Walter Rassow: Beschreibende Darstellung des Dorfes Lengenfeld (1909)

Großes katholisches Pfarrkirchdorf mit 1295 Einwohnern, liegt 18,5 km südlich von Heiligenstadt, am Fuße des Burgberges des Bischofssteins, an dem Bache Frieda. 897 erlaubt Kaiser Arnulf, daß Graf Konrad dem Kloster Fulda tauschweise das Reichsgut in Lengenfelt im Gau Eichesfelden in der Grafschaft Ottos übergeben darf. Das Dorf gehörte in geistlicher Hinsicht zum Banne Ers­hausen, in weltlicher zum Burgamte Bischofsstein. Kloster Annrode besaß seit 1292 1 Hof und 1 Hufe zu Duringeschen Lengevelde (im Gegensatz zum Mühl­häuser Lengefeld so genannt), die Ritter Albert von Proyse bis dahin von dem Truchseß von Schlotheim zu Lehen gehabt hatte. Nach dem Dorfe nannte sich ein Rittergeschlecht, das 1191 mit Bertold von Lengevelden zuerst auftritt und 1321 zum letztenmal genannt wird. 1318 besaß der Erzbischof von Mainz in Lengeveld 3 Eigengüter mit 9 Hufen, die zur Burg Steyn gehörten; außerdem 6 Höfe, 23 Acker, 1 Garten, 1 Baumgarten, Acker in Blankentayl, Rodeland vor dem Plessen und den Wald Plesse.

1420 belehnte Erzbischof Konrad von Mainz die von Ershausen auf dem Steine mit „1 Vorwerk zu Lengefeld, mit 1 Hofe under dem Kirchhofe mit allen Rechten in Walde und in Velde“. Später be­lehnte Kurmainz, welches im 14. Jahrhundert das Burgamt Stein (Bischofsstein) ganz erworben hatte, die von Keudel mit 1 Hüttenstätte auf dem Kirchhofe zu Lengefeld.

Die im südlichen Teile des Dorfes hochgelegene Kirche, der Geburt der Jungfrau Maria geweiht, ist vor wenigen Jahren als dreischiffige gotische Hallen­kirche erneuert. Nur der Unterbau des Turms ist alt, daran am Sturze des ganz einfachen Südportales die Jahreszahl: 1719. Auch die Innenausstattung ist ganz neu. Von dem früheren Altare sind noch einige ungewöhnlich schöne, überlebensgroße Barockfiguren erhalten, die leider an ein Dresdner Museum verkauft sind. Vier zusammengehörige stellen dar: Johannes den Täufer (Abb. 241), Joseph mit dem Christuskinde, einen Mönch (Abb. 242) und einen Bischof (Abb. 243).

Eine fünfte Figur, wesentlich kleiner, hat wohl über dem Ganzen gethront (s. Abb. 244), anscheinend Gott Vater auf Wolken thronend, zu Füßen eine Tiergestalt.

Von den drei Glocken, die vom früheren Bau übernommen sind, trägt die größte mit 1,25 m Durchmesser folgende Inschrift:

1. Zeile: EHRE SEI GOTT IN DER HÖHE UND FRIEDE AUF ERDEN UND DEN MENSCHEN EIN WOHLGEFALLEN LUCA AM ANDEREN CAPITEL.

2. Zeile: ANNO MDXCVIIII GOS MICH MELCHIOR MOERINCK ZU ERFFURDT IM NAMEN GOTTES . . . folgen Namen von Ortsbeamten. Darüber und darunter Akanthusfries.


Die zweite Glocke mit 1,05 m Durchmesser trägt folgende Inschrift:

1. Zeile: ANNO MDXCVII DA GOS MICH MELCHIOR MOERINCK ZU ERFFURDT IM NAMEN GOTTES V. D. M. I. AE. (verbum domini manet in aeternum).

2. Zeile: Spruch wie bei der größten Glocke.


Die dritte Glocke mit 0,85 m Durchmesser ist 1831 von Gabel in Freien­hagen gegossen.

In der umgebenden Friedhofsmauer sind einige alte Grabsteine eingebaut: der älteste enthält ein Kruzifix mit zwei unkenntlichen Wappen unter den Armen, das eine scheint eine Kreuzteilung, das andere zwei Querbalken zu enthalten. Unter dem linken Kreuzarme scheinen zwei Figuren mit Heiligenschein zu knien, rechts ist nichts zu erkennen. Von der Inschrift in gotischen Minuskeln

sind nur einzelne Buchstaben zu erkennen: obiit ... von ... Der Stein ist im Bilstal beim alten Schlosse Bischofstein gefunden und wird mit der Sage des sogenannten „Fräubchens von Engelland“[1] zusammengebracht; wohl zweifellos mit Unrecht.

Ein anderer Grabstein enthält folgende Inschrift: VITA QVID EST? VENTVS. QVID VENTVS? LABILIS VMBRA. VMBRA QVID EST? NIHIL. EST VITA QVID ERGO? NIHIL. ES IST AVER LEBEN EIN DAMPFF IST ES DER EINIE KLEINE ZEITT WAHRET DARNACH VERSCHWIND. AP. JACOP IV. CAP. ACH WIE ... CHST SEIN ALLE MENSHEN …

Von den schönen Fachwerkhäusern der Dorfstraße gibt Abb. 245 Zeugnis.         


Walter Rassow
(Quelle: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Heiligenstadt. Halle a.d.S.: Otto Hendel 1909, S. S. 258 – 264)

[1] Siehe S. 31, letzter Absatz; ferner Duval, Das Eichsfeld.