit einem Holzgut Gossrod und Moseberg, gelegen an der Jungfräulein von der Tzelle Holze bi dem Steine.“ (Marb. St.) v. Wintzingerode verlegt das ihm unbekannte Blankentail und Gozrode, das er für identisch mit der Wüstung Nützigerode hält, nach Pfafferode bei Mühlhausen. Unzweifelhaft ist jedoch das noch heute Blankental genannte Tal zwischen Walperpühl und Kälberberg gemeint, wo auch bei einer Quelle das Holzgut Gozrode lag, wie schon Wolf richtig vermutet. Blankentail war auch Dorfname. (Mose- oder Meseberg vielleicht = Kälberger, vergl. Möisen, Mijsen, Mijschen = weibliches Kalb.)

Zu den Forsten des Amtes gehörte der Siegfriedsberg und das Hegeholz im Buchborn. Dieser Siegfrieds- oder Sieboldsberg, jetzt Faulunger Stein, gilt bei den Umwohnern als alte Burg. Öst-

lich über die Struther Höhn, entlang dem sogen. Lengenfelder Weg, der alten Heerstraße, dehnten sich bis zum Landgraben weite Waldflächen, Reste des Struther Reichsgutes, aus,

die später ans Amt kamen und den Namen Steiner- oder Stennerwald erhielten, in dem auch nach 1500 die Rodung Faulungen entstand. In Rücksicht auf diesen Steinerwald nannte man den westlich liegenden Forst Westerwald.

„Der Spinnelsberg gegen Faulungen sind eitel Stein und Klippen“ (Salbuch). Auf der unteren churfürstlichen Gehölzen im Jurisdiktionalbuch aufgeführten „Spindelsburg“ westlich Faulungen sind noch ausgedehnte Erdbefestigungen (Halsgraben) sowie Reste einer Höhlenwohnung sichtbar. Die innerhalb der Wallburg gähnende Erdhöhle dürfte die größte im Amte sein.

Nach Süden treten wir auf den Goy- oder Gayberg - in Hildebrandshäuser Flur, eine alte Gerichtsstätte. Das heutige Gaibrich ist wohl gebildet aus Gaygericht. 1350 söhnt sich Landgraf Otto von Hessen mit den Mühlhäusern aus und verspricht, bei neuen Streitfällen sich mit ihnen an den Goyberge bi der wüsten Kirchen zu treffen, und in Güte zu vertragen. (Mühlhäuser Urkundenbuch.)

In der Gemarkung Hildebrandshausen lagen außer Wintersdorf (an der Quelle beim neuen Kalkofen) noch Vocenroth, Vochenhrot, Vokemal und die Burg Plesse.1328 hat Schloß Stein in villa Vochenhrot einige Zinsen, ebenso hat der Erzbischof totum nemus (den ganzen Wald) Plesse unde in dem Vokemale excepto uno monte qui dicitur der Mittelberg qui mons cadit Gregorii de Nezze (Handschrift A). - also die ganze Plesse und das Vokemal außer dem Mittelberg, der Gregor von Nazza zusteht. -

1577 gehört die Plesse - 1800 Morgen - den Keudel und in ihren Burgsitz zu Bischofstein

(Bisch. I. B. 240). Der an der hessichen Grenze sich hinziehende Höhenzug, der nach den im 13. Jahrhundert als Vögten auf dem Stein sitzenden Edelherren von Plesse bei Göttingen benannt wird, zeigt sowohl an der Südpitze, dem Konstein, als an der entgegengesetzten Seite, der Keudelskuppe oder Junkerburg, Spuren von Erdwällen, Halsgräben. Die „duo novalia

vor deme Plessen“ (Bisch. I. B.) lagen an Stelle des jetzigen Gehöftes Plesse auf der Werraseite, während Vochenhrot im jetzigen Fackental auf der Ostseite lag und westlich davon unterhalb des Junkerholzes das Vokemal = Grenzverhau, Knick, mit Schlagbaum zum Aufziehen, woher noch der Flurname „im Schlage“ (oder ein Centstein). Hildebrandshausen haben die von Keudel 1577 in ihrem Bischoffsteiner Burgsitz, ist eine Wüstung gewesen und neuerbaut. Die Gemeinde hat zwei Hirtenhäuser und eine Kirche, aber kein Pfarrhaus, das frühere ist, als die Religion geändert wurde, verkauft worden. Die Kirche heißt zum hl. Kreuz. Vor Jahren soll vor der (alten) Kirche ein kleines Stift gewesen sein. Rudera sind vorhanden. Haben einen eigenen Pfarrer gehabt, Johann Backhaus und Nikolaus Ellenberger, die später in Gr.-Töpfer und Bornhagen, (B. I. B. 237).

An Stelle des Keudelsteins lag die Wüstund Kupsdorf. Bernd von Keudel baute 1552 auf die wüste Stätte den Keudelstein (Wolf II. 7).

1792 Starb mit Walrab von Keudel das Geschlecht aus, und Mainz zog den Keudelstein nebst dem Keudelschen Allodialgut  zu Hildebrandshausen als erledigte Lehen ein und vereinigte das Keudelsche Gericht zu Hildebrandshausen mit dem des Vogtes in Bischoffstein.

Am Keudelsteiner Gehölz kam es im 30-jährigen Kriege zu einem kleinen Scharmützel zwischen den Wanfriedern und dem marodierenden Leutnant Hans Heß, woran sich mehrere Raubüberfälle knüpften, bei denen der Lengenfelder Hagemüller dem Wanfrieder Magistrat Kundschafterdienste leistete. Einen Einblick in die Kriegsführung jener Zeit gewährt uns das Beschwerdeschreiben des Wanfrieder Amtsscholtheißen an den Kasseler Landesfürsten vom Jahre 1640, das sich im Wanfrieder Stadtarchiv vorfindet. Es lautet:

„Durchlauchtiges, Hochgebohrener Fürst, genediger Herr. Wie ungerne Estgl. unter dero Fürstl. geschaftenn molestiren müssen, weiß Gott der Allmächtige, Wihr dessene nicht erhoben sein können, Undt verhalten sich die Sachen also. In Anno 1640 hat eine Kayserliche Partey dene Ambtsunderthanen zü Altenbursla ihr Vieh als Schwein undt Ziegen abgenommen, damit übern Karnberg nachm Eichsfeldt getrieben; als nun die Underthanen sich dessen allhier beym gewesenen Oberschultheißen Johann Werner Geihsen beklagt, hat derselbe die dero Zeit alhier gelegene Soldaten der Rehnischen Compagnie, neben etlicher junger Bürgerschaft comandiert, ihnen nachzufolgen und das Vieh wieder abzunehmen. Darauf sie die Parthen zu Lengenfeldt unterm Bischoffstein angetroffen und des Viehes wieder begehrt, welche sich zur Gegenwehr gestellt, die Unsern zurückgetrieben, auch einen Soldaten Henrich Backhaus genannt, so der Lieutenant Hanns Hesse geführt darzuegekommen, die Unserigen bis an den Keudelstein in das hess. Gehölz verfolgt, welche doch Gott der Allmächtige allesambt bis uf diesene vorbesagten Backhaus unbeschedit erhalten.Diesem noch wendet der Lieutenant Hesse vor, die Unsernm hetten ihme sein Pferdt erschossen, will davor 50 Thaler haben, doch endlich 20 Thaler zu nehmen verwilliget. Undt wie ihm solche nicht sobaldt erlegt worden, ist er mit seiner Partey allhier vor das Tor kommen, sagend, wollte nun nicht 50 oder 100 Thaler nehmen, sondern sich wohl bezahlt machen. Undt begehrt die Bürgermeistere sollten zu ihm vor das Thor kommen, wie aber sich selbige dessen verweigert, rucket er seine pistolen scheutzt einen Bürger Christoph Armbrust durch den linken Arm. Über eine Zeit hernacher fallet er mit seiner Parthey allhier in das Feldt raubt Junker Heinrich Keudeln sein pferdt, item noch einem Bürger ein pferdt und ein Kindt, so er auch vor 16 Tahl. wieder lösen müssen; und erkleret sich der Stadt offensichtlichen Feindt, wie er denn mit den Seinen die Jahr hero zu viel malen im Feld eingefallen, Pferd und Viehe geraubt und davon bracht, auch am vorgestrigen Tags den 13. huius mit seinem bey sich habenden reutern in das Holtz beim Keudelstein gesetzt, und als er gesehen, daß zwei Salzfuhren von Allendorf mit Frucht hier aus der Stadt uf Frieda fahren wollen, derselbe oben ufm Eichenberg hinweg und am Dorf Frieda zuvorkommen, als selbe ihrer inne wurden, ihre Pferde ausgespannt und untern an der Werra durch die Frieda ins Dorf setzen wollen, einen Liborygerungsknecht Hans Hilsing genannt vom Pferde geschossen, daß er in der Werra niedergesunken, auch noch nicht wieder funden. Vier selbiger Pferde genommen, damit an der Werra herauf, und alhier im Felde noch drei Pferde vom Zstgl.: Ackerbore, deren eines dem Ambtschultheißen, andere zwey Jakob Hilleman züständig, außm Pflüge genommen, damit sich ihrem alten Brauch undt Gewohnheit nach ine Hildebrandtshausen gesetzt. Undt die Pferde wieder lösen zu geben anmelden lassen. Darauf der Herr Ambtschultheiß

das seinige mit 141/2 Thaler, die Salzfuhrer vonn Allendorf auch zwey für 20 Thaler wieder  gelöset, die anderen zwey aber nicht von sich lassen wollen.

Undt sie  mit sehr schimpflichen Wirten, auch großer betrohung, in beysein des pfarhers undt Herrmöllers vonLengenfeldt undt - viell anderer Eichsfeldischen Underthanen, vernehmen lassen, wie nemlich er sich noch mehr undt also lange nehmen wolte, bis er seine 100 Thaler vor sein pferdt wieder bekehme, erachtete, diese vorbenembte gelder wehren zur Zinse.

Wenn dann genediger Fürst undt Her, dieser Lieutenant Hanns Hesse ietzo in keinen Kriegsdiensten begriffenn sein solle, sondern sich nur des plackens ufin Straßen, mit seinem Anhange befleißigen thuet, wie er von den jenigen marckleuten, so verwichenen Sontag das Heyligenstedtische Jahrmarkt besucht, aus Mühlhausen, Allendorf, Göttigen, Eschwege, undt andere mehr Orten das ihre abgenommen, welchs die Eichsfeldische Obrigkeit, sowohl die Underthanenk nicht allein alles ohngeandet hinpassieren lassen, sondern solche placker noch ufnehmen, hausen, herbrigen und allen Underschleiß geben, undt dan dieser Lieutenannt Hesse, sich in Königshofen, alwo daz Commando verendert worden, ufhalten solle, undt täglichen Uns mehren Überfalls, plünderns undt niederschießens uf der Straßen.“

Ins Keudelsche Gericht gehörte auch Döringsdorf. Dieses kam 1577 durch Heirat einer Keudelin an Asmus von Buttlar, ist aber 1583, soweit das Gehölz „die Ulrichsbirke“ reichet, durch Bischof Wolfgang von Mainz an das Erzstift gekommen, allein die Inhaber der Länderei, jenseits Centsteine gelegen, müssen trotzdem dem Amte Wanfried steuern. Die Ulrichsbirke gehört Mainz, die Geisliethe der Gemeinde. Die Schäferei in Hildebrandshausen haben die Untertanen gehabt, als aber Berld Keudel zu keudelstein einen neuen adeligen Ansitz baute, hat er die Schäferei mit 600 Stück zu diesem Besitze gezogen. Die Keudel wollten das Sperberland in die Wüstung Kupsdorf ziehen (am Sperbergsgraben, früher der Heiligenstädter Patrizierfamilie Sperber gehörig), B. I. B. 105. Die Centsteine, die weit nörlich der jetzigen Hessengrenze, sind nicht aufzufinden. Die Grenze verlief vom Kricksgraben südlich über die sog. Kricke = Grenze (vergl. einkricken = einbiegen).

1328 „der Erzbischof hat in villa Lucenshusen oder Lucenfshusen duo allodia“. Dieses Dorf Luzeifshusen wird nach Vokemal und vor dem wüsten Grabekulla (Kella) aufgezählt. Die zweite Silbe klingt an in Steifensgrund am Westabhange des Hülfensberges.

In Töpfer hatte der Kurfürst ein Gut, dessen Bebauer den Hansteinern dienstpflichtig war, ½ Tag Ohamden hauen mußte. Das Gericht zu Töpfer verlegten die Hansteiner, wie sie vor ihren Vorgängern, denen von Topphere überkommen, 1534 nach Schwobfeldt. Lippold von Hanstein trägt 1534 in sein Besenhäuser Kopialbuch ein: „Kaspar, mein Vater, Siegfried und seine Brüder zu Ershausen, auch Magnus von Hanstein und seine Brüder zu Geismar haben sich vereinigt, das Schepfengericht nach Schwobfeldt zu legen, dieweil den armen Leuten das Gericht zu Gerbershusen weit abgelegen ... und sollen die Dörfer Wiesenfeld, das Lehen (Lehna) Wildebich und Töpphern obgemelt Gericht zu Swopfeld besuchen.“

1318. In villa Vryden hat Mainz Geldzinsen zu vereinnahmen, daselbst auch zwey Mühlstätten, womit die von Keudel belehnt waren, jetzt Keudelswiese. Vryden, oder Oberfriede lag 200 mtr. unterhalb Töpfer, beim sogen. Zehntsteine, oder Geleitsteine.

Das Schloß Greifenstein verpfändet Erzbischof Adolf von Mainz 1461 an Herzog Wilhelm von Sachsen. 1461 ist Hermann Diede zum Fürstenstein dem Heinrich von Hanstein 50 Gulden wegen des Altares in der Kapelle zu Greifenstein schuldig geworden und verspricht Zinsen.

Um 1583 ist das Schloß verlassen. Um jene Zeit halten in Kella die von Eschwege und von Wehren verschiedene Männer in Rüstungen in Diede 16 Mann. 1583 fand eine Auswechselung statt. Das peinliche Gericht wurde nach dem Salbuch in Greifenstein „in der Sponstadt“ abgehalten. „Sickenrode ist eine Wüstung abwesen bei Menschengedenken gebaut,“ heißt es im S. 1600.

„Volkerode haben die von Volkerode halb von Mainz, halb von den Boineburg zu Lehn.“ „Die Untertanen von Volkerode gehen von dem Berge, die Goburg genannt, Zins und Hutgeld, aber keine Lehnware, denn es ist bös verdorben Land und die Hut das beste“.

Schloß Goburg deckt sich etwa mit den jetzigen Gute Goburg auf dem Berge, nordöstlich davon villa Goburg. In Lamberts Annalen 192 heißt es um 1070: „Hace sunt castella, quae rex(Heinrich IV,) extruxit Afenberg (Hafenburg bei Großbodungen), Vocenroth (entweder das spätere Kloster Volkenrode nördlich von Mühlhausen oder Volkerode an der Goburg, oder was wahrscheinlicher, die Wüstung Vocenroth an der Plesse, die von Natur viel fester war als beide Volkenrode. Danach hätte Heinrich IV. den Höhenzug von Keudelskuppe bis zum Konstein befestigt.) Das sind die Burgen, die König Heinrich IV. errichtete, Afenberg und Vocenroth - Volkerode war ein ehemaliges Reichsgut, in seinem Schjlosse ist uns der älteste Fachwerkbau im Amt Bischoffstein, vielleicht im Eichsfelde, erhalten, wie die Jahreszahl 1300 im Gebölk des Hauseinganges beweist. Zwei auf Felsen gesetzte Wehrtürme, der einem mit der Zahl 1567, die Kemme (Kemnate), Zinsturm der andere genannt, schirmen das Schloß nach der Angriffseite. Eine Buckelquader des Zinsturms ist kunstvoll als Lindwurm ausgehauen.  Leider ist die vorgestreckte Kralle abgebrochen. Beide Türme verband, den Burghof einschließend, der „Reisestall“ (Unterkunft für die Pferde der Gäste, Reisigen), der vor einigen Jahren einer Schmiede weichen mußte. Über dem zur Kirche führenden (jetzt zugemauerten) Tore sind zwei Hansteiner Wappensteine mit Helmzier und Halbmonden eingelassen. Ein pflügender Volkenroder hatte wenig Hoffnung geweckt: „Jo, an der Kerchhobsmüren sin en paar ahle Zermonien un am Zinstorm es sö´ne Mißgeburg, sist es hie nischt zu siehn,“ um so eindrucks-

voller wirkte das Bild: Aus der Schmiede dröhnende Hammerschläge zischende Funken, das Feuer der Esse wirft flackernde Lichter durch strömende Regen und dichten Nebel hinaus auf den Burghof mit seinen halbzerfallenen Spitz- und Rundbogen, auf die übertragenden Balken,

Füllhölzer und die nach thüringer Art gekreuzten Streben, übergießt den Lindwurm mit blutrotem Schein, ihn zum Leben weckend und zur Wacht über die anvertrauten Schätze - Siegfriedsstimmung.

„In villa Hesteler besitzt der Bischof tres mansos et de holzmite - 3 Hufen und einen Rodezins - wohl das Gut Hessel. - 1328 hat der Bischof De Lichtenberg desolato - von dem schon wüsten Lichtenberg - einige Abgaben und Rodezins, zwischen Wiesenfeld und Lehna. 1380 b ekennen Tile von Hanstein und seine Brüder, daß sie sich wegen der Schelunge und Zwietracht mit Reinhard Keudel, mit Hermann von Weberstedt und seinen Söhnen, mit Herrn Heinrich von Weberstedt,Pfarrer zu Drefurt, mit dessen Bruder Bruno und deren Schwestern Eilwig und Frauwen Elsen ausgesöhnt, und daß sie Verzicht leisten auf ihre Ansprüche an dem „Aldenstein, Wiesenfeld und an ihren Zubehörungen am Schlosse (Aldenstein oder Lichtenberg?).

1328: De Dorinthal desolato - von dem wüsten Dorenthal hat der Bischof de Holzmite IV moldra avene - 6 Malter Hafer - 700 Schritte südöstlich von Misserode im Tal zwischen dem Ackerberge und dem Roßberge (irrig Rustberg).

1577: Meißerode ist in einer Wüstung, welches die Rudera der Kirche bezeugen, neu erbaut, der Torentalsche Brunnen in Engelhards Wiese. In Meißerode befinden sich keine Meiergüter, nur Christian Wilhelm von Hanstein in Geismar hat einen Mann in Meißerode, an den er Rodeland am Roßberge ausgetan. B.I.B. 161.

1420: wird Apel und Hildebrand von Erershusen mit einem Burlehn auf Schloß Stein und der Wüstung zu Hackenthal, ebenso 1518 Heinrich von Hanstein belehnt. Die Flur des damals wüsten Hackenthal zog sich von der Griesmühle (Rest der Wüstung Unterwilbich) bis zur Tuterbrücke bei Geismar. Das Dorf Hackentail lag am Südfuße des Ibergs im Fackental (verstümmelt) links der Rosoppe bis zur „mageren Sau“ und zur heutigen Hackebrücke. B emerkenswert ist, daß in dieser alten, schon 1420 verlassenen Siedelung der älteste aus der Heidenzeit stammende Flurname sich erhalten hat „die Frajüllenlöcher“, von Frau Holle abgeleitet. 1527: In Wilbich guter Forellenbach der von hanstein, geht unter dem Iberg hin nach der von Hanstein´schen Mühle bis in den Wiesengrund, daselbst sie etliche Forellenteiche haben bis an die Hacketalsche Brücke, sie beanspruchen aber die Fischerei von dieser Brücke bis an das Töpfersche Wehr in Geismarscher Flur hinauf über die Tutbrücke“ (Bisch. I. B. 222). Die Tutenwiesen lagen beiderseits der Rosoppe bis an den Mühlberg und enthalten die Mahlstatt. Die Hackemühle, auch hansteinisch, dürfte auf der Tutewiese gelegen haben, oder mit der Hahnenmühle in Töpfer identisch sein. Um 1830 ging Schloß Geismar, zu dem fast die gesamte Flur der früheren Wüstung Hackethal gehört, um 28000 Thaler von den Hansteinern auf den Urgroßvater des Dekonomierats Lorenz über; die Forellenteiche oberhalb des Wehres derHackebrücke wurden trockengelegt. Kurz zuvor war die gleichfalls Hansteinsche Meierei in Geismar vom Bruder des Käufers erworben. Diese Ländereien lagen meist in dem Mainzer Anteil der Wüstungen Rodichen (Gretchen) und Amscherode.

31/2 Hufen besaß der Stein in Polkendorf oder Bulkendorf südöstlich der Tutebrücke an der Bahn. 1328 Handschrift A Blatt 7a.

Bei Beschreibung der Flur Lengenfeld wird 1577 die Wüstung Luttershufen, der Flur Gr.Bartloff Luttereckshusen  (oberhalb des Dorfes am Westerwald) und der Flur Geismar „Lietershusen“ oder Littrichshusen genannt. 1420 belehnt Erzbischof Konrad von Mainz Helferich von Schwarzberg mit einer Hufe zu Litterichshusen - vielleicht am Liebesiber am Heuberg, der Uransiedelung von Geismar. -

1328 item zu dem Rodichene desolato hat der Bischof 7 Hufen, diese Wüstung „im Rödchen“ oberhalb Geismar am Heiligenberge jetzt in Gretchen verballhornt.

1420 werden die von Ershusen und dann die von Hanstein belehnt mit 1 ½  Hufen in Rudolfeshusen, am Anschein nach dem „Rollsberg“ am Heiligenberg bei Geismar, zu dessen Schloßgut die Länder nach gehören. 1577 wird unter den kurfürstlichen Waldungen aufgeführt das Amsrode, stößt auf dasBulzlebische Tal und auf die Geismarsche Länderei bis an die Entenmühle ... auf die Hecken im Bulzlebischen Grunde zwischen dem Amtsrode und Buchberge. Das Bulzlebische Tal oder Bülzingslebische Tal jetzt Bilstal. 1600: „Am Hamelsrode bei der Entenmühle an Gr.-Bartloff und Effelder stoßend nachher Fahrenriet am Burgwege (Riet und Ulenstein) zu  beiden Seiten ums Haus (Burg Stein) herum bis an den Sperlingsberg (bei Effelder). Der Entenberg und Kopf im Geismarschen Felde ... am Hansteinschen Gewende wird nicht gehegt, sind eitel Stein und Klippen, die Gemeinde Geismar hat darin ihre Hut.“ (Saalbuch S. 574). Das Amtsrode (jetzt Entenberg) gehört zum untergegangenen Dorf Amscherode zwsichen der Entenmühle und der Lutterbrücke und weiter bis zum Friedabache (Hollunderhecke, Mainzer Wiese).

Oberhalb der Entenmühle lag an der Heerstraße ein Siechenhaus (Bisch. I. B. 43) jetzt Herode oder Henrödchen, vielleicht das Überbleibsel des Hofes der johanniter-Ritter in Gr.-Bartloff. Während fast alle umliegenden Berge und Personen benannt sind, Thiobaldsnase (jetzt in Teufeldnase verkehrt) Walperbühl, Sperbersgraben, Bulzlebisches Tal, bildet der Entenberg eine Ausnahme. Da die von Bülzingsleben im 16. Jahrh.auf dem ihnen verpfändeten Bischoffstein saßen, und gleichzeitig sich mit den von Entzenberg in die Burglehen des Scharfensteins bei Beuren teilten, so ist nicht ausgeschlossen, daß sie einmal getauscht und den ihnen zustehenden Amsroder Wald zeitweise den Entzenberg überlassen. Vielleicht war der Berg Stammsitz des weit früher als Zeugen auftretenden Heinrich Enzginbertus, magister fori,

Marktmeister zu Burg Stien. 1269 schenkt nämlich das Cyriakus-Stift zu Eschwege, wie erwähnt, dem Brückenkloster zu Mühlhausen ein Holzgut im Blankentail bei Lengenfeld, Zeugen: dom. Sigfridus pleb. in Eschwege, dem. Hermannus plebanus in Schwebda, Albert Ritter von Schwebda, Sigfridus, pleb. in lapide, Bertoldus dictus Koidel, Conradus Valewe et frater suus Henricus Enzginbertus, magister fori. (Marburger Stadtarchiv). Es sind demnach zwei Pfarrer von Eschwege und Schwebda, zwei Ritter aus Schwebda und vom Stein nur der Pfarrer und Marktmeister zugegen, zweifelhaft bleibt Konrad Valewe.

3 Morgen Land in Flur Lengenfeld „beim Frauenstein“ zinsen der Georgs-Kapelle in Bischoffstein (Saalbuch S. 315). So heißen noch heute Grundstücke am Eingange des Bulschtals links an der Hageliete, wo einst der Stein stand, den um 1884 Pfarrer Großheim von Höppensems in der Keudelsgasse, um 50 Pfennige erstand und in die Kirchhofsmauer einsetzen ließ. Unter dem in frühgotischer Linienführung eingemeißelten Bilde des Gekreuzigten stehen Maria und Johannes, unten rechts und links je ein Wappenschild deuten auf das Grabmal einer Frau. Offenbar ist der Stein ein Fragment, die untere hälfte ist laut Aussage des Zimmermeisters  Busse unter der Diele der alten Schmiede eingemauert. Eine Steinkugel von 60 cm. Durchmesser liegt noch auf dem anstoßenden Gehöfte (Fischer), lag bis etwa 1840 vor dem Frauenstein. Der Sage nach wurde das Fräubchen von England, als es mit drei Kutschen reiste und zur Sicherheit in der unansehnlichsten saß, an dieser Stelle vom Bischoffsteiner Vogt mit selbernem Pfeil getroffen - Faulunger Fassung - nach einer anderen Version bei der unweit gelegenen Hagemühle vom Pferd geschossen und von der Frau Hagenmüller mit dem Waschbrett erschlagen - Wendehäuser Fassung - bezw. mit dem verwundeten Pferde zusammenbrechend, hier eingeholt und niedergemacht. Beim Frauenstein begann der oben erwähnte Burgweg, verlief durch Bulschtal, das Riet (Fahrenriet), Ulenstein (Ulmenstein) im Bogen nach Osten ausholend bis zur Burg Stein.

Im Hessen wird das Fräubchen als Kindermörderin geschildert, in Geismar wird es bei der „halben Frau“ am Wege zur Entenmühle von Pferden gerissen, in Faulungen ist es eine Zella´sche Nonne, die fliehend die Klosterschranne hinabspringt; der Engländer wird in Döringsdorf am Hülfensberge ermordet. Der im ganzen Südeichsfelde und anstoßenden Hessen verbreiteten, allerorts abgetönten Sage muß´ein historischer Kern zugrundeliegen. Man schloß auf den englichen König Richard Löwenherz, der, vom Kaiser geächtet, durch Mitteldeutsch-

land flüchtet, oder auf den Winterkönig Friedrich von der Pfalz, dessen Frau eine engliche Prinzessin war.Mehr Anhaltspunkte finden sich im 9. Jahrh., in dem Engländer, Skandinavier in hiesiger Gegend auftreten. Die auf der Werra und Fulda vordingenden Normannen werden von den Sachsen unter Siegbert VI. und später um 850 von den Sachsen und Bayern geschlagen, zuweilen auch durch Tribut beschwichtigt. Die von Buttlar Schloß Buttlar gebaut und das Flüßchen Alster nach ihrer heimatlichen Alster genannt haben. Buchard von Buttlar habe die Burg Treffurt errichtet und ihn in Erinnerung an seine Abstammung den Naen Normannstein beigelegt. Die von Buttklar (noch anfällig am Fuße des Brandenfels beim Gestüt Altefeld im Ringgau, sich früher von Treffurt schreibend) waren ehedem Herzöge der Normanie. Bualthous war 1. Mundschenk König Heinrichs I. von England, daher „Boeteler“ Kellermeister genannt. (Vergl. D. Krügel, Geschichtliches und Sagenhaftes vom Brandenfels, Verlag Engelhardt-Eisenach.) In jener Zeit waren Zerstörungszüge von Ausländern denkbar, auch bestand vor der Burg Stein eine Wallburganlage das „nyderste Hus“, Bild und Inschrift des Frauensteins sind jedoch aus späterer Zeit. Die Erwähung des Hülfenbergdorfes giebt der Vermutung Raum, einer der vielen zum Stouffenberge pilgernden Seeländer (vielleicht aus dem Engernlande) sei hier ausgeraubt worden. Mit den im 13. und 14. Jahrh. einsetzenden Wallfahrten der Seeländer stände die Grabschrift in Einklang, auch die zahlreichen Wüstungen des Amtes Bischoffstein entstanden in dieser Zeit, ausgeschlossen ist jedoch, daß Ausländer im damaligen Deutschland solche Verheerungen, wie die Sage wahrhaben will, anrichten konnten.

Die staatlich bestellen Denkmalspfleger werden gebeten, gemeinsam mit den Ortsbehörden die zerstreuten Teile des Frauen-Grabmals zu sammeln und an den ursprünglichen, durch Nachgraungen näher zu bestimmenden Standort zurückzuversetzen. Grund und Boden müßten unter staatlichen Schutz gestellt werden.

Am Frauenstein.

Im Westen starrt dunkle Wolkenwand,

Ein Grabmal rages am Wegesrand,

Eine Kugel am Sockel, viel Zentner schwer,

Als wär sie geflogen vom Bischoffstein her

Auf den Frauenstein

am blühenden Rain.


In der Ferne leise es rauscht und klingt,

Wie Wasser, das über das Mühlrad springt,

Auf der Engelswiese Zikadensang,

Vorbei zieht ein Wanderer im raschen Gang,

Hebt zu grüßen die Hand

Sie, die Ruhe dort fand.


In uralten Zeiten von Engelland her

kam ein Fräubchen gefahren über das Meer,

zu rächen den Gatten, den ihr zur Qual

Traf der Bischoffsteiner mit mordendem Stahl,

Setzt´Ramme und Bohr

In Mauer und Tor.


Ausbrachen die Steiner mit Übermacht,

Das Fräubchen flüchtet durch Nebel und Nacht,

Brescht durch der Jungfräulein von Zelle Wald;

Auf der Klosterschranne gähnet ein Spalt,

Das Nomannenroß

bäumt riesengroß


Und springt hinab in den finsteren Schlund,

Reißt am zackigen Felsten die Flanke wund,

Stürmt talwärts weiter durch Lengenfeld,

Da zerbarst das Gekröse, der Renner fällt

Bei der Liete am Hag,

es graute der Tag.


Aus dem Bilstal sprengte der Voigt in Eil

Und legt´auf den Bogen den silbernen Pfeil,

Durch die Brünne drang klirrend das Todesgeschoß,

Das Fräubchen sank neben dem treuen Roß

In den blumigen Klee

Wie ein weidwundes Reh.


Der Grausame band an das Hengstes Schweif

Den Leichnam, zerriß ihn im wilden Schleif

Durch Amscherode bis in die Au,

Von alters geheißen „die halbe Frau“. -

Nun wahre dich Vogt!

Bald verglimmt

auch dein Docht.


Die Knappen stürmten hinauf zum Stein,

Zerbrachen die Feste beim Abendschein,

Begruben die Herrin auf hohem Roß

An sonniger Hald´, wo ihr Herzbluß floß;

Bis zur „Mühle im Hag“

Scholl die Totenklag´.


Von Gattenminne ein hohes Lied

Sang der Grabstein, den aus dem Fels man hieb,

Das schwerste Geschoß, von der Blyde geschnellt,

Den Grabhügel zierte im einsamen Feld. -

Die Wolkenwand sinkt,

Der Abendstern blinkt. -


Nun brauset, ihr Wälder, im nächtlichen Chor!

Der Frauen Sterbelied rauschet empor!

Zur Gruft die Dolden sich neigen im Wind,

Die Friedawellen gleiten geschwind

Und murmeln im Lauf:

Herr! nimm sie auf.


Einen Einblick in die wirtschaftlichen und lehnsrechtlichen Verhältnisse des Amtes um die Zeit seiner Auflösung gewährt uns der von der preußischen Regierung im Jahre 1803 aufgestellte Nutzungs-Anschlagvor dem Herr Pfarrer Göhrig-Bartloff im Magdeburger Staatsarchiv Rep. A. 47 Nr. 2, Blatt 1 - 52 Abschrift nahm, und gütigst zur Verfügung stellte.

Amt Bischoffstein, Gebäude und Stallungen im Viereck, eine Banse, in der 400 Schock Getreide aufgelastet werden können. 7 heizbare Stuben, 4 Kammern, Amts- und Repositenstube, die Gefängnisse, Backhaus, Schäferhaus, Kuhstall für 20 Stück, Pferdestall für 6 Stück. Über den Stallungen sind mit Gips belegte Speicher zur Aufschüttzung des Zinsgetreides. Die Amtsgebäude, 1747 von Grund auf neu errichtet, bilden eine Zierde des ganzen Landes. Im Amtsorte Diedorf das Gericht gehalten aus Holz mit nur einer Stube, in der Gericht gehalten wird und das Brauhaus, beide baufällig, gehören dem Landesherrn und dem Herrn von Harstall gemeinsam, die auch die Baukosten tragen. Die Gemeinde benutzt das Brauhaus. Inventarium: Bei Bischoffstein 1 silberner Kelch mit Patene, 1 tragbarer Altar, 1 altes Meßbuch, 2 schlechte Meßgewänder, 2 massive Leuchter, 2 zinnerne Meßleuchter, 1 Hans- und Beierschelle, 2 hölzerne Handspritzen.

52 Acker Winterfeld, 48 Acker Sommerfeld, 59 Acker Brachfeld zur Bestallung des Beamten, ebenso 191/2 Acker Wiesen, je 1 Acker Obs-, Gemüse- und Hopfengarten. Dazu hatte der Beamte die Benutzung folgender Trift mit 400 Schafen, a) private: Burg- und Schloßberg, über dem Eselsweg bis an den Stocksrasen, den Durchtrieb durch den herrschaftlichen Wald,

b) gemeinsam mit der Gemeinde Lengenfeld dessen Feldmarkt, mit Effelder auf dem Alenstein,

mit Geismar und Bartloff vom Eisensteg bis zum Geismarschen Steinbruch. An Vieh, hielt der Beamte 1803: 4 Pferde, 9 Kühe, 9 Jungvieh, 175 Schafe, 12 Schweine. Aussaat und Acker-

gerät, beim letzten Wechsel 400 Thl. wert, gehört dem Beamten.

1. E i n n a h m e n   aus dem Amte. A) an beständigen Gefällen. 1. von Häusern und Hofstätten 55 Thl., 2. Erbzins von Äckern (schon 1710) 25 Thl. 3. von 13 Ackern Wiese in Lengenfeld 32 Thl. 4. Backhauszins von Diedorf 5 Groschen (gl.), 5. Rodegelder von nicht hufenzählichen, früher wüsten Ländereien, gerechnet nach dem Erbregister von 1766: nämlich

von 427 Äckern in Lengenfeld, 854 in Faulungen, 531 in Bartloff, 160 in Geismar, 103 in Misserode, 129 in Effelder, 359 in Struth, 2 in Krombach, 350 in Kella, 113 in Pfaffschwende,

26 in Sickerode, 117 in Rüstungen. 13 Acker Rodeland, die zum Amtshaus Greifenstein gehö-

ren, zinsen nicht, weil das dortige Cammeralgut in Temporal-Pacht ausgetan worden. 6. Vom Schlachten 4 Thl., seit 1711 nachweisbar und constant für Bartloff, Ershausen, Geismar und Lengenfeld zu je 1 Thl., 7. Zins von Mühlen (Kaufmann Fromm) in der Walkmühle zu Bart-

loff und die Oehlmühle in Sickerode je 1 Florin., 8. Pflugdienstgeld265 Thl., von den Häusern statt der Natural-Frohnden gezahlt, berechnet nach Erbregister von 1766. Die neuerbauten, nicht im Erbregister aufgeführten Häuser zahlten 4 gl., 10. Geld von Bier 20 Thl., (Von den Gemeinden für das Wirtshaus). 11. Schildgerechtigkeiten 3 Thl. haftet auf Häusern, seit 1773 ständig. Prästanten sind Wilhelm Koch in Diedorf und Christian Kitz zu Katharinenberg.

12. Erbpacht von Wiesen 15 Thl., aus Sickerode von 9 ½ Acker gemäß Erbstandsbrief von 1736. 13. von der Scharfrichtung 4 Thl., vom Nachrichter zu Heiligenstadt entrichtet. Als Accidenz erhält der Amtsvogt noch zwei Paar lederne Handschuhe und zwei Roßschweife. 14. Trift- und Weidegeld 159 Thl., schon seit 1707 darf Lengenfeld 400 Schafe treiben und zahlt 40 fl., Faulungen 400 Schafe 10 fl. die von Harstall in Diedorf und Katharinenberg 500 Schafe, 3 fl., Heyerode 200 Schafe 4 fl., Bartloff 400 Schafe 24 fl., Geismar 400 Schafe 16 fl., Misserode 231 Schafe 7 fl., Krombach 234 Schafe 10 fl., Pfaffschwende für die 1616 verkaufe Hütung 400 Schafe 16 fl., Sickerode 200 Schafe 7 fl., Kella 200 Schafe 10 fl., Rüstungen 300 Schafe 12 fl. Der Zins ist auch fällig, wenn die Zahl der Schafe nicht vollständig, für überzäh-

lige Schafe je 2 gl., Lämmer werden im Jahre, in dem sie gefallen, nicht berechnet. 15. Von Ziegelhütten in Lengenfeld 5 Thl. 16. Von Branntweinschank in Ershausen (seit 1711) 1 Thl., 17. Bierzapfenzins in Heyerode 3 Thl. 18. Küchenzinsen 46 Gänse - je 2 gl. , 1102 junge Hahnen - je 1 gl., 15697 Naturallieferung bestehen. 19. Wachszins 11/2 Pfund, (1711) 5 gl., später 12 gl. je Pfund: Summe 1026 Thaler, 16 gl.

B) U n b e s t ä n d i g e   G e f ä l l e :   1. Vom Schlachten 1 Th., 2. Bürger- und Einzugsgeld 2 Thl., zieht ein  Untertan aus einem anderen Amtsbezirk in einen Amtsort, so zahlt er 20 gl., aus einem fremden Lande, so 5 fl., 3. Von Beisassen oder Einmietlingen 149 Thl., von einer einzelnen Person ohne Gerechtigkeitshaus 5 gl., von einem Paar 10 gl. jährlich. 4. Von Zünften und Handwerkern 135 Thl. Zünftig sind im Amte nur die Raschmacher und Maurer, letztere in  Lengenfeld, erstere in Diedorf, Bartloff und Sickerode. Die anderen Handwerker müssen sich zu einer dieser Zünfte halten, a) Jeder Raschmachermeister zahlt dem landesherrn jährlich 3 gl. b) ein meisterssohn zahlt für Gewinnung des Meisterrechts 4 fl., ein Handersfremder 8 fl., wovon die Zunft die Hälfte bekommt. c) an Gesellen- oder Losspreche-Geld zahlt ein Meisters-

sohn 6 gl., ein Fremder 12 gl. d) vom Lehrknabengeld ist der Meistersohn frei, der Fremde zahlt 3 Thl, wovon die Zunft einhalb erhält. Die Maurerzunft zahlt keine Abgabe, nur der Meister für Annahme eines Lehrknaben 1 fl. 5. Nachsteuer oder der 10. Pfennig - 10 Thl. war früher der 3. Pfennig, von denen, die aus dem Lande ziehen. Gänzliche Freizügigkeit ist stipuliert mit Churpfalz, Churtrier, Frankfurt a.M., Würzburg, Deutschorden, Churmainz, Köln, Hochstift Worms, mit Hessen-Kassel von 1724 und Hildesheim. 6. Auszugsgelder 1 Thl. , wenn ein Untertan im Amte umzieht. 7. an Lehengelder, a) von Kauf 1007 Thl., Erblehngelder werden nicht gegeben, von Kaufgeld jedoch 10 % beim Tausch wird nur die Zugabe verlehnrechtet, Schenkungen sind frei. Heyerode zahlt 5 % Kauflehngeld, Döringsdorf 6 2/  %, Soode-Allendorf für gekaufte 8 Acker Döringsdorfer Land seit 1789 alle 20 Jahre 5 fl. b) von Adjudiktationsfällen 33 Thl. 8. Ohmgeld von Wein 7 Thl., der Winausschank steht jedem Gastwirt frei, jetzt wird nur noch in Geismar Wein verschänkt.

Die da so behaglich schlürfend bei dem Weine saßen, 
Entenschnäbel hieß ein Neidling Sie verdientermaßen.

9. Ohmgeld von Bier 22 Thl., 1711 2 gl. von jedem Faß. In Faulungen bezieht die Kirche das Ohmgeld, in Katharinenberg und Diedorf geht der Landesherr mit der Kirche zur Hälfte. In Töpfer und Wilbich erheben die von Hanstein, in Hildebrandshausen die von Pfürdt. 10. Branntweinsblasengeld 40 Thl. Seit 1799 dürfen die Brenner nicht im einzelnen, sondern nur ½ Faß verkaufen. Zur Zeit ist das Branntweinbrennen allgemein untersagt.
 

Drob wie Ferngewittergrollen

Rollt es durch des Amtes Gründe,

Von dem Wolfental zum Wolfstisch

Dräuend aus Rosoppenmünde,

Amtsvogt Kellner, weheleidig,

Läßt die Rosseschweife wallen

Über beide Amtmannsohren

Bis die Donner leis verhallen.

Armer Vogt! - Zur Zinsweinprobe,

Notgereift in Rauhfrostnebeln,

Seht ihn zähneknirschend schreiten,

Lederhandschuh auf den Knebeln.
 

11. Maßgeld von den Früchten 21 Thaler, von den Käufern außer der Kammertaxe mit 1 gl. pro Malter zu entrichten. Dem Amtsvogt ist für jeden Malter Frucht, welcher verkauft oder den Untertanen überlassen wird, 1 gl. als Gehalt bewilligt, der Jahresbetrag wird jedoch wieder in Ausgabe gestellt. 12. An Schildergerechtigkeiten 14 Thl., von 5 Gasthöfen, 3 zu Lengenfeld, 1 zu Geismar und 1 zu Katharinenberg. Ershausen ist diese Abgabe 1784 auf 10 Jahre erlassen. 13. von überzähligen Schafen 6 Thl., 14. von Potasche-Siedereien 1 Thl., ein freies Gewerbe, jeder Reflektant muß sich nur beim Schultheißen melden und jährlich 2 fl. geben. 15. von verkauften Baumaterialien 10 gl. das alte unbrauchbare Material wurde öffentlich verkauft. 16. an Strafgeldern: a) 39 Thl. von Regierungsstrafen. Wird dem Amt die Untersuchung übertragen, so fließen ihm auch die Strafgelder zu. b) Amtsstrafen 16 Thl., die das Amt oder der Amtsrichter diktiert. Sie werden ganz dem Landesherrn berechnet, ebenso die Zollstrafen. c) Hoch- und Rügegerichtsstrafen 1 Thl, d) Zunftstrafen 13 gl der Landesherr 1/2. 17. Siegel-

gelder und Sporteln 159 Thl., 18 Branntweins-Accise 83 Thl., von jeder Branntweinsschenke jährlich3 fl., seit 1799 darf der Ortsschultheiß keine solche halten. Die Zahl ist eingeschränkt

auf folgende: Katharinenberg, Döringsdorf, Misserode und Sickerode je 1, Bartloff, Lengenfeld,Geismar und Ershausen je 3, die übrigen 2. 19. Wachs 18 gl. Summa 1779 Thl.

C)  Z e i t p a c h t .   1. von verliehendem Saitenspiel oder Musikpacht 82 Thl., 1800 wird in Heiligenstadt die Musikaufwartung im Amte auf 6 Jahre verpachtet an Dreiling aus Martin-feld für Musik in Bartloff 9 Thl., an Konrad Stadler für Wilbich, Geismar und Pfaffschwende 23 Thl. (also der höchstbewertete Bezirk im Amte, weil die vierundvierzig Wilbicher Lunte- mannspfeifer Arions Kunst sehr zugetan waren), B. Stadler für Heyerode 5 Thl., Joh. Sieland für Lengenfeld, Faulungen und Sickerode 13 Thl., Leister für Rüstunge, Ershausen und Kella 21 Thl., Chr. Böhme für Crombach, Misserode und Döringsdorf 9 Thl. 2. vom Vieh- und Böl-zenschnitt 4 Thl., verpachtet an Operateur Horch zu Eschwege. 3. für Nachtwachen auf dem Amte 37 Thl., Ablösung, 4. für 2 Paar lederne Handschuhe und 2 Roßschweife 1 Thl. 16 gl. 5. für Benutzung des dem Vogte zustehenden Lengenfelder Fischwassers 1 Thl. 6. Zeitpacht von dem Cameralgut, das zum hause Greifenstein gehört 410 Thl, (von Hansaden Koch aus Bebendorf gepachtet, 1798 - 1810). 7. für kleine Jagd 5 Thl. (diesen Satz berechnet der Beamte für seine Jagd am Schloßberg, in der Ulrichsbirke, in Geismarscher und Döringsdorfr Gemarkung). Allgemein steht dem landeshernn die Jagd im Amt Bischoffstein und Greifenstein und den herrschaftlichen Forsten privative zu, allein die von hanstein haben die Koppeljagd in Wilbicher und Geismarscher Flur, die von Harstall in Diedorf und Katharinenberg ohne Wiederspruch ausgeübt (in der Banerbschaft Treffurt nur wenn die Adligen „Feuer und Rauch“ hielten, also auf ihren Gütern wohnten).

D)   A u s   d e n   F o r s t e n .  a) aus dem Bartlofferwald 893 Thl. b) aus dem Greifensteiner Wald 1232 Thl. (640 Thl. Nutzholz) c) dem Lengenfelder Forst 1133 Thl., d) Ulrichsbirke 241 Thl., e) Heyerode 263 Thl., f) Zehnte für Bauholz aus Diedorfer Gemeindewaltung 1 Thl., Summa: 3772 Thl.

E)   L a n d -   u n d   J u d e n z o l l   1173 Thl., aus den westlichen Amtsorten nur wenige

Thalter, dagegen aus Bartloff 139 Thl., Geismar 115 Thl., Lengenfeld 103 Thl., Diedorf 127 Thl. und Katharinenberg 429 Thl. Die Juden mußten zahlen pro Person 1 gl., pro Pferd 1 gl. pro Pack 6 gl., Übernachtung 5 gl. (so schon 1707). Die Höchtzahl von Katharinenberg erklärt

sich aus der Lage an der Chaussee und der Nähe der Banerbschaft Treffurt, in der kein Jude geduldet wurde.

F)   U e b e r s c h ü s s e   v o m   Z i n s g e t r e i d e   1991 Thl.1 Malter Weißen 6 Thl. 18 gl., Roggen 5 Thl. Gerste 3 Thl., Hafer 2 Thl. 9 gl., 1 Metze Lein 3 gl.

G)   v o m   C a m e r a l - V o r w e r k   beim Amt Bischoffstein, 340 Thl. Summa aller Einnahmen 10901 Thl.

II. A u s g a b e n :   A)  b e s t ä n d i g e   A u s g a b e n .  1. Milde Stiftungen: den Flurreitern bei der zum Hause Greifenstein gewöhnlichen Prozession 12 gl., den Wallfahrtsleuten in der Bittwoche 16 gl., zur Speisung der Geistlichen und Kirchendiener 8 Thl. 8 gl., nämlich am St. Georgstage (Patron des Bischoffsteins) nach der Prozession aus dem herrschaftlichen aerario den Geistlichen ein Mahl gegeben 5 gl., in der Bittwoche vom Amtsvogt die Geistlichen gespeist 5 gl. Seit 1707 den geistlichen Seminaren: den Augustinern in Erfurt 8 gl., den Dominikanern in

Halberstadt, den Minoriten in Fritzlar, den Franziskanern im Lande desgleichen. 2.den Geistlichen und Schulbedienten, dem Pfarrer in Kella an Kaplan-Gebühren 3 Thl. seit 1770. 3. Besoldung der 5 Beamten und 12 Schulzen des Bischoffsteiner Bezirks je 12 gl., den 4 Greifensteiner Schulzen je 20 gl. Summa 191 Thl. 4. kleine Ausgaben: für ein Hochgericht in Bischoffstein 4 fl. 16 gl., in Greifenstein 1 fl. 4 gl.für dasselbe in Geismar in der Gastwirtschaft 16 gl., für den Prokurator Heyland 1 fl. Summa 23 Thl.

B)   a n   u n b e s t ä n d i g e n   A u s g a b e n :  für den Zollbeamten, Speichermiete 5 Thl., Bau- und Reparaturkosten 303 Thl., Feuerversicherung des Bischoffsteins 7600 fl., des Greifensteins 1280 fl. - Die Amtsdörfer sind zu ungemessenen Bau- und Burgfrohnen verbunden, observanzmäßig erhält jeder Untertan an Stelle des ehemaligen Imbisses für Spanndienst 2 gl. Summa 360 Thl.

C)   Z o l l a u s g a b e n :   1. an Tantiemen den Zolleinnehmern in 20 Dörfern (einschließlich der adeligen Grenzdörfer) 88 Thl. 2. an Wegegeld bei Ablieferung der Zollgelder 1 Thl. 22 gl. (der Wehrzöllner Döring zu Lehna bekam 8 gl. statt 2). 3. dem Zollbereiter Hunstock, Gehalt 12 Thl. 4. dem Zöllner Höpfner zu Diedorf für Wohnung 4 Thl. Summa: 105 Thl.

D)   F o r s t a u s g a b e n :  1. Besoldung dem Förser Wehr in Bartloff  107 Thl., dem Förster Claus in Greifenstein 203 Thl. Förster Dunkelberg in Lengenfeld 147 Thl., demselben für Ulrichsbirke 32 Thl.,  Förster Gerhardi in Heyerode 42 Thl.  Summa: 508 Thl.

                                                                                                Ausgaben Summa: 2129 Taler

                                                                                                Einnahmen   „       10901   „

                                                                                                Überschuß:             8772   „

der an die Amtsmeisterei abgeliefert wurde.

C o l l e c t a n e a :   Der Amtsvogt Kellner ist ein Mann, der seinen Posten gewissenhaft und mit Nutzen auch künftig stellen wird, er hat die polizeiliche Oberaufsicht und steht unter der Heiligenstädter Regierung, hat Aucht auf das Wohl, die Sicherheit und den Nahrungsstandt der Untertanen. Der Amtsrichter Löffler führt und entscheidet die Prozesse, der Amtsvogt hat dabei gleiche Reche und ein gleiches Votum, Aktuarius Hildebrand und Amtsiener Grundmann stehen ihnen zur Seite.

Seit 1358 werden kurmainzische Register der Güter geführt. 1583 werden die Grenzstreitigkeiten mit Hessen beigelegt und Döringsdorf durch Kurfürst Wolgang mit Hessen eingetauscht. Ende des 17. Jahrhundertsgeht die Verwaltung des Amtes Greifenstein mit den Dörfern Kella, Pfaffschwende, Rüstungen und Sickerode an den Bischoffstein über.

2. Die Nachfahren der ehemaligen Amtssassen im 19. Jahrhundert

Den Bewohnern dieses Landstriches konnte weder Abstammung, noch Geschichte, noch Klima ein einheitliches Gepräge geben. In die thüringische Urbevölkerung des einst zum thüringer Westergau gerechneten Amtes drängte von der Frieda und dem Hellerbach aufwärts chattischer

Einschlag. Nicht alle Orte kamen gleichzeitig zum Amte; die fuldaischen Diedorf und

Katharinenberg, Teile der ehemaligen Ganerbschaft Treffurt, wurden später angegliedert, 1583

die hessischen Orte Kella, Döringsdorf, Großtöpfer und Rüstungen, endlich 1650 die Greifensteiner Amtsdörfer. Auch die Höhen- oder Tallage blieb nicht ohne Einfluß auf die Charakterbildung. Was hier Jahrhunderte zu Wege gebracht, bedroht die moderne Zeit mit Verflachung und Niederhalten jeder Individualität. Wir müssen deshalb, um den Typ des bodenständigen Südeichsfeldes mit seinen Vorzügen und Schwächen im hessischen oder thüringischen Sprachgebiet, im Tal oder auf der Höhe zu entdecken, ein Menschenalter rückwärts gehen.

Im Garten der Meierei zu Lengenfeld unterm Stein, am wilgen Graben, dort wo aus finsterem Erdgewölbe das eingefangene Mühlwasser glucksend zu Tage drängt, saßen vor 40 Jahren an warmen Sommerabenden

im Ahornstock

im verknorpelten Geäst schlichte Leute der Arbeit, Kinder der Not, Greise und Mänder lauschten des Zerrwanstes melodischen Weisen, den Reden der Alten, den Sagen und Mären. Der Nestor im kreise war das alte Stangenmännchen, uralt, noch aus Mainzer Zeit. Schneeweiß

fielen die langen Haare auf den blauen Kittel. Wuchsen ihm auch die Nägel aus zerrissenen Schuhen, so war sein Geist noch ungebrochen. Wie anschaulich schilderte er die alte Zeit, da noch fast das ganze Tal bis nach Geismar mit Wald bedeckt, da noch unter „dem ahlen Schloß“ die Stadt zum Stein stand mit ihren Markttagen und ihrem Judenviertel. Das Fräubchen von England jagte über den Burgberg, setzte die Klosterschranne hinab, stürmte auf bluttriesendem,

die Eingeweide nachschleppenden Riesenroß, vom Steiner Vogt verfolgt, durch Lengenfeld, trat mmit derselben historischen Sicherheit vor unser Auge, wie etwa der Plünderungszug der 48er nach Kloster Zella, der Überfall des französischen Waffentransports am güldenen Holze am 22. Okt. 1813 (nach der Leipziger Schlacht) durch die Faulunger und Lengenfelder, wovon

noch 2 Trophäen, ein Karabiner und eine Lanze über dem Himmelbett der Mittelmühle hingen. Die Lanzenspitze, aus bestem Stahl, habe ich von dem Müllerssohn im Austauschverfahren gegen eine prachtvolle tote Ratte - „quanzen“ nannten wir das kurz - erworben und noch in Verwahrung.

„Ich wor schon än Borsche, do kam Bischof Martin sin Vater von Geismar rufgezogen. „Meierijs Kunrad“, meh nahnten nit anersch, war hechstens 6 Johre ahlt, aber a klatterte schun dort uf dan scheiben Appelboim zwischen dem Suibestehl- un Gänsehalsboim un hult ene Prergte wie än Pfarr. Wie se´s nun 48 alle in´n Kopp kräggen un derchs Derf zoggen, do gung Heumüllersmertenshenrix bin der Meierij ungers Torbild un rief: „Fräihäit un Gläichhäit, Mäierijsmann, kummt, schnüppt mol,“ do kam Meierijs Kunrad, da war nach Profasser in Bonn, rüs un gung mit dan Mannern in de Schänke, brette en größen Bogen Papier üs und rief:

„Nun mal raus mit euren Forderungen.“ „Me mun frijes Läub ha, Sammen un Striffeln“, das schrebb da henn. „Me wunn frijes Holz ha un ins Holz hiejte, do Obgaben munn ufhere un de Ranten“, un wie ha s´Schriebens schun fertig hotte, rief der ahlte Hansshennersch nach „un de Kletze ä fer imsist“; „Sollt ihr haben“ un ver aller Äuwen siegelte ha ´n Brief zu un schuckte ne an de Regierung, domet hotte de Revolution im Derfe üsgespeelt. Blöß en Paar sin met nach Klöster Zalle gerickt. De Röhrstiehle, die se metgebrocht, lagen nochten im Riesentimpel, un von dan Grabsteinen von Nunnenkerschhobe lag immer uf Kattersch Misten noch einer als Treelstein.“ Der vielseitige aller im Ahorn sich Einfindenden war

d e r   a h l e   A d e n

aus Diedorf stammend, Hentrich, wohlbestallter Kuhknecht auf der Meierei mit 12 Taler Lohn, dem Genannten, 20 Pfennigen wöchentlichem Schnapsgeld und 2 Pfund Wolle. Mit seinem Namensvetter, von dem das Sprüchwort ging „en Paar Waden wie Strüß Aden“ hatte er wenig Gemeinsames. Nach vorn gebeugt ging er gewöhnlich im Selbstgespräch, unterhielt sich mit den Kühen, am liebsten mit dem alten Ajax, dem Hütehund, dem alten Jakob, einem stattlichen Gänserich, der ihm sooft er mit dem Eimer in den Garten ging, schnatternd zur Seite schritt. Spärlich gelbe Haarsträhne tragen, einen Eimer Wasser als Spiegel benutzend, balbierte, so empfanden wir Jungen das Zusehendürfen jedesmal als eine besondere Gunst. Da im ganzen Amte nur ein Arzt war, so übte Adam neben- und ehrenamtlich die Heilkunft aus, verordnete

den Schwindsüchtigen Hundebraten, gegen Nierenleiden Pferdeurin, gegen Gelbsucht Schafläuse, in Mus lebendig mit Todesverachtung zu nehmen. Jede Beratung schloß: „Ich ben mol von Diedorf uffn Katterbark in de Christmette gegenn, do es mich min Harz verfrorn. Do han ich en Egel gefangen, ´s Harz in Dachsfatt geschmort, un Nuiwejohr wor ich werr wie en Ackerchen.“ - Als einmal zwei Husareneinjährige auf der meierei waren, und uns Jungen mit ihren Lackstiefeln und Litzen sowie durch stramme Haltung alle Achtung abgewannen, sodaß wir uns eine Woche nur im Knie durchdrücken übten, verschrieb uns der hilfsbereite Adam „Kreten met Kehmel un Salz innerlich un Mulchfatt äußerlich“ zum Einreiben der Kniekehlen. Zufällig ließ sich in den nächsten Tagen weder Kröte noch Molch sehen - zu ihrem Glücke. Nach jener Christnacht mußte wohl bald Tauwetter eingetreten sein, denn Adam hatte in seinen alten Tagen noch immer ein gutes Herz. Kam Hanzig oder Klarchen aus Wilbich mit der ständigen Bitte: Hud de an ken Schwörtchen? so gab er gern aus seiner Armut, von den Rinden, die er sammelte, von den Borschtäpfeln, die er das ganze Jahr im Bettstroch aufbewahrte, nur vom Kuchen nicht, den er am liebsten angeschimmelt aß. Zur gesamten Currente (der Bettler), die allwöchentlich gemeinsam die Runde machte und dabei in platter Sprache betete, unterhielt er die besten Beziehungen. Auf der Harmonika war er Meister, weniger in der Kochkunst. Denn als er einst einen Hasen geschenkt erhaltn, äußerte er sich später bekümmert: „Geht me jö furt met Hasen. Nit en äinziges Äuwe han ich uf der Soppen gehatt“. Dreimal in seinem Leben ward er vom Mißgeschick verfolgt und mußte deshalb viel Spott über sich ergehen lassen: Das Jauchenfaß war vom Hochwasser weggeschwemmt worden, und alle eilten mit Haken und Stangen in den Garten. Adam, der stets gründlich zu Werke ging, wollte erst eine kleine Schwenkung bachaufwärts machen. Sofort hatte das sein Widersacher erfaßt und rief: „Sinkd wann fließt dann´s Wasser n´Bark nur?“ An dem Abend saß Adam still in der Gesindestube und ließ sich foppen, zahlte es aber später dem Hauptspötter heim: als dieser sich mit einer Magd eingelassen, drehte er Kreuz und Heiligenbilder der Gesindestube um. Das anderemal war ihm der Ochse entlaufen und unterhalb des Schulhauses auf das an den Berg lehnende Stalldach der Pfarrei geraten und eingebrochen. Wie ein Lauffeuer ging es durchs Dorf: „Meierijs Osse sitzt uf´m Pfarr sin Dach“. Ein Schuljunge schlug vor: „Bringt dach do an de Eschen ene Ballinn un zieht n´Offen drane höch.“ Der Flüchtling wurde schließlich durch die Heulucke auf hochgeschichtetes Stroh herabgestoßen. Im dritten Fall spielte Adam ein mehr passive Rolle. Schon öfter hatten die kirchlichen Organe über den Neubau der Kirche beraten; da sollte eine ausgebrochene Panik beschleunigend wirken. Während des Gottesdienstes entstand plötzlich ein Poltern im Turm wie von herabfallenden Brettern. Alles stürmt zum Ausgang. Ein Meßdiener raunt dem Pfarrer zu: „Ehs es en willer Gül in der Kerchen“. Da klirren auch schon die Scheiben. Ein Überängstlicher - Liborius mit Namen, - ist von der Orgeltreppe auf das Fenstergesims gefliegen und hämmert gegen die Scheiben. Nur zwei Männer sind auf der Empore sitzen geblieben, der alte Steinwachs jammerte: „Hatt ich dach ä nit gedocht, daß ich in der Kerchen starbe mitte“, worauf der alte Ziegelbrenner Hildebrand: „S´es dach besser wie im Wertshüse.“ Untern kreischen indes die Frauen, der kupferne Weihkessel wird plattgedrückt, eine Menschenwoge hebt den leichen Adam empor und läßt ihn draußen zur Erde fallen. Langsam erhebt er sich, guckt zuerst zum Turm hinauf und meint: „Do stett jo der Torm nach, ich dochte, ha werr ümgefallen“. Von solchen Ausnahmen abgesehen, trat er meist als aktiver Beobachter der Schwächen seiner Mitmenschen auf: So erzähle er von

E i n e m ,   d e r   n i c h t   l e b e n   u n d   s t e r b e n   k o n n t e :

 „Der ahle Battelmann Jakob in Heyerode war an Enge un schuckte hen, daß s´ Derfgericht kumme sull, ha wulle sin Tastemeint mache.“ „Was?“ sait der Schulze, „da Jockckob, da hett je nüscht“, „was“ sajt der Scheppe „da Jockckob un en Tastemeint?“ dach se gungen hen. „Ich kann nit gelabe un nit gestarbe empfung se der Jakob, „ich ferte, wann ich mo de Üwen zutu,

do krien sich mine drei Jungen, dise Knatzkeppe, in de Hore, un do dochte ich, ich wull dam Alsten Ebberderrle (Ober-Dorla), dam anern Ingerderrle un dam Jingsten Lanele vermache.

Sö, das schriebt hen, das es min letzter Wille, das wull ich üch ze wissen tu.“

F a u l u n g e r   S t r e i c h e   wußte Adam serienweise, gab aber am Schlusse stets der Wahrheit die Ehre: „Un das waren lütter Leegen,“ und daran tat er recht. Nur aus Mißgunst schrieb man jedes unweise Reden und Tun in der Umgegend den jüngsten Siedlern, die sich um 1500 im Steiner Walde mühsam eine Lichtung gerodet hatten, aufs Konto, übertrieb auch arg die Zahl der Zwetschenbäume und der verarbeiteten Musmengen, wenn auch zuzugeben ist, daß in den frischgereuteten Gärten nicht sogleich Gravensteiner und Pfirsiche wachsen konnten.

„Ich gung mol derch des Fülung“, so hob Adam an, „do kam ene Fräube met m Manelholze hinter em Jungen hargeläufen un rief: „Haalt dach mo dan Deibanker uf, so en Spurjes, het me n´ Anfang gefrassen“ (zum Butterrühren). Ene anere Fräube kam uf de Straße gesterzt: „Mine Zeegen het mine Kuh gefrassen“ (einen 100 Mk.-Schein, den Erlös für eine verkaufte Kuh, während des Melkens).


Im Suijnaast (Im Saunest) 

Im Suijnaast hingen im Hennerschtal

En Fielinger hutte sine Dinsekuh

Am Stricke, gewuckelt üm Knebbel un Hahnd,

De Fiesen im Mühl un Schnüppte dozu.

Ene Mäisen piepst´ im Bachollerstock,

Vom Holze har wehte sö mullige Kiehlung,

Ha gückte in de Wulken un dochte bi sich:

S´ es dach nergens schenner wie in der Fühlung.

Uf äimol krächtes de Kuh in n´ Kopp,

Wull sträike un schlug den Schwahnz üm de Oehren,

Räß üs wie Hosenladdr, machtig gelockt

Von em Fald im Tal met Krüt en Mehren.

De Fiesen gung üs, der Schnüpptüwak flog

Mang de freschgeackerten Schulpen un Bänke,

Dach fest hult der Strick, en schockmol gedreht

Uem des schwarzen Fielingers schwarze Gelenke.

Wie Achilles den Haktor üm Iljon geschläift,

So schläift ehren Herten der wille Ranner.

Ha aber krehlt in der Tödesangst:

„Hü, hü! Me sin nach nit üsenanner“.

Sinkdam, wann bim Skat en Jingeling prohlt:

„Nu kriet de ken Stich me, de Manner“,

In Seelenruibe Ficks Anton sait:

„Halt, halt, me sin noch nit üsenanner“.

Der Spitzbube vun Kalle 

Ues dem Tunel im Bulschtale

Kimmt der Zug met Dampgebrüs,

Schnübt entlang dem Tübenzoilche

Wie Gewitterstormgesüs,

Dunnert uf de iser Bricken

Daß se in den Nieten kracht,

Fiest verbi am Warterhischen,

Wö Vettr Nikleis helt de Wacht.

Ues dam Hischen word ne Halle,

Wö der Zug mut hahle still,

Ues dam Rukleis Haltpunksvehrstand

Met am größen Beamtenbrill.

Knippste de Karten, knippste de Fiegel

Vehrstand un Schaffner in enner Parson,

Solz empfung a de Fielinger Liete

In sim Schlos- und Spiesesalon.

Nikleis war ene treue Seele,

Tat kenner Fliegen en Harzeläid,

Ging sö bedüsen, dach ennes Tages Wagg war alle Besunnenhäit.

Schwabde ahnklingelt: „En Spitzbub im Zug,

Werschte un Mustöpp in Kalle stibitzt,“

Ufstülpt verkehrt ha de röte Kappen,

Sö es ha rüs uf´n Bahnstieg geflitzt.

„Saras, dich pack ich am Gnick“, un ha funkelt

Ebberkappsch ebber de Brillen hin

Riest in de Woine mit Dunnerstimme:

„Es dann da Spitzbube von Kalle nit drin?“

Da sprung flink uf der annern Sitten

Rüs un jäckert´ ins Dienbargsholz,

Luß de Lokomotive fiefe,

Aß sine Worscht met Must un met Stolz.

Un de Lengenfaller Jungen

Fräijten sich, daß söen Spaß

War in ehren Derf gelungen,

Dach nit lange dürte das.

Ene Wermtetrane troppte

In dan Fräijdenbacher heiß,

Als es huß, daß üs der Fühlung

Stammt Vetter Nikeleis.


„Der ahle Dachent Spieß wull mol in der Fühlung Täifte, un käiner wußte, wie das Kind haiße sull. Do schuckte ha n´ Vater häiben, ha sulle mol in´n Kalainer gücke, wad hitte fer en Heiliger drinne stinne. Der Fielinger kimmt werr: „Der häilige Fe Uchte We“. „Na“ sait der Dachent, „den Heiligen kenne ich nicht, holt doch mel den Kaleiner her.“ Do stund obgekerzt drin: feuchte W. = Witterung.

„En Fielinger machte ins Feld, ha saß hingen im Dunghortenwainchen, sin Sohn fuhr und jäute ebber alle Schrammstäine, daß der Wäun nur sö hupfte. „Ji Junge, jäckere dach nit wie en Maßter.“ Es half wenneck, un bahle war a werr in ahlen Trabe. „Junge, nu herste aber uf met Jäckern. Wann ich das bi min Vater prabiert hatte so ...“ „Ach, din Vater?“ full am der Junge ins Wort. „Was, ich han en besseren Vater gehatt wie dü.“

„Der Pfarr Größhäim gung mo üs der Fühlung häiben. Bin der Inermillen kam en Junge hinger am har. Ha blebb stenn, der Junge ä. A ging witter un batte sin Brevier. Bin der Sammaßen an der Dracksbricken gückt ha sich üm, do es da Junge immer nach hinger am, bliebt aber werr stenn. Wie der Pfarr bim Marksticke korz ver Lengenfald es, werds am zü buint un ha rieft: Junge, nun komm mal her, was willste denn?“ „De sullt mo bin mine Mutter kumme, se eß sö krank.“ „Warum hast du das nicht eher gesagt?“ „Je ich wulle üch net steere.“

„Die Fielinger kamen mo vum Hülfensbarge met der Prozassion, kehrten zum Drejührensbröte

in der Ebberlainschen Schenke in Lengefald in un stahlten s´ Kritz sölange hinter de Hüsteer uf´n Hackklotz. S´war gut. Wie se fertig woren, wischten se sich de Mustbeerte ob - manche ä nit - stahlten sich drüssen werr uf un gingen häiben. In der Fühlung merkten se ert, daß se ´s

Kritz in der Schenke vergassen hotten. Domet se nun kenmainsche üslache soll, gaben se dam Jungen, da s´werr lange mutte, en Sack mit, un sink dar Ziet häißts immer: „Die Fielinger hun´n lieben Gott im Sacke häibengeträun.“


En spinkscher Nerapp

En Fielinger studierte uf Thejelogie,

Wäil ha gäistlich wull ware, dach word ha´s nie.

Drüm sattelt ha üm, gung häiben bin Mutter

Und ackerte äijte un schnette mit Futter.

Uf jeder Bürenhobereit nunse

Ein kläines Missittenstinnchen hunse;

Met´m Schübkarrn ins Fald das fahre mol wull er,

Schmeß´n laddernen Riemen sich ebber de Schuller,

Do schühlt Napper Jorg üm de Ecksülen rüm:

Siste Fräube! jetzt tit ha de Stola üm“.


Adam wechselte später seine Stelle. Auf dem Kirchgang holt er seine neue Dienstherrin ein, hält sie in seiner Kurzsichtigkeit für seine frühere Arbeitgeberin und klagt ihr sein Leid: „Jo bin üch war das dach en anner Wark. Jetzt, wann der schwarze Fielinger (der 11 uhrzug) kimmt, fangen se ert ahn, an´n Kartüffeln ze knüppern, un üm halbzwelfe sitzen se´n Ries ert an de Soppen, do sall ha nach wäich ware.“

Der ohne verwandschaftlichen Anhang durchs Leben gegangene alte Aden sollte im Tode nicht allein sein. Fast alle Kinder des Dorfes, die ihm so oft zugehört hatten, gaben ihm das letzte Geleite, die Mädchen mit Blumen bekränzt, und Kiebehertensliesbeth pflanzte ihm schluchzend das Wermtenkreuz aufs Grab.

Hatte Adam in seiner Jugend im Schafstalle des Katharinenberger Schlosses in stürmischen Nächten manches „gesehen“, so war ihm in der Wiedergabe von „Wahnergeschichten der alte Mittelmüller weit über. Was in den Freiheitskriegen tief unten in der Oelmühle geschehen und im Gewölbe, durch das man ehemals mit dem Hundewagen fuhr, war gruselig anzuhören. „Min Vater“, so erzählte er uns im Ahornstock, „hatte mol en Mahlborschen üs Babenderf. Einmol wull ha uf´n Hülfenbarg, ging nobts verhar schon furt un schluff bin dam Borschen sin Lieten. Nachts heert ha uf´m Barge singe, stit uf, tit sich ahn un get liese furt. Oeben genn se schun met Prozession üm de Kerchen. Ha get met, se singen ganz fremde Lieder un sin sö vermummt, daß am schüpperig werd. Do schlett de Glocken äine, un uf´n Schlag trippelt der ganze lange Zug nach'm Bäinhüse un es hinger der Teer wagg wie waggeblosen, un min Vater stett mutterseelenalläin uf´m Hülfensbarje. Wie a häiben kom, hotte a schlößwisse Hoore ebber Naacht gekrecht, ich hans gesiehn. Das Bäinhus stund an der Kerchenwand, wö jetzt de Sanktechristäj es. Ich hans nach gekahnt, 1860 hunses obgeressen, wäil de Fichse winternachts sich immer derch die Teer zwengten un de Knochen langten.


Im Beinhaus

             Einst auf dem Hülfensberge

Hoch auf dem Lug-ins-Land                                          Singt hell der Burschen Chor,

Stand eine graue Halle,                                                  Der Nachtwind trägt die Klänge

Lehn an Salvators Wand.                                               Auf Schwingen leis empor.

Drin stand die Totenbahre,                                             Man wettet einen Anker

Des Totengräbers Karst,                                                vom besten Kirmesbier

Drin lag was nicht im Grabe                                           Für den, der einen Knochen

Vermodert und zerbarst                                                 Holt aus dem Beinhaus schier.

Von allen den Entschlafnen                                            Ein Wagehals steigt nächtlich

Im Herrn rings in der Rund,                                           Zum Berg in schnellem Lauf,

Die letzte Ruhe suchten                                                 Tritt in das Beinhaus schaudernd,

Hier auf geweihtem Grund.                                            Nimmt einen Schädel auf.

Nichts störte diesen Frieden                                           Die Tafelrunde preiset

Von früh bis abend spät,                                                Des kühnen Wagemut:

den Frevler hielt in Schranken                                        „Nun Schenk! schlag an den Anker

Des Todes Majestät.                                                      Der Leichentrunk wird gut.“

Nur Fledermäuse flogen                                                Da klopft es an den Laden

Hier ein und aus zur Nacht,                                            Mit dürrer Knochenhand,

Und einsam auf dem Dache                                            Es klirren alle Scheiben

Hielt eine Eule Wacht.                                                   Vorbei war Spiel und Tand.

                                                                                      Da draußen auf der Mauer

                                                                                    - Gewahrt der scheue Blick -

Zu Geismar in der Schenke                                            Hockts wie ein menschlich Wesen.

Heischts: „ Mein Gebein zurück!“                        Und gellend rufts: „Ha schlüge

Da wird es auch dem Kecksten                            Die Glocke jetzt nicht „ein“

Ums Herz wo weh und leid,                                 Zerbräche ich, Verruchter!

Bleich fleht der Missetäter                                   Dir wahrlich Hals und Bein“.

Den Freund an ums Geleit.                                  Da wars, als ob Verzweiflung

Doch jeder zuckt die Achseln:                              Die Kehle ihm umkrallt,

„Du holtest es allein,                                           Fortstürmt er voll Entsetzen

Allein trag auch zu Berge                                    Zu Tale durch den Wald.

Das Totendürrgebein.“                                        verfehlt den Weg, stürzt nieder

So trat denn an der Ärmste                                  Am Bonifatius-Born,

Den bitterbösen Gang:                                        Dort fand man ihn am Morgen,

Des waldes Blätter rauschen                                Verstrickt im Hagedorn.

Wie ferner Grabgesang.                                       Des Fiebers Schauern schütteln

Ein Reh, das aus dem Rinnsal                                         Den Jugendstarken lang,

Des Hülfensbornes leckt,                                     Bis das der Totenengel

Hat flüchtend doch beinahe                                 Ihn holt zum letzten Gang.

Zu Tode ihn erschreckt.                                                 *  *  *

Der Flügelschlag des Habichts,                            An einem Sommerabend

Vom Nachtsitz jäh verscheucht,                           Saß ich beim Sternenglanz

Läßt ihn zusammenfahren,                                   Dort unter der Beinhauslinde,

Ein Nackenschlag ihm deucht.                             Im Wind ächzt ein Totenkranz,

Er klimmt zur Bergeshöhe,                                  Mich umschwirren die Fledermäuse,

Ganz nahe hört er schrein                                    Im Walde die Eulen schrein,

Vom Lindenbaum die Eule,                                 Ein weißer Nebelstreif ziehet

Das Geht durch Mark und Bein.                           Dort über die Gräberreihn;

Jach stößt er auf die Türe                                     Das Beinhaus ist abgebrochen

- Sein Herzschlag setzt fast aus, -                          Bis auf den letzten Stein,

Gestreift hat ihn der Flügel                                  Der Mund, der die Mär mir gekündet

Von einer Fledermaus                                                   Ist selbst nun ein Totengebein.

Er wirft hinein den Schädel,                                 Doch es rauscht noch im Winde die

Dumpf dröhnt es durchs Gemach;                        Und singt noch ihr altes Lied:  [Linde

Da hebt vom hohen Turme                                  Was immer seit Jugendtagen

Die Glocke aus zum Schlag,                                Sie nächtlich sinnet und sieht.

Frijer wohnte der Babenderfer Schullehr alläine uf´m Barge, die hun manches gesiehn. Der ahle Ebbermüllersch Karl (Vogt) es mo vun der Dernsderfer Kermse nachts gekummen, do hun se der 12. Station hinger am gesungen un gebatt, ha denkt, es sin Wall-Liete un get met an bis an de 14. Station, do sin se uf enmol verschwunn. Nachts um Zwelfe ha mo gesiehn, wie ene schwarze Kutschen met vier schwarzen Pfahren drejmol üm de Kerchen fährt. Der ahle Lehrer Kordje üs Hellstaadt kimmt mol spet häiben un sit Licht in der Krechen brenne. A denkt, es sin Spitzbuben un langt nach en Mann üs Babenderf ruf. Wie se ufschließen, brennt ene dicke Wachskerzen, die en Man in Halberstadt uf´m Tötenbette hiehar versprochen, un die se anzesticken vergassen hotten. Se machen´s Licht üs, aber am annern Morgen brennts dach wedder -- bis kenn Stimmelchen me ebberling es.

Ene Wiele wohnte  E s e l p e t e r  met sim Esel alläine öben. Bim Mettelijten kimmt ene grohe Gestalt im grohen Uemschlagtuche, stellt sich mitten ins Tor un gückt´n äistarr ahn. Ha litt üs Angst immer witter bis am´s Wasser vum Koppe träischt. Do kummen de Babenderfer angeläufen, un de grohe Gestalt get werr langsam ins Holz. Bin der 13. Station unger dam größen Stäine litt äiner gebannt in ener Flaschen. Da Patersch, da ne ningebannt het, sall met drissig Johrenschun wisse Horegehatt ha. Sö wie äiner dan Stäin ufhebt, kimmt da Wahnergäist rüs, packt dan Unglicksworm am Schlunge, stickt ne nin un wahnert werr vun frischem.

Unger dar Bricken bin Klöster Zalle litt ä äiner gebannt, Lütterott hat dan Knacht, da dan Stäin ufhebe wull, grad nach zerickgeressen.

En zwelfjahriger Junge het mo morgens an der Tibelsnasen de Kibe gehutt. Uf äinmol fängts unger am an ze singen:

                                          „Zum Gedächtnis seiner Leiden,

                                          Eh sein Herz im Tode brach,

                                          Stiftet Jesus vor dem Scheiden

                                          Seiner Liebe Bund er sprach:

                                          Nehmet meinen Leib und esset,

                                          Nehmt und trinkt mein Blut, vergesset

                                          Meines blutgen Todes nicht

                                          Ich geh für euch ins Gericht“

Ha kunn blöß´n erten Versch üswennek, aber ha hert alle drej Verse, wie se im Gesangbuche stenn, sö klar un dittlich, de Stimme es sö´ zart un wäich un hall un fin, de Hore stenn am ze Barge, ha wall üsresse, kann aber ken Fuß gehebe. Ert nach´m Versch es der Bann gebrochen, un ha läift anne. Wiet un Bräit es kemäinsche ze siehn, kenne Hecken un ken Ochiber, blöß der Bahndamm un ene Telegraphenstangen. Kurz druf kimmt sin Bruder, da in der Kerchen gewahn es, wö se zur salbigten Ziet „Zum Gedächtnis seiner Leiden“ gesungen hotten, ene halbe Stune vun der Tibelsnasen. En halb Johr speter hets der Bahnwarter Miller ä gehört. An dar Stelle sunn se bim Bahnbuiben en Italianer tötgestochen un häimlich bigekratzt ha.

Der nächtliche Reiter

„En Lengefaller Borsche brengt mol en Gäismerschenve5rwags bis an de Lütterbricken. Da Gäismersche get in der starnehallen Summernacht üm 10 Uehr rüm nach 100 Schrete witter, do hert ha vun der „halben Fräube“ har, wö´s Wiebchen vun England vun zwäi Pfahren es üsenanner gedunsen worn, äinen ahngerätten kumme. S´ werd am ganz schwarz vern Äuwen. Der Ritter brühst dühne an am verbi en Hagelwatter bis ebber de Bricken ungefahr. Do tits en Knall wie en Dunnerschlag, un´s Hubisen klappern es wie obgeschnetten. Ha rieft, un als a dann annern met em Schüchzer antworte hert, get ha ruhig häiben, denkt sich witter nischt, als daß da Ritter äinen ze veele getrunken het, es fällt am blöß uf, daß er werr halle werd. S war gut. Korz druf hert ha vun dam Lengefaller, daß es dam ä stockrabenfinster un sö schwiemelig geworrn, daß a ebber en Stäinshäufen gefallen, än Stäin hinger dam tullen Ritter hergeworfen, wäil ha sö barbarsch geprescht hatte, bim Warfen schun hatte´s geknallt, un Gül un Ritter ken Mixchen me getann. Nit wiet devune het der Gäismarsche Altrist Goldmann 25 Jahre verhar Pfingstobd üm 10 Uehr ä en schwarzen Ritter met em pechschwarzen Güle vum Antenbarbe runger kummer sij. Uf 10 Schrete es ha an ehm un sim Bruder ganz stille wie der Töd verbigerätten, sin Bruder het aber nüscht gesiehn.“

In den verschlungenen Aesten des Ahornknorrens verschwand fast

das kleine Kammtippchen

wie der geschickte, sprung- und klettergewandte, aber gaumenverwöhnte Hofjunge allgemein genannt wurde. Von weitem sah er es jedem Huhn an, ob es sich mit dem Gedanken trug, an dem Tage noch ein Ei zu legen, und erhaschte es mit wenigen Sätzen. Wie ein Wiesel lief er über Dachfirst und Hahnhölzer. Gab es Hering, so steckte er Abends den Kopf in die Gesindestube, sagte „töter Häring“ und verschwand. Als sein Freund Thimmschen ihm freudestrahlend berichtete, wie er einem in Millsems Gosse liegenden Betrunkenen einen marinierten

Hering unter der Nase durchgezogen, ward er von einem Schüttelfrost gepackt, und der schwur bei Schingerhans, Spitz´August und Kiebelhans (auch Doktorhans) nie wieder einen Tropfen Schnaps zu kosten, damit ihm nicht ähnliches widerfahre. Sein Liebgericht war Hefentiebchen. Was er davon nicht bewältigen konnte, schloß er in seine Brotlade. „Nachts üm zwelfe“, so erzählte er später treuherzig, „wachte ich uf un krächte sö en hellschen Appetit uf min Heben-

tibchen. Min Brötkasten stund im Hüse, un ich kunn dach de Herrschaft nit ufgewecke. Kenn Äuwe han ich me zugetonn, aber wie üm vier Ühr s Hüs ufging, ich nin.“ Etwas später findet ihn die mags schon hefentiebchenkauend auf dem Tränkstein sitzen. Was immer er vorbrachte, Eßbares war darin erwoben. Er wußte genau, wieviel Genanntes jeder Knecht im weitem Umkreise bezog. „Fraßwieschen hets Genahnte von ihrem Bruder üs Klöster Zalle gelangt un ungerwags 12 Kase un en Tippen voll Fett ningedampt. Wie´s dann en Wettmann frijte, do hun se sövele gespuhlt un in der Schenke gebichelt, daß es ene Schlägerij gegann, un der Britejam sine Gäste alle üs der Schenke gewichst het, wöbi de Brüt, die sich derzwischen sticke wull, ä en Paar met abgekrecht. S Fraßwieschen het nochten an der Schulecken gestenn un gehielt, bis sine Mutter gekummen es, üms zu tresten: „Dü dummes Tippen, was es an do ze hielen, söne Sorten Liete wie me krien ehre Schläge immer, sick nur zefrehden, dü hest dach wennstens en Mann.“

S ahle Bundramchen ufm Gückseräin kann ä gedichte. Wie´s der ahle Dachent Spieß mol gefrogt het: Dortlieschen, wo willste denn hin? hets gesait:

„Ins Backs
dicker Lax.“

K i e b e h e r t e n s l i s b e t h   un sin Bruder Chrischtoppel kunn sich verr drej Tage saatgegasse, wann se´s hun. Wie am nochten der Kopp brummte, gungs bin Millersch Michel un jammerte: Ach dü min Kopp, min Kopp. Un mine Zegen het sich bim Schrötsüffen sö im

Tippen festgeklemmt, daß ich ar das scheene Wäichkochtippchen am Koppe kapüttschloh mutte. Michel, wäißt dü an nüscht fer mine Kppschmerzen? or kannst de mich dann ken annern Kopp ufgesitze? Jo, un das Tippen hotte sö ne scheene Zäiten.“ Michel schlug am ver, ha wulls tötschieße, do herten de Schmerzen im Koppe uf. Das war Lisbeth zufrehden. H stahte´s öben uf´n Mist, langte de Flinten un sait: „Jetzt zehle ich bis drei, do winkte Lisbeth: „Michel, worte mol, ich muß dach ert unse Krischtoppel mol froge,“ un wie der Blitz äs es zum Tore nüs, un´s Koppweh war wag. „Ji Lisbeth“ han ichs mol gefrot, „vrüm hest dann eigentlich nit gefrijt?“ „Jo´“ sait es, „ich dochte je ämol drane, wie Prinzhanschen mol sait: Lisbeth, dü hest je zü scheene röte Backelchen“, un wie Hafranz sirr mo hinger mich hargückte, do hotte ich gerade en nuiwen Kopplappen uf.“

Sáhle   E w e l i e s e   in der Käidelsgassen hingen buck´s beste Bröt. Wie ich mo herte, daß es ingesiert hotte un der Weckebacker üm sachser ümgeh wull üms Backen anzesagen, wäil käine ene Ühr hotte, schlech ich mich üm dreje Nachts unger sin Fanster un rief: „Eweliese Tääg mache.“ Wie´s nochten derhinger kam, hets gemäint: Das es dach dar Däibel von Kammtippchen gewahn.“

Seinen besonderen Ehrgeiz setzte er in die Bezwingung der höchsten Bäume. Aus dem Gipfel einer Riesentanne des Kälberberges rief er prahlend herab: „Ich kann n größen Chrischstoppel von Kassel gesieh“, worauf der „röte Peter“ ihm aus einem tieferen Baumwipfel antwortete:

„Un ich kann n´kläinen Chrischtoppel von Lengenfald gesieh“, so stand er im Kirchenbuch verzeichnet. Sämtliche Obstbäume der Flur gehörten ihm, wenigstens beanspruchte er ein

gewisses Nutzungsrecht zur Zeit der Ernte. So saß er eines heißen Sommertages schwelgend auf den Kirchen des Entenberges. Klarchen von Vilbich humpelte mühsam des Weges. Da, ein langgezogener Mark und Bein durchdringender Katzenschrei. Klarchen wendet sich entsetzt zur Flucht: „en willer Kater, en willer Kater“. Die Bettelbrotbrocken fliegen aus dem auf- und abwippenden Korbe. Sonder Gewissenspein liest´s Kammtippchen die besten Brocken auf als willkommene Zukost zu den wässerigen Molkenkirchen, und so gierig war der Einschlag in ein festtes Stück „Hochstenkuchen“, daß ihm der Sahnenbrei von beiden Ohrläppchen herabtropfte.Bei all diesen Hochgenüssen blieb „sinn fkäinen Schwinsäibelchen“ ein fernauftauchender Grünrock nocht verborgen und mit gewandtem Schwunge erklomm er den dichtbelaubtesten Kirchbaum. Von jeher war er den Grüngekleideten nicht grün gewesen, und

als er in dem Näherkommenden den Bischofsteiner Förster Schimpke erkannte, der ihm weiland einen funkelneuen „Grasebittel“ abgenommen, da wetterleuchtete es in seinem kirschsaftgeröteten Angesichte, und die breiten, in malmende Bewegung sich setzenden Kiefern verrieten das Racheknirschen des inneren Menschen. Dreißig Schritte war der Schreitende vorüber, da durchschnitt der schrille, krächzende Ruf des Eichelhähers die Luft. Der Jäger schnellte zurück, das Gewehr schußbereit, absuchend Baum um Baum, umsonst. Nach 50 Schritten ein Katzenschrei, so markant und weltschmerzklagend, wie ihn der älteste Hainzemann nicht ausdrucksvoller zustande bringt. Wieder reißt der Jägersmann sein Schieß-

gewehr herunter, spürt straßauf, straßab; der „wille Kater“ liegt bäuchlings auf dem dicken Ast wie die Wucherung eines Ballwespenstiches; sein strohgelbes Haar und seine verwitterte, aus hundert Sackflicken kombinierte jacke heben sich kaum von der rissigen Borke ab. Im kritischen Augenblick öffnet er schon den Kirchenmund, um sein Inkognito zu lüften, doch vor Schreck bleibt der Ton in der Kehle sitzen. Da wirkt der Grüne mißmutig die Flinte über die Schultern und zieht kopfschüttelnd, leise Jägerflüche murmelnd ab. Kaum ist er außer Schußweite, da ist auch der Schrecken des Todes us des Katers geschmiedigen Gliedern gewichen, und nun schmettert dieser fünf kurze, kakadenartige abfallende Entenschreie dem Abziehenden nach; der läuft einige Schritte zurück, wie ratlos hin und wieder dreht seine Flinte dreimal um ihre Axe. Enten au den Kirchbäumen? Hier ist´s nicht geheuer, ob wohl doch der alte Entenbergsmann umgeht, wie der Zehnackersmann überm Nußgrunde? Seit diesem Tage wurde er abergläubisch, wenn er es nicht schon war, und während er zwischen dem Amscherode und der Mainzerwiese hindurch dem Tanzborn zustrebt,

Horch! vom Entenberge Stimmen:

Von dem wilden Hainzemann,

Dann in zwangesloser Folge

Häherruf, in kurzer Spanne

Eines Entrichs lustig Quaken,

Winselnd klagen wie vom Hunde,

Dem der Dachs mit scharfer Pranke

Schlug im Bergwald wehe Wunde.

Solche Geschichten weckten allerlei Erinnerungen bei den Zaungästen und sonstigen Hospitanten, die dann nicht umhinkonnten, auch aus ihrem Schatze der Erfahrungen beizusteu-ern:

„Innahmersch Leppöldchen lug im Ormenhüse. Der Kaplan besuchte en un ließ sich in de Hahnd versprache, ken Schnaps werr zu tringen. Um annern Tagge ist der Kaplan, wie de Butaljen üs Leppöldchen sim Bettströh rüsschühlt. „Aber Leopold, was sehe ich da?“ „Ich wull me blöß mol n´ Kopp met Schnaps inriebe.“

„Sés mol en Dachent gestorben. Der nachfolgende Pfarr richt sich en Badestobben in met ener Badewannen. Das wall dar frijeren Hüshahlerschen gar nit gefalle, un se mäint: „Der ohle Dachent het sich im Laben nit gebadd un äs 80 Johre olt geworrn .“

„En Junge mit der Quintanermitzen sitzt ver der Mittelmillen un gückt n´Schwalben zu. Der ahle Gemäindediener un Postbote Unres wall üsschalle. „Dü, kläiner Stüdeinte! Was stett am ingerschten Hüse“ (Ottens)? Da Stüdeinte wäiß es nit. „Ji Rüppersch Hüs“ (das zweite). Dach das full nur de Inläitung si. „Dü wit dach en Stüdeinte si, wie häißt dann dis Wort?“ „Die Aborte sollen desinficiert werden.“ „Was? desinfexiert?“ „nein, desinficiert.“ „Also desinficiert“ un das Wort fer sich hen preselnd get ha witter un schallt. Do gückt Satlers Barchen üs dam nachsten Fanster: „Anres, was gits dann?“ „De sullt de Sch...hiser räinemache.“ Das verflixte Wort hotte da do schon werr vergassen. „Dach daß ichs nit vergasse, hie, Barchen, han ich ä ne Postkarten fer dich, s´ahle Jüdenjettchen üs m´Hessen het werr geschrebben, ehs wall Booren ha.“ Damit stampfte er weiter, um die nächste Karte zu studieren „Jo Jo, s´Jettchen, Jettchen üs Zierenberg.“

Stolz waren wir Lengenfelder Jungen auf unseren Lehre Diete, den beliebtesten Mann im Dorfe, der mit wahrhaft trockenem Humor alle ergötzte, ohne selbst je mitzulachen: Nach einer Treibjagd in Geismar schoß er an der Lutterbrücke eine zahme Ente für seine stets leere Speisekammer. Der Besitzer und Bahnhofsvorsteher von Geismar sandte ihm einen eingeschriebenen Brief , sich unverzüglich mit ihm abzufinden, widrigenfalls ... Diete antwortete durch Postkarte: „Setzen sie gefl. Ihren Enten ein rotes Käppchen auf, dann werde ich sie erkennen und respektieren.“ Auch sein Jagdhund hungerte getreulich mit und schlug sich so durch, wußte stets, wo im Dorfe geschlachtet wurde. Revidierte einst in Geismar, während sein Herr beim Jagdtrunk saß, die Küche. Atemlos stürzt die Wirtin ins Gastzimmer: „Herr Lehr! Uer Hünd het mich en ganzes Stück Botter gefrassen.“ Diete, ehrlich bestürzt, versetzt: „S´wird ihm doch wohl nichts schaden?“ Die Wirtin steht starr, weicht zurück, tritt änglich zögernd näher: „Herr lehr! maint de an ehren?“

Diete war kein Unmensch und folgte gern der Einladung seiner Freunde zum Picknick. W. Lorenz und J. Stuhlfuß verstauten Bratwürste und alten Korn in ihre Schnappsäcke. Diese sollte nur das Fettpapier und Streichhölzer stellen. Auf dem Gaiberich wurde ein Feuer entzündet. Schon begannen die in Fettpapir fest eingewickelten Würstchen zu schmoren, und verheißende Düfte zogen durch den hohen Tann, da sprang Diete schreckensbleich auf und rief: „Der Ferschter, der Ferschter,“ und suchte in mächtigen Sätzen das Weite. Hinter einem dichten Busch warf er sich nieder und während die Freunde den Dünberg hinablauften, kehrte er zum Feuer zurück und verzehrte ohne Konkurrenz das leckere Mahl, vergaß auch nicht das Sorgenbrechers. Ob er diesesmal gelacht, ist nicht anzunehmen. Nie erzählte er von seinen Tanten oder von Scherzen fremder Kreszenz, ganz wie Hermann Iseke.

Sorglosen Faden spannen Diete die Parzen, hätten ihn doch sorgloser von der Spule ablaufen lassen, wären nicht die Revisionen gewesen. Solchen abhold, suchte er sich durch ausgesandte Späher vor Überraschungen zu sichern; schickte Horchposten an die Hagemühle. Kam dann des Kreises Schulinspektor Regent angefahren, so wütete die Diphterie im Orte. Bewog diese noch nicht zur Umkehr, so waren Typhus- und nötigenfalls Cholerabazillen gefunden. Schwieriger gestaltete sich die Abwehr, nachdem Lengenfeld Haltestellte geworden. Ein zur Aufklärung vorgeschobene Junge sah dort den Schulrat Sachse mit vollgepfropfter Mappe aussteigen, lief wie ein Feuerläufer den Kirchberg hinab und rief dem am Schulfenster stehenden Lehrer von weitem entgegen: „Ha äs es, ha äs es.“ Das Unglück wollte, daß der Schulrat auf dem Fuße folgte und das Warnungssignal hörte. Der Vorgesetzte war ohnedies nicht rosiger Laune. Diete nahm sein Mahl in der Schenke und hatte einem Juden, der ihn für den Wirt gehalten, die Kuh des Schenken verkauft, und nun bestand Shylok auf seinem Scheine. Die Prüfung in der Bibel klappte nicht. Die längere Standrede empfand er mehr zeitausfüllend als unangenehm und erwiderte erst nach Eintritt der Ebbe: „Die Bibelstunde giebt ja Stuhlfuß. Der Schulrat schlug nun einen väterlichen Ton an, riet zur Ehe, die allein ihn noch retten könne, pries auch die Vorzüge zweier Bauerntöchter aus K. Todernst entgegnete der Ermahnte: „Ich kann sie doch nicht alle beide heiraten.“ - 

Seinem Freund Wehr schrieb er: „Welcher Unterschied ist zwischen dem Propheten Elias und Dir? Das rätst du nicht, darum sage ich es: Elias fuhr in den Himmel und ließ des Elisäus seinen Mantel zurück. Du fuhrst nach Berlin und nahms meinen Überzieher mit und vergaßest, ihn zurückzusenden.“

Male, eines kaiserlichen Beamten Töchterlein, fuhr einen Reiseonkel zum Bahnhof Geismar. Der Wageninsasse sah ständig nach der Uhr und drängte auf schnellere Fahrt. Doch Male ließ sich nicht aus dem Tempo bringen: „Me wujje wö henkumme.“ Einen Staatsbürger, der die kaiserlichen Dienste zur Unzeit in Anspruch nehmen wollte, warf Male das Fenster vor der Nase zu: „Ae grade gekratscht kumme, Kuh kalbt.“ Männiglich kannte diese Sprüche, nur die Nächstbeteiligten nicht. Das kam Diete gelegen. Nach der Generalprobe „Rosa´s von Tannenburg“ redete er dem mitspielenden Bruder von Male zu, an Stelle des langweiligen Hochdeutsch einige Lengenfelder Brocken mit einzuschmuggeln z.B. „Me wujje wö henkumme, Herr Ritter,“ oder beim Auftreten des Köhlers: „A gerade gekratscht kumme, Kuh kalbt“, Males Bruder erntete nicht endenwollenden Beifall und hielt sich für einen guten Schauspieler. Regisseur Diete stand indes, seinen Schnurrbart zwirbelnd, im Hintergrunde der Bühne. Nur einen Augenblick huschte es wie fernes Wetterleuchten über seine sonst undurchdringlichen Züge. Diete blieb Humorist bis an sein Junggesellenende. Er ging nach Heiligenstadt, klopfte an die Klosterpforte und fragte: „Kann ich hier sterben?“ An seinem vorletzten Lebenstage besuchte ihn Stuhlfuß. Gerade verließ Pater Adolf Schirdewan das Zimmer. Der Kranke wies mit dem Daumen über die Schulter: „Hast´n denn gesehen? Hat mir eben die Hufeisen abgerissen.“

Nicht allen eschichten schenkten wir Jungen gleiche Beachtung. Lieber fliegen wir dann unter Kammtippchens Führung auf die Kriechenbäume, um die Reise der Früchte nicht zu verpassen. Der lustige Sitz gewährte uns Einblick in die Kontraste des Lebens; dort hinter der „Horwand“ in unverhängter dielenloser Stube auf einer Strohschütte der schwindflüchtige alte Korbmacher, auf seinem Hofe neben „dan Knüppeln“ wird gerade unter Adams Anleitung ein Hund geschlachtet, und jubelnd hallt es herüber: „En Hämmel un en Falk,“ - hier im Garten Lebenslust und allerlei Kurzweil, der Ziehwanst tönt, und Alt und Jung singt melancholische Lieder:


„An der Weichsel fern im Osten

Stand ein Füsilier auf Posten ...“

„Bei Waterloo stand eine Eiche,

Darunter ich so oft gerastet hab, gerastet hab ...“

„Im Frühjahr ists auf den Alpen so herrlich, so schön ...“

„Wie die Blümlein draußen zittern

In der Abendlüfte Wehn ...“

„Mägdlein hielt Tag und Nacht

Einsam bei dem Spinnrad Wacht ...“

„Wo´s Dörflein dort zu Ende geht,

Das Mühlenrad am Bach sich dreht,

Dort steht im duftgen Blütenstrauß

Ein Hüttlein klein, mein Vaterhaus ...“

„Schlohkuchenhanschen, Schlohkuchenhans

Riesenshölzchen, Riesenshölzchen, Riesensholz

Noebelhanschen, Nobelhans

Stangens Wainchen, Stangenswoin

Lühnhanschen, Lühnhanshans ...“

An Urwüchsigkeit übertraf unbestritten alle Vetter Torhans aus Effelder. War die Schafwäsche unten im Heller und die Schafschur am Schinneeren beendigt, dann saßen wir auf dem Futterstein des Pferdestalles, und in das anheimelnd mahlende Geräusch der treffenden Tiere schlug die stahlharte Höhenstimme des Johannes Thor wie Schmiedehammerschlag. Bei den Kraftstellen (Billardspielen, Ufraaken, Zumhiebausholen des Effelderischen Schmiedes, Sauhieb) griff er zum Tränkstutz, Schnutzmesser, „Sellschied oder Lissenstetzel“ und begleitete die Rede mit so naturgetreuen Bewegungen, daß wir uns oft ducken und in die Heubucht flüchten mußten.

D e r   S c h l a p p h a n j e s m a n n

oder Torhans Reise nach Chemnitz.

„Sö en Mahnel Johre hotte ich schon fer en Wabefabrikanten in Chemnitz gewabt, do war ha mol hie, aß´s Frijsticke mit me un sait: Vetter Thor, wud de mich an nit ä mol besiche? Ich war nach nit uf der isenbahn gefahren, wäil ich ar nit truibte und forte, so  schmesse mol üm, aber das kunn nüscht gehalfe, und am 1. Oktober 1877 fuhr ich lös, von Gäismer ob, wö ich nach was obzeläbbern hotte. Grietchen, was mine Fräube es, brochte mich verwags. Bin Nebbel un Nacht gungen me anne, ich´n Stock in der hahnd, s´ korze Pfifchen angestuckt, ees n´ Korb ufgehuckt, ich säit nüscht, ees säit do kimmt en größer Karrl üs´m Holze met em korzen Frack, zwei Riehen größe Knippe, groben Hosen, en Schlapphut ufm Koppe, get uf en Paar Schrete an uns verbi werr zur Holzecken nin. Ich sait nüscht, ees sait nüscht, bis me ans Bischoffsteiner Schloß kamen. Se lütten gerade Mette in Lengenfald. „Grietchen“ sait ich, „hesten an gesiehn?“ „Wahn dann?“ „Dan Karrl?“ „Nä.“ Ich erzohlte´s amd do mäinte ees: „Das es witter keiner wie der Schlapphanjesmann gewahn.“ „Jo“ sait ich“ „do öben ufm Borgbarge äs es nit richtig. Uf Waldmannchenstag (2. Januar) trappste ich mol im schuchhöchen Schnee de Schneisen am Alstäinswage entlang. Do äs es, als ob der Bese derch de Bäme brüst, ert en Windstöß, dann en Huinespektakel in der Luft un hingerhar nach sö n kläiner Klaffer, ich loße mich traffe, wenn das s´ Waldmannchen nit salber gewahn es.“ Me gungen witter n2 Eselswag nunger, ich sait nüscht, ees sait nüscht. In Geismar wull ich verm Instiehen ert mol gücke, ab se de Rädder ä orndlich geschmeert hotten, glich petzte mich en Bahnkarrl an. - Gritchen hielte: „Wann dü glicklich werr kimmst, loße ich ä en Amt met Damp hahle.“ In Chemnitz wußte ich ken Beschäid. Wie ich in der Dammerung uf der Straße steh un ebberläge: Geste nach hen oder nit? läift mich en Karrl ebbern Wag met em Hals wie en Ungersch Schwien. „Wö kann me dann hie gelaschiere?“ „Wieviel wollen Sie denn anlegen?“ „Nit ze billig un nit ze tier.“ „Dann gehen Sie mal da hinein.“

Ich gücke me s´ Hüs ert ahn, Fanster, gresser wie derhäiben mine Hüsteer. In der Teer stet en Karrl met´m Hahndtuche ufm Ormen balwiert sö blank, wie me in Affaller blöß Viet  un esterliche Ziet un frot: „Wud de an nin, or wude rüs?“ „Nin wall ich,“ do schupste ha mich nin. Wie  ich nin kam, lossen en Paar met langen Steckckern ün en grienen Tisch rüm machten immer: piek, piek. Ich saß mich hen un bestahlte en Ormesdicker. „Meinen sie einen Aromatik?“ 

„Das es mich ganz äinjal, wie de das nennt, wanns nur schmeckt.“ von dam velen Schetteln uf der Isenbahn mutte min Mäun ganz lerk geworn si, un als ich sok, daß de annern verm assen immer ert uf en Buchdeckel gückten, rief ich: „Brengt mich dach ä mol sö en Kaleiner.“ Do war alles latainisch druf geschrebben, ich kunns nit gelase, blß hinger ener Rieh stund 25 Pfennige. Do druf weß ich metm Finger: „Brengt mich mol en Bischen vun das. Und was krächt ich? - Katüffelsalat. Ich aßene nin und weß uf ene annere Rieh wö 30 Pfennige hingerstund: „Nun brengt mich mol en Bischen von das“, un was krächte ich? Grienen Salat.

Ich aßen nin, hotte abber noch Barenhunger. Ich ben en guter Karrl, abber do war ich bese un rief: „Hud de an ken Fläisch?“ „Wollen sie warm oder kalt speisen?“ „Nit ze warm un nit ze kahlt.“ Währenddam hupsten de Berschterschen immer nach wie de Ackermannerschen (Bachstelzen) üm ehren grienen Tisch. Ich machte me mine Gedanken: Wann de mol en Tag hinger der Äiden mang n´ Affallerschen Klumpen rümstulpere mittet, do süll üch wöhl der Schnipp genummen ware uns ´s Pieken vergeh. Gerade suibelte ich am Knochen un wull de letzte Gabbel vull nungerkuibe, do strahlte sich sö en Schwulskopp fer mich hen un frohte: „Haben Sie denn gut gespeist?“ „Verstett sich,“ sait ich „dach dö en Hamsterlingchen wie de frasse ich nach zum Nachtbröt.“ Do kräite ha en Kopp wie ene Schlohmatzen, zauk ob hinger sin grienen Tisch ün machte en Gesicht wie en Frosch, da üs Versiehen uf de Schippen gehupst es. Endlich kunn ich mich saat gegasse un dochte, do kannste schenne bezahle. - „Nun wiest me mol min Bett.“ Da Karrl met´m Hahndtuche ufm Buckel ver mich wag, 4 Treppen höch, immer höcher, wie derhäiben uf der Hinnerdäisen. Das gitt morgen ene scheene Schmere. Wie ich mich ins Bett schmeß, gungs klunk, klunk, wars bett musikalisch. O weh, morgen frih, Torhans zicks Bleschen. Eberm Bette brahnt en narrsches Licht. Ich wulls üsblose un blus un blus, aber s´ tots nit. Hatte ich nur min Bister metgebrocht. Na, nun kannste ä gebrenne bis Nimmerchenstag. Gerade unger mim Schloffanster herte ich se nach immer de Küllen welzere. Ich dochte: de Schofskeppe un schluf in. Un was mutte ich n´annern Morgen bezahle? - En Taler und vier gute Groschen. Ich fung min Wabeherrn glicklich. Ert verföhrte ha sich, kräite sich abber dach un luß uftofel. Se machten ene komische Asserij. De Mäud met em wissen Kappchen uf wie en Tübennahst, dorfte sich nit mol met an´n Tisch sitze, de Fräube war ganz scharmant, abber henn mit acht Kartüffel, ich raakte se mich uf un sock, wie se sich anschühlten. „Das es nach gar nüscht,“ gab ich an ze verstenn, „bin uns derhäiben kimmt glich de Sißen ufn Tisch, me scheeln sölänge Kartüffel, bis ich se masse, un sö lange wich ich nach met ´m Ormen ebberwagg gerecke kann, gets nach.“ Das hotte de Mäud met gehert un lachte blöß sö en Kreemchen, do machte ar de Fräube ene Lücken (von Lugen) zu, daß ich dochte, Spaßß kunn die Staatliete ä ken Fitzchen versteh. Als ich mich nun en gehüfften Taller vull Must ufraakte, wull mich da Mann veralbere: „So was habt ihr wohl noch nie gegessen? das ist Fischlaich, Kaviar.“ „Brücht me nüscht verzemachen, sö was assen me in Affaller alle Tage.“

Der Wien schmachte gut, eber die Gläs-ser, die Glässer me kun se nit ruhig angepacke. De wißt, vum Schofschnieden, von der Schofscherren sin mine Hänge en bischen üsenander getrebben, ´s erte Glas war glich kapüt, uns s´ zwäite hatte ich bale met ungergeschluckt. Es saß nach äiner met öbenan, es mutte wöhl en größes Tier si: En Hahndtuch hotte ha sich ümgeknippelt, wie derhäiben de kläinen Knegel ehre Säiberlatzerchen, sö ungefahr, (dabei holte er ein Pferde-Kumtkissen vom Haken und hing es sich um); in der ganzen Walt war ha schun gewahn, es floß am nur sö zu un lief am ob wie Schmahndbröt; mich ließ ha gar nit zu Worte kumme, ha preselte wie en Gorentippen un wie ene Suibeseeden: „Da schoß ich in Tirol auf einem Anieber auf fünfzig Gänge einen Latschenbock.“

„Was,“ rief ich dermang, „salber Latschenbock, en Bock kimmt dach nit uf Lotschen. In Affaller hun me ä sö en Nimrod, Hasenbarthel wull intzuinerd uf en Kichewe-ij schieße un traf Schmeds Jerge sin Zejenbock in de Reben.“

Alle waren mieschenstille und kräitn röte Keppe. Do han ich nüscht werr gesäit, ich dochte abber: nu kunnt de üch üren Spass salber gemache, met üch wull ich ä Assen uns Trinke, dann Strofe muß si, schnallte min Riemen en Loch witter un nahm me nachmol von dam Mus; das schmaachte wie Hanneck. Hebentiepchen, Kalünn, Krappel und Kachelkuchen mit gewärmtem Schmaand es nüscht dogagen. Dach da Nomrod hotte´s an dam Tag uf mich obgesiehn. Ha gückte sö artlich ebber mich war un storgte met der Fräuwe immer blöß von der Madamme im Rosenhag, von der Madunna met der Wickenbliete. Worte! Prebestchen , dochte ich, ich ga de nach äine ebbers Tampermaint, daß din Leegenmül ufsteh bliebt, un wie mich der Hüsherr frote: „De sieht je nach sö jung üs, wann sied de an geboren? Do gung ich ins Gescherr: „War an? ich? Uf Matthstag met n´ täiken Beeren (Matthäus, 21. September), dar Klingelmatths,

was unser Gemäindediener wa, fiert Matthstag met n´ Fickeln (Matthias, 24. Februar), wann de Lichtmaßfickel weenig waren. - Dise Nacht hot ich en Träum, un do träimte ich, ich fuhr ebber de Lengefaller Isenbahnbricken, uf emol gings „klunk“, do war der Zug entgläist, ich scheeste met ungennüs, plumpste uf wie en Sack un war töt. Min erter Gedanke war: s´ kann nüscht gehalfe, in n´ Hämmel mußte; ich rappelte mich uf un krappelte nan bis an de Hämmelsteer, packte se zu, immer uff un zu, witter gar nüscht, do kam Petrus un ranzte mich an: „Witte an rin or witte rüs?“ Do gung ich nin, un wann Thorhans ert im Hämmel es, bränt ne ken Täibel werr rüs; blöß äins wull Petrus nach von me wisse: „Heste an ä kene Jagdleegen gemacht?“ „Do kut de üch druf verlooße, milatig nit, un Wickenblieten han ich nit mol im Träume abgeroppt.“ Wie ich ufwache, lieh ich hie in ürem spassigen Wärtshüse un hotte en Loch in das Musikalische Bett gerammelt, daß am de Musike veerläisig vergung. - Sö, nun wißt de alle, wie de´s anfange mut, wann de mol in n´ Hämmel wult.“ Von do ob war Thorhans werr öben uf; da Lotschenbockjäger s0ß do wie en zesammengeküllerter Igel, wann ehn der Huind anbillt ungückt an der Nasen runger wie ene Blinnschläichen.

Ha brochte mich an de Bahn, wie ich in´n Zug gekummen, wäiß ich nit, uf äinmol stund der Schlapphanjesmann met sin größen Knippen ver mich, hotte sin Schlapphut vull Must un stoppten mich immer mang des Zeene, hinger am kam Waldmannchen ahngerätten, sine Huine klafften un porzelten derchenanner, en kläiner Ami war am schlemmsten, krabbelte me immer mang n´ Fißen rüm, un wie ich am gerade en Treet gah wall, do wache ich uf, unger me krischt s´ Schrübzick, ver me stet en Isenbahnkarrl, ich gücke zum Fanster nüs gerade uf´n Ibarg bi Hellstaat, do war ich derch Läinefalle dergefahren. Ich rüs, ebbern Ibarg wag häiben. Un werr der Schlapphanjesmann nit gewahn un s´ Waldmannchen nit met sin Huinen, un hatt ich dan Ibarg nit gesiehn, so werr ich bis nach Frankräich ningesemmst.

Die Schlapphanjesbuche

Bei Effelder auf windiger Höhe

Am schützenden Waldessaum

Ragt eine gigantische Buche,

Der Alte Schlapphanjesbaum.

Was jagt da auf Sturmesrossen

Vom Alstein herüber so fahl?

Hinab in der Buche Krone

Fährt schmetternd der Wetterstrahl,

Zersplittert den Stamm bis zum Grunde,

Ihn weihend dem sicheren Tod,

Doch ehe du, Waldriesin,

In die Blümlein so weiß und rot

Hinsinkest zum Modern und Sterben

Dem jungen Geschlechte nach sag,

Was du sahest seit uralten Tagen

Hier oben im lichten Hag.

Hechts Aden

Und ein Raunen ging durch die Blätter:

„In goldener Jugendzeit

Des Weges oft zogen zwei Hünen

Im zerzausten Lederkleid,

Den Schnappsak am Wehrgehänge,

Geschultert das Rohr und den Spieß,

Hechts Aden, der aus Effelder,

Der aus Büttstedt Bratsch Nickel hieß.

Mit Falkenaugen sie spähten

Vom Walperbühl in den Grund

Und schlugen bei Kloster Zella

Den reisigen Krämer wund.

Mit reichlicher Beute beladen

Sah vor Tag ich sie heimwärts ziehn,

Vernahm ihre Spottgesänge,

Nachhallend im Waldesgrün.

Bis endlich schlug ihre Stunde

Beim schimmernden Mondschein

Auf dem Alfeld, wo friedlich pferchte

Der Schäfer vom Bischoffstein.

Kaum war die Hürde erstiegen,

Da sprengte vom nahen Wald

Ein Fähnlein der stein´schen Reiter

Hervor aus dem Hinterhalt.

Jetzt gab es ein wildes Jagen,

Vorüber hier brauste die Flucht,

Bis das harte, blutige Ringen

Verstummt „in der Habezucht“.

Hechts Aden riß an den Fesseln,

Bratsch Nikel sich krümmt´ wie ein Wurm,

Doch vorwärts stieß man die Schächer

 und Legte sie in den Turm.

Im Bilstal am Quell bei der Linde

Hielt der Burgvogt notpeinlich Gericht,

Und „schuldig“ sprachen die Schöffen,

„An den Strang“ der Gerichtsherr spricht.

Der Schmied von Effelder

Mit Regenschauern und Schloßen

Sank früh schon die Nacht herein,

Das Heulen des Sturms übertönte

Die Eulen am Alenstein.

Da ward es rege im Walde

Am Bischoffstein vor dem Tor,

Es steigt über Graben und Mauer

Und Hammerschlag dröhnt an das Ohr:

Es hämmert der Schmied von Effelder

Mit der Sippe des Adam Hecht,

Mit sehnigen schwieligen Fäusten

Zerbricht er das Gattergeflecht

Und läßt hinunter sich gleiten

Ins schaurige Burgverließ.

Die Kettenringe und Klose

Zerschlägt er wie Wegekies

Und eilet mit den Gefangenen

Hinaus in den dunklen Wald

Als erwacht auf dem Bergfried der Wächter,

Von ferne das Trutzlied schallt:

Ihr bautet wohl Galgen und Rad,

Doch für uns sind sie nicht gebawt,

Zum Rabenaas sind  wir zu gut

Meister Hämmerlein, sei auf der Hut.“

Da bewert der Bischoffsteiner

und setzt einen Brandbrief auf

Nach Büttstedt und nach Effelder:

„Mit dreier Tage Verlauf

Schafft tot ihr oder lebendig

Die Räuberzu meiner Hand,

Ansonsten ich an vier Enden

Die Dörfer stecke in Brand.“

Anhub ein großes Trauern

In dem Gemeinderat.

Wer wagt sich an Hechts Aden,

Vollbringt die befreiende Tat?

Der haust in der Felsenhütte

Gar sicher am Kirchhofsrand,

Im unterirdischen Gange

Er spurlos immer verschwand.

Aus seiner Räuberhöhle

Nur die Lift ihn locken kann:

Das Nothorn gellt durch Effelder:

„Feindio! Gesindet zieht an .“

Es strömen zusammen die Mannen,

Zur Kirche wogt es empor,

Da kam auch fehdebegierig

Hechts Aden mit seinem Rohr.

Herab von der Kirchhofsmauer

Der Schmied seinen Hammer schwingt,

Zerschmettert den Schädel des Riesen,

der jählings zu Boden sinkt.

„Ha! habt ihr mich doch überlistet,

Bratsch Nickel wird Rächer sein.

Du Schmied, sollst zwiefach es büßen:“

Da fallen vielstimmig sie ein:

„Mitschuldig, schuldig wir alle,

Du Schmied, habe guten Mut,“

Und hundert Hände tauchen

In das rinnende rauchende Blut.

Das Grab im Walde

Am Malbaum erwartet die Leiche

Der Ritter vom Bischoffstein.

Noch seh ich sein Stahlhelm funkeln

Im strahlenden Sonnenschein,

Noch seh ich den Streithengst steigen,

Noch hör ich das höhnende Wort:

„Im Bolstal flogen die Raben

Mir krächzend vom Galgen fort,

Sie witterten wohl die Ase

Von Hechts Adens freidigem Mund,

Drum nehmet ihn zurück und begrabet

Den Rammssack auf eigenem Grund,“

Un weil in geweihter Erde

Dem Verfemten die Ruhstatt versagt,

So zogen sie querfeldüber

Hierher in die Waldesnacht.

Dort unten an meinem Stamme

Sie schaufelten tief ein Grab

Und senkten den Vogelfreien

Unter düsterem Schweigen hinab.

Auf ein einsames Grab im Walde

Sah herab ich so manchen Tag,

Nur der Schmied kam zuweilen gegangen

Und kniete hier nieder im Hag.

Ganz leise seufzte der Starke,

Der Harte flehte so zart,

Und manche blinkende Träne

Rann über den rußigen Bart.

Sonst schien der Tote vergessen

Von der Menschen kurzleb´gem Geschlecht,

Da hab ich in Obhut genommen

Den Hügel von Adam Hecht:

Alljährlich aus grünem Maien

Ein neues Dach ich ihm gab,

Allherbstlich aus goldenen Blättern

Einen Kranz ich ihm streute aufs Grab.

Und nächtlich in meinen Zweigen

Sang der Sturmwind das Totenlied,

Der Waldkauz das Miserere

Vom Knickstock da draußen am „Riet“.

Wie hab ich´s verwirkt, daß die Menschen

Seitdem meiden mich friedlichen Baum,

Mit scheuen Blicken mich messen,

Am Abend mich fliehen voll Graun,

Als griff eine Faust in den Nacken

Als müßten sie schleppen so schwer?

Warum wurde der tote Aden

Zum Schlepphans mit Jagdrohr und Speer?

Wars etwa das böse Gewissen

Der Frevler am Holz und im Feld?

Draun! Wanderer, wandelst du schuldlos,

Schlaf ruhig in meinem Gezelt.

Der Schlapphanjesmann, dess´ bin ich Zeuge,

Stieg niemals aus kühler Gruft;

Wen der Schmied von Effelder gedengelt,

Schläft bis die Posaune ruft.“

Fern läutet die Abendglocke,

Die Buche erschauert und schweigt,

Ich schnelle aus schwellendem Grase,

Aus den Tälern der Nebel steigt.

Ein Igel raschelt im Laube,

Als talwärts tastet der Fuß.

Rotkelchen singet dem Schlehdorn

Den letzten Scheidegruß.

Die Mondsichel stand schon am Himmel,

Zu leuchten auf nächtlichem Gang;

Zu umweben mit linden Strahlen

Der Schlapphanjesbuchen-Gesang.


Kratschbartels Matths

Wie idyllisch wars dach zu Urians Zieten,

Die Affallerschen gingen nach nit met Hieten,

Hieß äiner Matthias, sö nahnten se ´n Matths

Wohnt äiner im Eckhüs, sö wohnt he im Latz.

Un schrebb me „Herrn Dreßler“ samt Stroße und Nummer,

Da blinne Posthenriks ha fungene kummer,

Da schrebb me bl0ß „Latzer“ ohne Herrn un Gemach,

Da blinne Posthenriks ha fungene dach.

Wanns Kermse war, huiben se sich Knüllen und Striemen,

Dobi saßen se uf die friedlichsten Mienen,

War äiner abber sö atzlich und kiem

Un schlug dam annern sin Suibeschwien,

Nach Dingelstedt lussen se stracks ins Gerichte, -

Allewiele beginnt ert de wohre Geschichte:

Der Latzer brochte dan Kratschbartels Matths

Wagen Kerperverletzung zum Anklageplatz.

Im schwarzen Talar schrett der Richter zum Sitz,

„Zur Sache nun sprechen Sie Angeklagter.“

Dar langte tief Oddem, dann langsam sagt er:

„Herr Amtsrichter, denkt üch mol in aller Ruij,

Ich werr der Matths un de werrt die Suij.

Do stund ich inzuinert im Hobe am Zühn,

Angebrühst kimmt dam Latzer sin Suibeschwien

Un semmst schuh! schuh! wie ene Raketen

Derch mine Licken, ich nahm de Staketen

Und wammste ar äine ebbers Kritz,

Daß se quiekste un sprung wie en Dunnerblitz.“

„Genug,“ sprach der Kadi, „es ist zu sagen:

Der Matths hat vorsätzlich die Sau geschlagen.

Für jenen Vergleich ich bestens danke,

Nun vergleichet auch euch, laß ab von dem Zanke.“

Derchs raachte un linke Hosenbäin

Bim Mondschien trappsten die Rammssäcke häim.

„Nun sin me wie errgaster genuibe sö schluibe,

Der Matths het schläun de Fickelsuibe.

Un da hungrige Schrieber mit sim Barett

Het dan Matths nach geschrebben am Enge met Zed

Und machte dobi zü n´ verflahmtes Gesichte,

Milatig geh ich nit werr ins Gerichte.“


Originale gediehen im verflossenen Jahrhundert nicht nur an der oberen Frieda und ihren Nebenbörnern, auch an ihrem Unterlauf, an der Rosoppe, dem Wildenbache, dem Wiesenbache.


Geismar: Landwirte sitzen beim Festessen und preisen die Vorzüge ihrer Maschinen. Da erhebt sich Plonhans in seiner ganzen Größe und streckt die Bärenhand aus gegen den Sohn:

„Do sitzt mine Seemaschine.“ - Der Bruder der „Seemaschine“ war vor allem auf ausgiebigen Schlag bedacht:

„Wann ich zwelf Stuine geschlofen han, kann ich nit me geschlofe,“ sowie auf kräftige Kost und war deshalb wenig erbaut von dem großen Bienenstand des Vaters: „Do sall me immer Hanneck asse, Beenen hun kene Schinken“ Anstatt zu pflügen, legte er sich aufs Land. Sein Vater kommt: „Albert, dü ahler Trantelsack, heste an na nit üsgeschlofen? Worte, wann ich met der Rieten kumme. Ich warr mol rümackere.“ Er zieht einige Furchen: „Ji Albert, dü Schlofratz, stick dach uf, der Gül trett je uf dich.“ Mürrisch und gähnend springt Albert auf: „Kunnt je üm mich rümgeackere.“ Böttnersch Adam zum Ortspfarrer: „Herr Pfarr, es git allerläi Lidden: Da äine es en Pfahrenarr, da annere en Tübennarr, un de sid en Blumen - en Blumenfrind.“

Zu seinem Sohne: „Frijsticke muß me, als wann me n´ ganzen Tag nüscht werr zu assen krächte, bim Mättäusbröte muß me tu, als wann me nit gefrijstickt hatte, un wann me ´s Nobts nach mol orndlich veerläist, nochten kann me ´s üsgehahle.

Salzhänschen fühlte zuweilen bei der Erinnerung an dem weiland getriebenen Salzschmuggel über die Hessengrenze ein Brennen und wurde, vom Löschgange spät heimkehrend von der Hauswirtin mit „Süffschlapps“ angeredet: „Wann ich en Süffsack ben, bist dü en Fraßsack, en Süffsack es err saat ze machen, wie en Fraßsack, en Fraßsack es err saat zu machen wie en Süffsack.“

„Du Salzhans,“ rief da eine klare Heldentenorstimme aus des Nachbars Schiebefenster, „was treibst du da in nachtschlafender Zeit? „Es irrt der Mensch solang er strebt,“ kannst dich wohl nicht in dein Zigarrenkästchen hineinfinden? „Mein schönes Fräulein, darfs ichs wagen, Ihnen Arm und Geleite anzutragen?“ Du Salzhans, altes Schnapsfaß, warte, ich werde gleich meine Hose anziehen.“ Der den nächtlichen Theaterfaden weiterspinnende Nachbar ward gemeiniglich nur Ständerhänschen genannt, und sooft er auch seine abendlichen Freivorstellungen gab, stets hatte er eine volle Straße. Kaum aber hatte er sich in die nötige Begeisterung hineingeredet, so erschien auch die Dorfjugend und bewarf sein kahles, glänzendes Haupt in Ermangelung von Lorbeerkränzen mit Erdklößen u.ä. Belesen in allen Klassikern stachelte er wie einer der homerischen Helden vor dem männermordenden Zweikampf den Gegner mit hohnvoller Rede zur höchsten Streitkluft an: „Ich schlage euch, daß ihr in keinen Sarg paßt, ihr Rotzlöffel, ich hänge eure Gedärme meterweise auf ´m Staket auf.“ Nach einem möglichst schwermütig gesungenen Eingangsliede, wie „Am Brunnen vor dem Tore“ begann er mit einer Rede an das Volk, um dann zu intern häuslichen Vorführungen überzuleiten: „Da hat mir der Theologe A. H. ein Buch geliehen, das ist von Schiller, die unglückliche Königin Maria Stuart, ich würde euch davon einiges erzählen, aber ihr Töffels, versteht das doch nicht, ferner Julius Cäsar von Scheckspiere, ihr würdet natürlich lesen Scheakespeare, das war ein Kerl, der ging nicht wie ihr übern großen Zeh, warum ist die Jugend heute so entartet? Dem Jvolke muß der Alkohol entzogen werden. 30 Jahre habe ich in Berlin gearbeitet, in der Kadettenanstalt von Lichternfelde; mit Moltke, Bismarck und Roon habe ich mich geduzt, das waren Kadetten, und ihr? Kerls wie ein Pfund Wurscht, wenn ihr einen Korb flechten sollt, muß man euch erst lernen die Weiden dazu zu stehlen, un du, meine Tochter Liese, du bis ein geborener Spitzbube, seht da kommt sie aus der Welt nach Hause, modern frisiert, duftet nach Ottekologne und paßt nicht mal in den Kuhstallt. Und du altes Geschleuder von Schwiegermutter, scher dich nach Wilbich, wo du hergekommen, und wenn du dein ganzes Mobiliar wieder mitnimmst, eine Brautfuhr wirds nicht geben. An deiner alten wackeligen Komode rennen sich die Mäuse nur die Hüftknochen wund. Ich bin Herr im Hause.“ Zum Schluß stellte er sich in die Haustür, strählte zur Abkühlung seinen roten Kaiserwilhelmbart und sang Mignons Lied mit Gefühl: „Kennst du das Land, wie die Zitronen blühen“ oder Karfners Lied: „Wer nie sein Brot mit Tränen aß“. Die hochdeutsche Sprache und das umfangreiche literarische Wissen waren die einzige Mitgift seiner Berliner Zeit. Niemand im Dorfe wagte es, mit ihm anzubinden, und als ein weit hinter dem Militärmaß zurückgebliebener Student ihn schroff anzufahren versuchte, versetzte ihm der Berliner Eichsfelder mit unnachahmlicher Geste: „Mich reizt deine schöne Gestalt“ (Faust), machte eine stramme Wendung nach links und ließ den Verblüfften stehen.

In der Öffentlichkeit sprach er stets hochdeutlich, nur im allerengsten Familienkreise entschlüpfte ihm zuweilen in einer atavistischen Anwandlung ein Eichsfelder Ausdruck, so z. B. wenn die vielköpfige, anscheinend auf eine einzige Lagerstatt angewiesene Familie spät abends um die besten Nachtstellen stritt, das schneidende Machtwort: „Der Mann geheert vorne hen“.

Pfaffschwende: Schübkarrens Jerge hatte viele Zwetschenbäume, auch viele Kinder, sodaß die Spötter zu sagen pflegten: Bi Jerge kommt saft jedes Johr en Kind ahn un im Herbst nach sö ´n kläiner Quatschenfrasser. Die Kinder wuchsen heran, da kommt „Mistpfittschens Anrebs“ aus dem Nachbardorfe „uf de Frijate,“ tritt ein und sagt guten Abend, hilft eine Stunde Zwetschenneifeln, tut seinen Mund abermals auf: „Üre Quatschen genn abber nit gut vom Karren,“ sagt 2 Stunden gar nichts und schließlich „gutenobt zusammen“. Die Braut bekam er nicht, aber einen besseren Namen:

Zum Glück sich kehrt´ das Leid,

Er trug es gern,

Von da ab hieß er nur

Der Quetschenkern.

Rüstungen: Vater schickt den Michel ins Feld zum Steinelesen. nach einer Stunde kehrt Michel mit einer Sießen voll Steine wieder: „Vater, wö sall ich dann de Stäine häntu?“ Demzufolge läßt der Vater ihn studieren, vielleicht daß er den Stein der Weisen fände.


Siebertsburg am Lehne.

Nach Tepper pritscht´

En Stierendricker,

Schwubs: huß da schunt

Der Schismatickcker.

Schwick still.

En Idyll.

Am Rustebarg uf ener Hoberäit

War Musterkärmße ver ahlen Zieten

De Fräube im Hüse wor wiet un bräit

Als gizzig bekahnt bin allen Lieten.

De Quatschen waren in diesem Johr

Nit blöß in der Fühlung, im Röhrchen geroten

Ü am Brink man flissig rierte und schmor,

Ließ de Mustekricken tahnzen nach Noten.

Un als de Kricken stund sturrestief

Im Kessel, do gung es ans Scheppen un Kratzen,

De Räbbster dampten am Ardbodden tief,

Üm dan häißen Brij schlächen un schnurrten de katzen.

Do kam de Gevattern üs Gänsetich

Zum Besiechen un langte de Fräuw üs der Kichen,

Das merkten de Fickel uf´m Hobe glich,

Üm geschwind derch de uffene Teer zu schlichen.

Wie der Tübensteeßer de Tüben steßt,

Sö fullen se har ebber Taller un Tippen,

Wie von junguf geweent, met´n Fießen zeerst,

Met´n Schniestchen donoch, lüt schmatzten de Lippen.

Hinzukimmt de Fräuwe, stet do wie Lots Wieb

Zur Sühlen erstarrt, dach dürt das nit lange,

Grifft am Hingerbäine de Kichendieb´,

Dann blöß üm dan tieren Must äs ar bange,

Un stricht un striffelt dan kustbaren Saft

Von dan quickenden Risseln un zappelnden Föten

Un werft ne met Schwung un met Mannerkraft

In de Räbbster, denkt, nun äs se üs allen Nöten

Do gückt der Schafer zum Fanster rin:

„Dis Johr aß ich abber ken Must, Dunnerwißchen!“

Beschwichtigend mahnt de Gebieterin:

„Schwick stille, sast Fatt ha, dü Schmickeschniestchen.“


Martinfeld: Der alte Pfarrer (Gassmann) ist krank und sein Kaplan (Nöring) vertritt ihn. Bei der Abfahrt nach Bernterode tritt ein alter Schebenkrämer an den Wagenschlag: „Herr Kaplan, nu hut de je alles alläine ufgehuckt, hie ungen un dö öben bi dan Barntreder Kanülchenschlachter. Halt nur´s Szapter fest, sö ene junge Kraft uf´m Prergestuhl es dach en ganz anner Wark.“ Sprachs und ging stracks ins Pfarrhaus: „Wie getts an met ürer Gesuindhäit, Herr Pfarr.“ „Nächsten Sonntag denke ich wieder zu amtieren.“ „Das fräit uns abber Herr Pfarr, un das wall ich üch sage: Es gett dach nüscht ebber en Ahlen uf der Kanzel.“

Ershausen:Des Schmiedes Peterchen bestellt beim Schneider einen Anzug für Weißen Sonntag. „Peterchen,“ sagt Meister Zwirn, gerade han ich fer Vetter Löranz en Rock ahngemassen, geht dach mal zu am, ab ha nit zericktrate wull.“ Vetter Löranz, sagt: „Gits nit,“ und wieder kommt Peterchen: „Vetter Löranz, min Vater het gesait, ha wull üch ä mol en Gül imsist beschloh.“ „was, fer imsist“ ganz ferimmesist?“ „Junge, loß din Rock mache.“

Mariwalper und Annkatterliese, 80-jährig, schwerhörig sitzen hinter dem Ofen: Mariwalper will eine Unterhaltung anspinnen: „Heste an schon gehört, se hun de Mustbeeren verkäuft.“ - „Ha?“

- „Se hun de Mustbeeren verkäuft.“ - „Ich kann dich net versteh.“ - lauter: „Se hun de Mustbeeren verkäuft.“ - „Söö.“ Mariwalper: „Se hun 25 Silbergroschen fergekrächt.“ - „Ha?“ lauter: „Se hun 25 Silbergroschen fergekrächt.“ „Ich kann dich nit versteh.“ noch lauter: „Se hun 25 Silbergroschen fergekrächt.“ - „Wö feer dann?“ - „Ich sprache de ä nüscht werr.“ - In alten Zeiten gab es noch keine Freizügigkeit, und Zugezogene konnten nur durch Gemeinderatsbeschluß aufgenommen werden. Waren da zwei Gebrüder, etwas klein von Gestalt, aus dem Fuldaischen angekommen. Der Rat hält Sitzung. Die Ansichten sind noch geteilt. Da ruft ein ureingesessener Ershäuser: „Nun spracht mol, was summe an eigentlich met sö em Knatzzigg mache?“

Misserode: Ein Schloßherr führte eine Gattin heim aus Sems Stamme. Dorannliese bittet um etwas Mittagssuppe. Die Schloßherrin bedauert, daß nichts übriggeblieben, ihr Topf sei nicht so groß wie dorfüblich. Das wurmte Dorannliese sehr, und als sie die Gutsherrschaft anderen Tages an ihrer Hütte vorüberfahren sieht, eilt sie mit hochgeschwungenem Topfe an den Wagenschlag: „Da dü ahles Jüdenschicksel, wit dü an unse Kochtippen mol sieh? Mäint de an ehren, me werrn von sö ener Fraßort wie de?“ -

Ershäuser hatten einen Sohn,

In früher Jugend trank er schon.

Doch besser trinkt es sich zu zwein,

Dacht er und lud den Gastfreund ein.

Drei Tage saßen sie bei Ständer.

Weil Regen, Sturm stand im Kalender.

Bei Hebentiebchen und Sauerkohl

Schwur man am vierten sich „Lebewohl“

Endgültig und ging zum Scheidetrunk

Zur Brauerei Ständer - nur auf´n Sprung.

Doch Hebentiebchen und Sauerkohl

Wie Ostwinde hagern die Leber hohl.

Geh´ einer von Ingwer und Kachelkuchen,

Wenn im Butterweckwalde die Eulen schuchen.

Am anderen Morgen vor Tau und Tag

Ruft des Sohnes Vater ins Schlafgemach:

„Bist der Auter, sag an, äs an s´ Jeckchen furt?“

Das Jeckchen umkrampft´ den Matratzengurt,

Kroch unter die Decke, litt Tatarusschmach,

Zog ab wie der Ratz vom Taubenschlag.

Wachstedt: Fiefejöseppchen, 15 Jahre alt, geht mit „am Falle Hanschen“ und Dickjöseppsmichel nach Magdeburg auf die zuckerfabrik, da packt ihn das Heimweh mit unwiderstehlicher Gewalt. Eisenbahnen gab es noch nicht,un sö fleht er seine landsleute an: „Brängt mich dach blöß bis an de Dingelstedter Holzecken, nochten wall ich mich schon alläine finge.“

Gr.-Bartloff: Ein angeblich Schwachsinniger hat Felddiebstahl begangen, des Nachts Fruchtgarben vom fremden Acker auf den seinigen getragen. Der Pfarrherr läßt ihn kommen und stellt, um die Zurechnungsfähigkeit zu erproben, die Frage: „Trägst du denn auch manchmall von deinem Lande etwas auf Nachbars Land?“ „Nä, Herr Pfarr! Sö stark albere ich nit.“

Wilbich: Hanzig hutte bebberm Derfe de Gänse. Do kimmt der Bartloffer Kaplan Schuchardt verbi: „Na Hanzig, Brahntwien getrunken?“ Hanzig lacht wie än Tääghahmel: „Nä, dozu han ich ken Gald.“ „da heste en Groschen, lang de en Vertelchen.“ „Nä, ich bin Gänsen bliebe muß.“ „Ich wall mol so lange druf ufpasse.“ „De hut gut schwatze, abber wäil de´s siet, wall ich mol annegeh, daß de abber jö de Fann nit höchhahlt.“ Der Bartlöffer Kaplan setzt sich uf´n Ochiber un batt sin Brefir. Do denkt ha, was wall dann da Hanzig nur mit dar Fann gemäint ha, ha nimmt se vom Ardbodden uf un hellt se höch un drr, fliegen die Gänse mit Gieckgak furt ins

Derf uf´n Tich un schießen unger (se wullen mol lase, was uf dam Stäine am Grunne stund, Schulze Eberhard). Im Stormschret kimmt Hanzig zerick: „ich üch glich gesait han, de kenne Gänse hiete kunnt.“

Bischofstein: Anno dazumal im Frijohr uf Jergentag saßen de Erbborgmanner im Rittersaal bim Vogte un fierten Kermße. Wie se gerade am Herschbroten waren, ging de Teer uf un en Mann im blohen Kettel kam ahngepüst, a hieße Volker, werr üs Rumerode, was se gerade zur Wistung mache wulle, (bim Katterbarge), sin Napper wull am en paar Quatschenbäime, die in der Dachträufen stinnen, strittig mache, do fulle dach der Vogt am zu sim Rachte verhalfe. Der Vogt hotte gerade en Spon met Otto von Ershüsen üszefachten un sait: „Setze er sich ert mol sölange uf de Fansterbank“ Das tat ha un sok nun, wie se sich gitlich totten, während am der Mäun von dam langen Wage schäib hung un knurrte. Im Spachteln war der Großhenrich von Nazze Mäister, un sin Junge, dan se immer armiger or Knappe nahnten und da inschenkte mutte, orte schon werr uf´n Ahlen; s´Trinken kunne der ahle Steben von Tastungen am besten, sin Trinkhorn war immer lerk. Da rief Tilo von Volkerode: „Nachbar Volker, an hallen Tagen kann ich von der Gobert üre Dächer in Rumerode gesieh, wann de üch do öben in´n Horen lieht, so zieht dach ringer in n´ Stäiner Wald“. Da größe Steben nahm en Schluck un frogte: „Volker, wie gets üch dann sist in ürer Äineden doöben?“ „Jo, jo, wie salls uns dann geh,“ versaßte am Volker un sagg sö ungerm Barge ver halb zum Fanster nüs, „es get am gerade wie me, es muß derisitze un zugücke.“ - Do gobs en Mordspektakel, daß de Zinntaller hupsten. „Heil Volker,“ krelte der größe Steben von Tastungen „Knappe! flugs springste rebber ins Malzhüs un zappst am en Krug Bier,“ rief Großenhenrich von Nazze, „diesen Fladen Herschkielen fer Volker.“ Volker vergaß den guten Rat des Völkeröders nie, verzohlte es sin Kinnern, un die zoggen speter runger in n´ Stenter Wald, riemten uf un grindeten Fühlung, und de Völkers laben hitte nach.

Elfriede

Herr Hagedorn, ein Opernsänger,

Geriet in Not und Powerte,

Schnallt´ seines Leibes Riemen enger,

Trank nur noch Hagebuttentee.

Im Felde von der Vogelscheuche

Er einen Künstlerhut sich leiht,

Trotzalledem die Schwindsuchtsseuche

In seinem Beutel chronisch bleibt.

„Wie komm ich nur aus diesem Dalles?“

Stöhnt jammernd er, „beim Zeus, ich habs,

Mach einen Laden auf für alles,

Für Seife, Schokolade, Raps,

Für Schnurrbartbinden, Rauchzigarren,

Für Phosphorsäure, Geistestalg,

Auch Schmieröl für den Thespiskarren,

Schieb im Angro und Angdetalg.

Der Hujax, seines Leibes Diener,

Wird gleich sein erster junger Mann,

Und ob auch lachen alle Hühner,

Zum Neumond tanzt Elfriede an.

Zwar Referenzen bringt sie wenig

Die holde Mai, doch ihn besticht

Des Namens Klang, das untertänig

Devot = servile Angesicht. -

Es blüht´s Geschäft, es schrillt die Glocke

Vom Telephon, vom Telegraph,

Elfriede brodelt Schillerlocken

Die Firma probt Zigarren brav.

Am Wochenschluß die Stirn in Falten

Legt Hagedorn: „Elfriede hör!

Es scheint ein Irrtum obzuwalten,

Hauptbuch und Kasse stimmt nicht mehr.“

Elfriede zieht die Lippen krause

Spricht indigniert: „Hochedler Herr!

Ich kaufte Blumen Euch zum Strauße,

Als Ihr vom Sängerkrieg zogt her.“

„In meinen gelben Reisetaschen

Verwahrt ich Veilchenseife noch,“

„Den Lorbeer mußt ich damit waschen,

Den jüngst man um die Stirn Euch flocht,“

„Auch sind Zigarren mir verschwunden

Die Heldenmarke des Tenor.“

„Die habt ihr neulich selbst entzunden,

Als Ihr so herrlich sangt im Chor.“

„Wo blieben denn die Schokoladen,

Die ich dir auf die Seele band?“

„Die hat noch gestern aus dem Laden

Die schwarze Katze mir entwandt.“

Und Hujax drau: „Herr und Gebieter!

Zum Himmel dieser Kasus mufft,

Packt Schlafittche die Elfrieder

Und setzt sie schleunigst an die Luft.“

Der Chef zwickt mit dem Augenliede:

„O Hujax, rede keinen Schwalch,

Für Kunst begeistert schwärmt Elfriede,

Sie lügt und klaut nur angdetalg.“

Abreist der Chef für vierzehn Tage

Zum Gastspiel, zur Erholungstour,

Elfriede fügt sich in die lage

Und schreitet kühn zur Inventur.

Sieb´n jungen Hühnern, weil sie lachten,

Dreht grimmig sie die Hälse lang,

Zwölf Würste, die zu baumeln dachten

Noch mondelang im Rauchesfang,

Drei Seiten Süeck, zwei Mill´Zigarren

Ergreift sie mit geübter Hand,

Verstaut sie auf dem Schiebekarren,

Dazu zwei Schöcker Leinewand,

Singt ihrem Chef gleich tremulando:

„O schieb, so lang du schieben kannst.“

Vom Hainzeraine ein Kommando,

Clam heimlich sie zum Nachtzug tanzt.

- Der Hagedorn kehrt trillernd wieder

Und fällt vor Schreck auf den P....

„O Hujax! Du bist treu und bieder,

Sie aber flieht auch im Angro.

Nun, teurer Hujax, sind wir pleite,

Es fiel der Tabak, sank der Talg.

Ganz gleich, tapores sind wir beide,

Ob im Angro, ob im Detalg.“

Nach Rache schnob die Eumenide

Wildzügelnd zuckt` ihr Schlangenhaupt.

Ins Turmverließ tanzt´ die Elfriede

Bis wieder stand der Hain entlaubt.

Es muß der Sänger mit dem König

Marschieren bis zum Weltenend;

Drum mühte sich der Dorn nicht wenig,

Daß er Ministerpräsident

Von Bayern würde, spann mit Hitler

Und Ludendorf manch schwarzen Plan,

Durch Eisenach schon südwärts ritt er:

Da spann man Adolf in den Kahn.

In sternhellen Nächten müde.

Ein Harfner lehnt an Kahn und Turm

Und singt in Schlummer ‘ne Elfriede,

In Adolf den Gewissenswurm.

Onnamen

im eichsfeldisch-hessischen Grenzgebit.

Von Winrich von Knipprode.

„Uns ist in alten Mären wundersviel gesait,“ auch über Flurnamen und Wüstungen manches Wort geschrieben, doch spärlich fließen die Quellen der zahlreichen eichsfeldischen spitz- oder Onnamen. Diese zu suchen und zu Tage sprudeln zu lassen, deuchte verlockend, -selbst auf die Gefahr hin, hie und d eine zartbesaitete Seele in ihrer Stammesehre zu kränken. Im steigenden Saft schnitten wir von der Werra Weidenbäumen zwei schwanke Loden, und eines frischen Märzenmorgens krochen wir vor Tau und Tag aus unserem Winterlager, trotz Windstärke 8 als kühne Rutengänger ausschreitend zur ethnographischen Forschungsreise.              

Mein Weggenosse Erasmus, aus hessischem Geblüt, rieb sich noch den Schlf aus den Augen, eckte bald links, bald rechts an Telegraphenstangen und Straßenbäumen an. Ich dache im Stillen an den Stoßseufzer jenes Kellchen in gleicher Lage: „Wann me dach nur ert üs dam Holze rüs werren,“ oder jenes Aderschen: Wa hett dann nur die Quatschbaime mitten in’n Wag gepflanzt?

Laut aber fragte ich, als Erasmus bei grauendem Morgen in der Höhe des Weilers Klein-Töpfer endlich Tritt zu fassen begann: „Wie kommt ihr zu dem Namen „blinde Hessen?“ Etwas kleinlaut kam die Antwort:

„Wir sollen einst bei der Belagerung Mühlhausens einige Misthaufen für Soldaten angesehen und mit Kanonen beschossen haben. Doch ist das eitel Geschichtsflitterei. Wir Hessen sehen ebenso gut, wie ihr, es muß nur erst ordentlich hell sein. Vermutlich geht der Name zurück auf unser Landeswappentier, den hessischen Löwen, dessen Bild auf den Fahnen oft weniger gut gelang und mehr jungen Hunden, sogenannten Welpen glich, die bis zum neunten Tage blind sind.“

Eben hatten wir von Hunden gesprochem da kam es kettenklirren und keuchen hinter uns drein; des Freundes „Iwan“ wars, der Schreckliche, der Gräßliche. Man denke sich eine Kreuzung von fünf Rassen, struppig, triefäugig, ohne jeden Ahnenstolz und Stammbaumdünkel, aber mit allen Untugenden, vor allem dem unausrottbaren Trieb, jeden Radfahrer in den Straßengraben abzudrängen. Um allen Weiterungen zu entgehen, bogen wir von der Straße ab, um auf einsamen Waldpfaden die Südeichsfelder Höhe zu gewinnen. Vom Altan des Karnberger Vorwerks hielten wir Ausschau. Im Purpurschein der aufgehenden Sonne ghühte die Felsnase des Heldrastein, in der Kieferndickung kündete Amselflöten das Nahen des Lenzes, und hoch im blauen Äther zog ein roter Milan seine Kreise.

Der Hessenländer hub an: „Dort untem im sprossenden Saatengrün wohnen die Altenburschlaner, die „Unrechten“ zubenannt. Der Pfarrherr von Altenburschla nämlich, so geht die Sage, war einstmals zum Wanfrieder Amtsbruder Spelle gegangen. Der Gastherr muß wohl dem Gaste öfters zugetrunken haben, kurzum, auf dem Rückwege setzt sich der späte Wanderer am Stra´ßenrande nieder um auszuruhen und schläft ein. Als früh am Morgen die rosenfingrige Eos erschien, trieb der Schweinehirt des Weges zum Eichenlohwald. Ein alter Tanneber stößt mit dem Rüssel  den Sanftschlummernden in die Seite. Dieser, noch von holden Traumbildern umgaukelt, ruft abwehrend: „Keinen Tropfen mehr. Herr Amtsbruder.“ Es waren also beide an den Unrechten geraten. Glaubhafter klingt der ältere Deutungsversuch:       

Der Wanfrieder Pfarrer mußte ehedem nach zwei Katechismen die Kinderlehren halten, inWanfried und dem damals gleichfalls lutherischen Hildebrandshausen nach dem lutherischen, in der Filiale Altenburschla nach dem kalvinischen. Als er nun in Hildebrandshausen eines Sonntags ganz verworrene Antworten erhält, sieht er sich den Katechismus genauer an und sagt:“Ach, das ist der unrechte, der gehört nach Altenburschla (Reinhold Strauß, Wanfrieder Chronik). die dort hinterm Normannstein hausenden Teffurter sind verschnupft, wenn man sie als Sperr-Rachen anredet;   das taen wohl zuerst die Obsthändler, die über die in Treffurt reichlich wachsenden , aber oft vom Regen aufgesprungenen, sperrenden Kirschen sich beklagten.

Während die Wanfrieder als Brombeermänner gelten, müssen sich die Eschweger als Tütemänner necken lassen und zwar schon seit 1755., dem Begräbnise des Landgrafen Christian von Hessen-Wanfried. Beim Ueberführen der Leiche von Eschwege nach dem Hülfensberge soll das Trauergefolge von den Klängen der auf der Karlskirche blasenden Musikkapelle bei dem herrschenden Sturme nur einzelne Töne „Tüt, Tüt“ vernommen haben. Nach Schmincke trat aus der alten Eschweger Schloßuhr beim Stundenschlag eine Heroldsfigur hervor und stieß ins Horn. Von diesem Tütemännchen ist der Name schließlich auf die Eschweger übertragen worden.

„Ihr Hessen,“ so unterbrach ich hier den Redefluß des geschichtskundigen Chatten,“seid eures Volkes Sitte und Sprache gar lobesam nachgegangen, hier auf dem Eichsfelde ist darin noch wenig geschehen, obwohl gerade im Südgau an Onnamen kein Mangel herrscht:

                                   Sin Traff und Fatt kriet jedes Derf,

                                   Wie jeder Hund kriet sine Fleh,

                                   Daß keines sich beschwere

                                   Im Tal un uf der Heh.

Siehst du dort die Riesentannen ragen auf dem Kälberberge, die Kirchtumspitze dahinter gehört den Effelrderschen Rammssäcken, (Rammssack= Vormagen der Wiederkäuer), im Tale hausen die Faulunger Muskricken, die Lengenfelder Butterknoten, unter der Keudelskuppe die Hilberschiser Föllenbaine oder Hexenmeister, dort zur rechten die Wendehäuser Stieren, um den Hülfensbergkegel gelagert die Geismarschen Entenschnäbel, die Bartlöffer Wacholderknüppel, die Wilbicher Schwabelbittel, die Ershäuser Gölken .. und in blauer Ferne an der Gobert die Kellschen Klöße und die Pfaffschwender Mahltiepchen. Die Namen kennt wohl jedes Kind, doch ihr Sinn ist oft den Nächstbeteiligten verborgen.“

Erasmus legt die Stirn in tiefe Denkerfalten, dann geht ein Leuchten durch die blauen Chattenaugen: „Elin Leitgedanke, deucht mir, zieht durch alle Namen,

Ich wittre Opferduft aus heilgem Hein.

Ich sehe der Druiden laubbekränzte Häupter,

Gewänder flattern um den Opferstein

Zur Julnacht auf der Gobert silberhellen Klippen,

Am heljen Born, am Stufenbergesspalt

Zum Opferbrande, der um Donars Eiche schwelet,

die Kellschen schleppen Klötze durch den Wald.

Aufspritzt das Blut des Stierts, den lobte Wendehausen.

Vom Opferfohlen hör ich noch den Todesschrei,

Das früh noch wiehernd sprang im Kamp der Hilbershäuser,

Die nur die Schenkel kürten sich zur Zauberei.

Beim Opfermahl Effelder wählt stets die Kaldaunen

Und würzt den Rammssack sich mit Pfeffer gut,

Und mit Wacholderloden, die in Bartloff wuchsen,

Rührt Faulungen den schwarzen Opfersud.

Wenn dann das Mus trotz Lauch und Mustel noch nicht

Macht’ stumpf die Zähne und die Fersen schief, (mundet,

Mußt’ Lengenfeld goldgelbe Butter steuern,

Die Geismars Entenbraten braun umlief.

Die metgeleerten Fässer mußte Wilbich schwefeln,-

Ershausen ...“

„Hab Dank, du edler Leu, von den Ershäusern wollen wir besser schweigen. Zieh ein die Krallen der Hessenlöwenpranken, der Sonnenwagen steigt am Himmel, noch weit ist unser Weg gen Osten. Manch Körnlein Wahrheit birgt wohl deine Rede, und vieles wird mir klar nun, das bisher im Dunkeln. So war ich einst als Gast zur Hochzeit in Effelder. Wir setzten uns zur weißgedeckten Tafel, da erklang Ermunternd hell des Hochzeitsvaters Zuruf:

„Raakt üch uf!“ Hätt er in Griech’scher Sprache mit Homer in ep’scher Breite

Geladen uns: „Nun stecket die Hände zum lecker bereiteten Mahle,“

Ich wäre, ich gestehs zu meiner Schande nicht so erblaßt und weiß geworden um die Nasenspitze, Wie rings der wackeren Tischgenossen Hemdesärmel. Wies jetzt geschah, heut denk ich anders: Das war der Ruf, der schon vor mehr als tausend Jahren

Erscholl, wenn die Kalüü beim heljen Eichbaum dampften.

Traun! unsre Sprache wäre knapper und nicht ärmer,

Wenn alle wie Effelder zäh am Alten festgehalten.
 

Wir treten in den Gau, worin der Vorzeit namen Verwehet in der Zeiten Sturm, doch nur um neuen Platz zu machen ..

Die Turmruine, die mit Gras bewachsen

Gespenstisch steht auf hohem Bühl,

Klagt so schon bei vierhundert Jahren

Den Reifenstein Pfeifer an,

Der Kirch’ und Harstalls Hof in Asche legte,

Das Dorf geplündert mit verruchter Hand.

Die ausgeraubten und verarmten Katherberger

Gewöhnten sich nun selbst das Rupfen an

Und wurden bald die besten Spieler,

Soweit - der liebe Vollmond scheint.-

In Diedorf leben arge Spötter,

die Zackermännchen in Heyrode,

Die ständig Zackermenter sagen.

Doch weil sie noch bisher jedweden,

Der also ansprach sie, verlaschten,

Hat man sie umgetauft in Klopper.

Ein alter Spruch besagt:

„War derch Katterbark - kimmet ungeroppt,

War derch Diederfs Mark - kimmet ungefoppt,

War derch Heyerröde - kimmet ungekloppt,

Dar kann schun ver sim Töde - vun ittel Glick geröde.“


In Katharinenberg versuchte man uns zu einem Spiel zu verleiten, doch wir lehnten dankend ab, uns schreckte die Geschichte: “ Dem Jakob Stephan aus Wanfried, der anno 1769 den Landgrafen Konstantin von Hessen mit einer Laterne bis Katharinenberg begleitet und dafür aus der Stadtksse 6 Albus und 8 Heller erhalten , nahmen die Katherberger in wenigen Stunden den ganzen Botenlohn ab. Der Besitzer des Keudelsteines vor 80 Jahren, L’ Estoque (Löschstock) vertrank hier und verspielte wie der Rodensteiner fast sein ganzes Gut mitsamt der Plesse. - Einst stieg ein Katherberger in den Grund hinab und spielte Skat dort Tage durch und Nächte, bis am dritten Tag sein treuebesorgtes Ehegespons ein frisches Hemd ihm schickte nach durch Extraboten. Doch schreiend Unrecht täte, wer da wollt behaupten, daß sie mogeln. Mit Kunst sie spielen nur und Schwung und ohne sich mit Leichenreden lange zu ereifern. Nicht einmal solche triffst du, die im alten Rom man nannte „Tenax rerum“ - im Untereichsfeld Gebhardt, im Obereichsfeld Genau, - und völlig ausgeschlossen wärs, daß hier ein Vater, wie’s einst in Bebendorf geschehen, am Totenlager seines Sohnes, der schon drei volle Monde das Gymnasium besuchte, sich beklagte: „Do lit es nun, das tiere Sticke Fläisch.“ - Ja manche biedertreue Seele birgt das Dörflein, wie der Fall beweiset, der sich wirklich zugetragen (zu singen nach der Weise: “Was kommt dort von der Höh“):

Ein Individuum . . . ein ledern Individuum,
ca, ca Zog auf’s Gymnasium. (viduum . . .)

„Woher?,“ fragt Bär den Zwerg.

„Von Katharinenberg.“

„Wo liegt denn das Moßje?“

„Es liegt an der Chaussee.“

Auf dieser historischen Chaussee nachdenklich weiterwandelnd, sahen wir zu unserem Schrecken Iwan den Gräßlichen in voller Flucht aus einem Hofe kommen, einen Hühnerschwanz in der Schnauze, der Rest des Huhnes schien ihm entwischt zu sein. „Da schau einer den Iwan an,“ stöhnte sein Herr und Erzieher, „kaum ist er eine halbe Stunde in Katharinenberg, und schon hat er das rupfen gelernt.“ „Alles schon dagewesen,“ versetzte ich. „Mein Ordinarius sprach weiland zu meinem Vordermann: „ Herrense, kaum sitzt er eine halbe Stunde in Quarta und schnurrt schon.“

Immer höher stieg der mit Ebereschen eingefaßte Weg, es weitete sich das Gesichtsfeld bis zum Meißber, Alheimer, Inselsberg, zur Milseburg. Die Fenster der Wartburg blitzten in der sinkenden Sonne. Friedlich lag Diedorf im Wiesengrunde. „Und da sollen solche Wespen nisten? Unmöglich.“ Se kuns nit geloße, es äs an ufgeerbt,“ klärte ich ihn auf, „doch sie stechen nie, sie sticheln bloß. Es sind geborene Republikaner, abhold jeder Selbstberäucherung und vertragen es kaum,. wenn einer seines Leib`s Gebresten an die große Glocke der Eichsfeldia hängt. Dann entstehen Kantilenen und Stachelverse wie diese:

                                  Aus Homer und den Homeriden

                                   Sang ein König manch Kantilene,

                                   Drum schlug ihn mit Hämorrhoiden

                                   Im Zorne Pallas Athene.

                                   Ein Funkenspruch ging durch die Blätter:

                                   „Durchlaucht operiert, fühlt sich bene,“

                                   Da knuttert ein Diedorfer Spötter:

                                   „Bei mir wird das heil von allene.“

„Das Völkchen muß ich kennen lernen, das Dorf dürfen wir - bloß Iwans wegen - nicht umgehen.“

Vor der Gemeinde-Schenke hatte dieser bereits Posto gefaßt und blinzelte uns abwartend entgegen. Am blendend weißen Lindentisch saßen Katharinenberger und Diedorfer, in ihre Karten so vertieft, daß sie unser Eintreten kaum beachteten. Ein Diedorfer Zuschauer mußte wohl eben gkiebitzt haben, denn plötzlich fuhr ihn jemand an: „Der fünfte Speeler gehert ungern Tisch.“ „Was?“ begehrte der so Zurechtgewiesene auf, „ich han en Bruder, dar Geistlich äs un ‘ne Schwaster, die im Klöster äs, was hest dü an? Enne Hünnemützen , dü ahle Atzel.“ Die Erregten schienen ganz überhört zu haben, daß die Tür geklafft hatte, denn unvermutetr rief ein Junge etwas verlegen durch die Türspalte: „Vater! Mutter het gesait, de sullt häiben kumme, ‘s Metteusbröd stinge in der Blosen.“ Als der Vater nochmal rumgespielt hatte und gerade einen Grand ansagte, lugte Mutter selbst um die Ecke und sagte nur: „Do sitzt je’s Paßchen.“ Das zog, ließ ihn aber in der Eile das Bezahlen vergessen, weshalb ein Diedorfer Fopper ihm nachrief: „Do get ha furt wie der Ratz vum Tübhüse.“

Die geräumige Schenkstube begann sich mehr und mehr zu füllen. Ein alter Bekannter, Henriks, ein urwüchsiger Diedorfer, setzte sich an unseren Tisch, klopfte an seine Dose und reichte sie herum. Erasmus packte zu tief hinein und verstreute das kostbare Nasenpulver auf dem Tische. „Nun kunnt de abber ä vum Tische geschnüppe,“ wies Rieks ihn seelenruhig zurecht. Auch Heyeroder fanden sich später ein. Durch den niederen Raum zogen immer dickere Dampfschwaden, die nach frischgemähter Wiese dufteten. Aus dem Stimmengewirr konnte man viele persönliche Onnamen heraushören, wie Dernerkleis, Tasthanschen,’s Gewülke, de Pladder. Wieder stampfte es durch den Hüseeren (von irden Erde) und mit schweren Kavallerieschritten kam „Hujar von der Friede“ herein, seine Göschel auf den Tisch werfend. „Wie leitest du den Namen ab?“ forschte Erasmus im Flüsterton, “wo stammt der Ritter her?“, nie sah ich solch’ wuchtige Reitpeitsche.“ - „Nicht jetzt darf ich es auseinandersetzen, er würde sonst wohl kuntra es verstehen und sich wild vielleicht verdefendieren. Das eine sag ich nur: von huias, genetiv huiatis, hiesig, heimisch, Landsmann, rührt das Wort nicht her ... und überhaupt: es gibt nur einen Hujax auf der weiten Erde, dem Mars und den benachbarten Gestirnen.“

Von der anderen Seite raunte mir jetzt Rieks ins Ohr: „Herr Knipperich vun Wingerode, es dann ühr Frind eren üs der Fühlung?““Brümman?“ (Lauter:) „Ji de spracht je immer vern: Er - aß - Muß.“

Schon länger hatten die Gäste mit vielsagenden Blicken den Iwan gemustert. Schließlich konnte Rieks nicht länger mehr zurückhalten, tat einen tiefen Zug und begann: „Wo het dann da Huind sin Schwahnz geloßen?“ Erasmus stand Antwort: „Ist ihm von einem Auto abefahren.“ - „Dan Huind wull ich nit geschenkt ha; bin uns namlich derf jeder Mann am fatten Dunnerschtag sö velmol Worscht asse, wie sin Huind met ‘m Schwahne wiselt.“ Erasmus, ein wenig betroffen, suchte Iwans Ehre zu retten und ließ ihn Kunststücke machen: „Iwan, wieviel Bier habe ich getrunken?“ Und der Adonis kratzte mit dem Fuße die richtige Zahl. Doch Rieks ließ sich nicht verblüffen: „Das kennen me, da Barliner Gül, da schluibe Hans, kunn ä gerache wie’n Avkate, und wie sin Herr nit derbi war, do war ha met sim Latin am Enge. Herr Aßmus, wut de a nit mo nüs geh? Iwan!  wevele Nordhiser han ich an getrunken?“ Iwan kratze ohne Aufhören. Schallendes Gelächter, am lautesten klatschte Hujax sich die sehnigen Schenkel, wofür ihm Rieks einen grimmigen Blick zuwarf und etwas von Gegatze murmelte. Jetzt trat Hujax vor und examinierte: „Iwan, weveele Bäinne han ich an?“ Wieder scharrte der Hund, dem die Sache Spaß zu machen schien, ohne Ende. Alles schwieg. Da erhob sich Rieks mit todernster Miene, faßte Hujax am Rockknopf und erklärte: „Da Ami es nit sö dumm. wie mancher üssit, a hetts ganz richtig gerott un wull saje: Hujax , dü hest X-Baine. (Rieks hatte auf der Ackerbauschule gelernt, mit der unbestimmten Größe X zu rechnen). Man lachte, auch diejenigen, die des Witzes Kern nicht ganz begriffen, gatzten weidlich mit, und ein Heyeröder hauchte im halblauten Selbstgespräch in seinen Stengelpeter hinein: “De Diederfer sid dach spieksche Huine.“Doch der scharfhörige Rieks hatte es wohl verstanden und sprudelte schlagfertig heraus: „De Heyerreder schwikt de nur stille, bin üch es nach ken Pfarr gestorben, un uf ürem Kärchhobe lit nach ken Pfarr begraben. Wann de am jingsten Tage obmarschiere wullt ins Tal Josaphat, do steht de ganz alläine do, do hut de ken Herrn bin üch.“

Ein Lumpensammler tritt bescheiden unter die Tür und späht nach einem freien Platz. Sofort setzen die übermütigen Heyeröder, mit rauhen Kehlen ein:

                                   „In Wilbich an der See, da gibts viel . . .

Dem Ueberfall widersetzten sich die zwar stachligen, dabei jedoch stets ritterlichen Diedorfer. Das Heyeröder Flaggenlied „Blau rot, gelb grün (nach der Weise „Sind wir vereint zur guten Stunde“) bringt die Heyeröder bald zum Schweigen:
 

Ein wehrhaft Volk wohnt in Heyerode

Im Wildbann vor dem Hainichwald,

Den Fremdling, naht er marschmarode,

Schlägts blau, rot gelb an früner Hald’.

Zwei Glocken ließ es einst sich gießen.

Ein Gönner blühend von Gesicht

In dem des Sommers Sprossen sprießen,

Möcht sehen sich im Bronzelicht;

Drum bat er, ernstlich zu erwägen,

Der glühend heißen Glockenspeise

Sein Konterfei mit einzuprägen

Nach guter alter Väterweise.

„Es sei,“ nicht wild der Schnied am Hage,

Und wölbt die busch’gen Augenbrau’n,

„Doch so, daß ihm mit jedem Schlage

Der Klöppel muß auf die Platten hau`n.“

Die Glocken schweb’n zum hohen Turme,

Das halbe Dorf zieht an dem Strang

Und läutet wie zum Landwehrsturme,

Bis sinkt die Sonne, glüht die Wang’.

die Klänge wehn, vom Dinkelkamm se

Diedorf vernimmt und schirrt die Rosse.

„Wo brennts?“ - „Wir woll’n ihn nur verwamsen,

Bis treibt die erste Wintersposse.“

- Den tosenden Lärm benutzten wir zum Aufbruch. - Auf der Straße hörten wir noch, wie ein Diedorfer aus seinem Fenster den Nachbarn fragte: „Was es dann das hite fer en Gepeeke in der Schänke?“ „Spricht der Griechisch?“ wunderte sich der Hesse. „Nein, ha stichelt, Gepeeke ist gleich Gepölke, das Wort vergesse ich nicht wieder. Ein Mitschüler war mal vor der Stunde etwas laut geworden, sofort verdonnerte ihn Professor Schneiderschenk:“ „Trag’ne ins Klassenbuch wegen Pölkens.“ „Herr Professor,“ fragte der Klassenordner, „soll ich Pölken mit weichem oder hartem p schreiben?“ „Schreibens mit hartem p, hat laut gepölkt.“

Am Dinkelbühl überholten wir einen Wandersmann im Silberhaar. Raschkamisol, Spessartmütze und Knotenstock ließen einen Höhenbewohner vermuten. Die Jahre hatten tiefe Runen in die wetterharten Züge geschnitten. Der wißbegierige Erasmus redete ihn an und war hochbeglückt, einen leibhaftigen effeldrischen Rammssack getroffen zu haben. Zwar überließ den an urbane Formen Gewöhnten anfangs zuweilen eine Gänsehaut, doch bald fand auch er heraus, daß unter der rauhen Schale ein goldenes Herz und viel Gemüt sich verbarg.

„Wo sid de an har? “, war die erste Gegenfrage des Effeldrische, Erasmus wollte diplomatisch ausweichen: „Gestern waren wir in der Gegend von Eschwege.“ - „Brücht me nüscht veerzemache,“ die Spitze des Knotenstockes zielte auf nich, „bin üch han ich in Lengefald schun mol de Schofe geschnedden. Ich ben mo in der Staadt in der Bischofsmassen gewahn, das wull me gar nit gefalle. Der Bischof war je en guter Mann, en frummer Mann, aber se lußen am kene Ruibe. Kümmer hotten se am de Kappen ufgesaaßt, do langten se se am werr runger. Bale gaben se am n’ Stock in de Hahnd, un bale, wann hä am besten Baaten wor, nahmen se ne ehm werr ob. Das war en Gewertschafte und Gescherrje, un gerade, wie se’s zu buint trebben, wie ich nuff wull un schun’s Wort uf der Zungen hotte: nu loot de mol dan Mann in Ruibe, do fungense an’s Gescherr

zesammen selaasen. Ich werr ä nit derch de isern Staketen gekummen, un nochten fungen sie uf der Orgel an zu singen wie Cherubin un Seraphim, un fers Singen loß ich min Laben.

In Affaller luf mol en Mann zum Schiedsrichter: „Vetter Maths, es gett nit me. Mins es en beeses Tier, en Bäist, jeden Tag macht’s Spektakel. Hitte sitze ich ruhig uf ‘m Wabstuhl, do kimmet ees an un schlett mich metm helzern Lotschen me nüscht de nüscht links und rachts um de Oehren.“ - „Na du bist doch der Mann“ seit der Schiedsmann,  „warum kommst du da zu mir? Dreh doch die Karre um und verhaue sie mal gründlich.“ „Nä, Vätter Maths, das brenge ich nit fertig, dozu han ich kene Kalünn.“- Hanjook kimmt in’n Laden: Vetter Matths, ich wull en Kräun käife.“  „Hanjook, da rate ich dir zu diesem niedrigen Facon, so wie ich es trage, das nimmt sich immer gut aus.“  „Nä Vetter Maths, ich walls üch verrote, ich han mich en Maichen ahngeschafft, ees es üs Wannenfredden, das het sö ene fine Hüt, do wall ich dach libber en höchen Kräun nahme.“ „Gewiß Hanjook, wenn das ist, dann nimm diesen hohen Stehkragen der kleidet dich vorzüglich.“ De anner Wochen kimmet Hanook  werr: „Vetter Maths, ich muß morgen de Waichenstellerprifung in Gäismar oblege, kann ich dann nitt en neddrigen Kräun gekrie?“ „Versteht sich, Hanjook, jetzt kommst du auf meinen Geschmack, da habe ich dir neulich schon gesagt.“

Kennt de an Schneds Jerge? Nit? Da es im Kriege mol ufs Landratsamt gekummen un behelt sine Mitzen uf. Do kichern de Schrieberschen, de Manner waren all in’n Krigg. „Was hud de an ze gatzen?“ platzt Jerge rüs, „ver üch Wieber brüch ich mine Batzel nit obzutun. Ich hann n’ Schnüben, ich hann n’ Husten , ich hann de ... un do behale ich mine Batzuel uf.“

Der Landrat herts in der Nabenstobben un rieft: „Herr Lange, kommen sie nur herein.“ Drinne läit Jerge lös: „Herr Gehäimrat, das brüch ich me nit gefalle ze loße, die do drüssen wunn me  verwehre, de Batzel ufzebehalen. Und ich hann doch n’ Schnüben, ich hann sö en Husten un ich hann de ... Un das sin doch blös Wieber, ver dan brüch ich min Batzel nit obzutun.“

Der Regierungspresedante un der Landrat wulln de nuiwe Wasserlaitung in Affaller obnahme un krochen ä mol in Jerge sine Schmedden un froten, wie am diese Inrichtung gefille: „Söwit ganz scheene, aber en Fahler het se: me werd nüscht meh gewahr. Frijer gungen die Wiebesliete an’n Born, do kamen nach meh angeschlappt un storgten, bis des Gänse ann de Emmer werr üsgeschnattert hotten, un sö wußten me immer, was im ganzen Derfe veerging. Jetzt werd de Katzen hingerm Hare nüscht meh gewahr.“ Wie se am bim Obschiede de Hänge ga wullen, sait Jerge: „Uech Herr Presedante, wall ich ene Patschhand gah, de hut schwarze Haindsche an, abber de, Herr Gehäimrat, hud käine an, un do wall ich üch de Pföten nit schwarzmache.“

Frijer gung mol der Landrat an Jerge siner Schnedden verbi, do rappte ne Jerge an: „Wißt de en schunt, Herr Landrat, Mocks Jerge het mich angezäit, daß ich sine Suij tötgeschläun ha, es war je blöß en Ficke.“ „Das ist Gerichtssache, das schlägt nicht ins Landratsfach.“ „Abber, Herr Landrat,, wann dach dam Mocks Jerge sin Suijschwien in min Hob kimmt, do derf ich am dach äine flamme, es war je nur en Fickel. Nu denkt üch mol, Herr Landrat, de werrt de Suij; wann ich üch nun en Klapppschen ufn Buckel ga (dobi let ha sine Riesefüßt uf ‘n Landrat nedderfalle), do brücht de dach nit glich alle Viere ze strecke, un wanns das dumme Suijding tit, do kann ich dach nüscht dorzu. Un es war je blöß en Fickel. Do kann ha mich nüscht gewulle.“

Schmeds Jerge kom mo bin’n Bittstedder Schullehr un trof do en kumpleten Herrn: „Na, hud de üch abber en Ransel angefrassen, da es dach ä nit vun hitte?“ Wie da met sim Ransel üs der Stobben nüs es, wuinert sich Jerge: „Ji, kann dann dar ken Spaßß vertraje?“

Jerge hotte ene hellsche Natür. Bim Fahren der Wasserlaitungsruhre het ha sich en Fingergleed abgequatscht, ratsch, rißt ha das ob, schmißts Mocks Jerge sinen Hinnern hen, wickelts Schnüpptuch üm’n Finger un arbäit witter an sin Sperrachschen Ruhren, wie ha se nahnte.

Thormichel lug am Starben, drej Taje sagg und heerte ha nit un sait ken Wort. Schmeds Jerge besiecht ne un wall ne treste: „Ich gläibe Michel, dü herst n’ Kuckuck nit werr rufe, werst je wähl obschramme.“ Hanjock kam derzu, un die bäiden storgten ene Wiele: „Gett mich wagg met grinem Salat,“ mainte Jerge, „dorus kann ich me nüscht gemache, das es en Frassen fer de Kiebe.“ Am folgenden Tage tit da kranke Michel de Auwen uf un sait: „Grinen Salat kunn min Vater en ganzen Sprijkorb vull gegasse, un me es sö zu halfen, wann ich werr ufstiehe, kinne ich es ä.

De Affallerschen kun gut gesinge, un se pelken de Derfer im un dim in n’ Sack un werr rüs. Do woren me mol uf der Struth zum Sangerfast. De Strither sungen: „Wie ... (Seite 89 weiter)

Aloys Höppner, 1924 
(Druck und Verlag von Carl Braun, Wanfried a. W.)