Am Frauenstein

Frauenstein bei der Hagemühle

Im Westen starrt dunkle Wolkenwand,
Ein Grabmal raget am Wegesrand,
Eine Kugel am Sockel, viel Zentner schwer,
Als wär sie geflogen vom Bischoffstein her
Auf den Frauenstein
Am blühenden Rain.

Wurfkugel vom Frauenstein

In der Ferne leise es rauscht und klingt,
Wie Wasser, das über das Mühlrad springt,
Auf der Engelswiese Zikadensang,
Vorbei zieht ein Wanderer im raschen Gang,
Hebt zu grüßen die Hand
Sie, die Ruhe dort fand.

In uralten Zeiten von Engelland her
kam ein Fräubchen gefahren über das Meer,
zu rächen den Gatten, den ihr zur Qual
Traf der Bischoffsteiner mit mordendem Stahl,
Setzt' Ramme und Bohr
In Mauer und Tor.

Ausbrachen die Steiner mit Übermacht,
Das Fräubchen flüchtet durch Nebel und Nacht,
Brescht durch der Jungfräulein von Zelle Wald;
Auf der Klosterschranne gähnet ein Spalt,
Das Normannenross
Bäumt riesengroß.

Und springt hinab in den finsteren Schlund,
Reißt am zackigen Felsten die Flanke wund,
Stürmt talwärts weiter durch Lengenfeld,
Da zerbarst das Gekröse, der Renner fällt
Bei der Liete am Hag,
es graute der Tag.

Aus dem Bilstal sprengte der Voigt in Eil
Und legt' auf den Bogen den silbernen Pfeil,
Durch die Brünne drang klirrend das Todesgeschoß,
Das Fräubchen sank neben dem treuen Ross
In den blumigen Klee
Wie ein weidwundes Reh.

Der Grausame band an das Hengstes Schweif
Den Leichnam, zerriss ihn im wilden Schleif
Durch Amscherode bis in die Au,
Von alters geheißen "die halbe Frau". -
Nun wahre dich Vogt!
Bald verglimmt auch dein Docht.

Die Knappen stürmten hinauf zum Stein,
Zerbrachen die Feste beim Abendschein,
Begruben die Herrin auf hohem Ross
An sonniger Hald', wo ihr Herzbluß floss;
Bis zur "Mühle im Hag"
Scholl die Totenklag'.

Von Gattenminne ein hohes Lied
Sang der Grabstein, den aus dem Fels man hieb,
Das schwerste Geschoß, von der Blyde geschnellt,
Den Grabhügel zierte im einsamen Feld. -
Die Wolkenwand sinkt,
Der Abendstern blinkt. -

Nun brauset, ihr Wälder, im nächtlichen Chor!
Der Frauen Sterbelied rauschet empor!
Zur Gruft die Dolden sich neigen im Wind,
Die Friedawellen gleiten geschwind
Und murmeln im Lauf:
Herr! nimm sie auf.

Frauenstein in der Kirchenmauer