Von dem ehemals blühenden Fuhrmannsgewerbe auf dem Eichsfelde (1939)

Zwischen den beiden aufragenden Gebirgen des Harzes und des Thüringer Waldes liegt das Eichsfeld eingebettet, jenes anmutige Hügelland, das leider immer noch zu wenig bekannt ist. Seit uralter Zeit schneiden sich in diesem Landstrich zwei wichtige Handelswege: Die eine Verkehrsstraße läuft von West nach Ost, es ist die „Rheinstraße“, die von Köln – Kassel kommend nach Nordhausen, Halle, Leipzig und Berlin weitergeht.

Die andere Straße dringt von Süden nach Norden und stellt die Verbindung zwischen den großen süddeutschen Handelsstädten und den niederdeutschen Verkehrsplätzen Braunschweig, Hamburg und Lübeck her.

Diese alten Handelswege haben in der neueren Zeit ihre Fortsetzung in den Kunststraßen gefunden, deren Bedeutung aber sich nicht mehr messen kann mit den früheren verkehrsreichen Straßen.

Die zentrale Lage des Eichsfeldes mit diesen beiden Verkehrsstraßen brachte dem Ländchen in der Vergangenheit wirtschaftliche Vorteile. Auf den alten Straßen drang die Textilindustrie in das Eichsfeld und machte dieses Gebiet im 18. Jahrhundert zu einem der wichtigsten wirtschaftlichen Mittelpunkte Deutschlands. Handel und Wandel standen damals in hoher Blüte. Bei solch günstigen Voraussetzungen konnte das Fuhrmannsgewerbe eine bedeutungsvolle Stellung im Wirtschaftsleben dieses Ländchens einnehmen. Der Transport der erzeugten heimischen Waren und die Vorspanndienste, die in dem hügeligen Gelände für die großen Durchgangsfuhren nötig waren, förderten auf das stärkste dieses Gewerbe. So herrschte in den früheren Zeiten bis ins 19. Jahrhundert auf den eichsfeldischen Straßen ein lebhafter Frachtwagenverkehr.

Ein solch eichsfeldischer Frachtwagen war ein großes, aus festem Holz verfertigtes, breitgelagertes Fahrzeug, mit einer Plane überspannt. Vorn war der Kutschersitz angebracht, die sogenannte „Schoßkelle“. Unter dem Wagen war das „Schiff“ befestigt, das Futter für die Pferde enthielt, und wenn ein solcher Wagen Fässer mit dem beliebten Nordhäuser Schnaps beförderte, so lag hier auch ein Fässchen mit dem sogenannten „Füllschnaps“ für die Fuhrleute. An den Seilen hingen aus Weide geflochten kleine Körbe, die zur Aufbewahrung von Lebensmitteln für die Fuhrleute und sonstigen kleinen Gebrauchsgegenständen dienten.

Die Fuhrleute schritten langsam und würdevoll neben dem Wagen her, die Peitsche in der Hand, mit einem blauen Kittel, dem sogenannten „Spanskittel“ angetan, die kurze Pfeife im Mund, ein buntes Tuch um den Hals lose gebunden, auf dem Kopf ein dunkler Hut mit breiter, hochgeschlagener weißer Krempe, Hosen unten in geschnürte Gamaschen zusammengefasst und sich in hohen Schuhen verlierend.

Starke Pferde, gewöhnlich vier an der Zahl, zogen die schwer beladenen Wagen. Die Tiere trugen wuchtige Kunte an den Hälsen. Das Pferdegeschirr war reich geschmückt mit „Scheibenbändern“, d. h. glänzenden Messingscheiben, die an beiden Seiten hinabhingen.

Dieses stolze Fuhrmannsgewerbe musste natürlich verschwinden, als die Maschine ihren Siegeszug auch durch dieses Ländchen hielt. Die erste Eisenbahn Kassel – Halle (1867), die der alten West-Ost-Straße folgt, versetzte dem Pferdefuhrwerk den Todesstoß. Die Fuhr- und Handelsleute mussten sich umstellen; die meisten zogen sich wieder auf ihre rein bäuerliche Betätigung zurück.

Dr. Karl Hartung
(Quelle: „Mein Eichsfeld – Heimat-Jahrbuch für 1939“, Duderstadt: Mecke, S. 67 – 68)