Carl Duval: Zur Geschichte von Burg und Schloss Bischofstein (1845)

Dem 1845 im Verlag von Friedrich August Eupel in Sondershausen erschienenen Buch von Carl Duval: „Das Eichsfeld“ entnehmen wir folgende Schilderung Bischofsteins und seiner nächsten Umgebung:

„In dem Thale der Friede, welches eines der schönsten auf dem ganzen Eichsfelde ist, liegt rings von schönen bewaldeten Bergen eingeschlossen, tief unten an dem bei Kloster Zella entspringenden und von schmackhaften Forellen belebten Bach Friede, das große Dorf Lengenfeld, zum Unterschiede von dem Dorf „Mühlhäusisch-Lengefeld“ „Lengenfeld unter dem Stein“ genannt. Es ist Sitz einer königlichen Domainen-Rentmeisterei und Forstkasse, so wie auch eines königlichen Unter­försters, hat eine katholische Kirche königlichen Patronats, eine Schule, und zählt in 160 Häusern gegen 1400 Einwohner.

Über dem Dorf liegt das Domainenerbpachtsgut Bischofstein, dessen Besitzer Herr Müller ist. Das in einem einfachen edlen Style erbaute Schloss blickt inmitten schöner, parkähnlicher Anlagen mit seinen weißen Mauern überaus reizend durch und über die Büsche und Bäume, welche es rings umflüstern, und hinter diesem Schlosse erhebt sich ein hoher waldiger Bergzug, an dessen linker Ecke, auf schwindelnder Höhe eine alte Linde steht, welche die Stätte bezeichnet, auf der einst das uralte Schloss Bischofstein stand.

Der Weg hinauf lässt sich nicht ohne Anstrengung zurücklegen, langt man aber endlich oben an, so bietet sich eine so herrliche Aussicht dar, dass man sich für alle gehabten Anstrengungen reichlich belohnt fühlt. In der schönen Landschaft, welche vor uns ausgebreitet liegt, reiht sich Hügel an Hügel, über ihn erheben sich in trefflicher Gruppierung höhere Berge und besonders traulich grüßt der Hilfensberg, dessen Kirche ganz deutlich zu erkennen ist, zu uns herüber.

Werfen wir einen Blick über die Stätte, welche einst die stolze und mächtige Burg Bischofstein trug, so erkennen wir so­gleich, dass alle Pracht und Herrlichkeit, welche hier einst herrschte, schon längst in das Grab der Zeit gesunken sind, denn nur geringe Spuren verkündigen dem forschenden Wanderer, dass hier einst eine Veste stand; aber der Sturm der Zeit hat sie zertrümmert und wo damals kräftige Ritter und Mannen wohnten, da hausen jetzt Dachse und Füchse, wo einst der Becher der Freude erklang und Heldenlieder erschollen, da herrscht jetzt tiefes, schauerliches Schweigen und Stille des Todes. Keine Spur des Lebens rührt sich rings umher, es müsste denn ein scheuer Vogel sein, der aus dem Gebüsch auffliegt, oder eine Eidechse, die durch das Gebüsch schlüpft. Stille umgibt den einsamen Wanderer, der diese Trümmer besucht, das Leben und Treiben der Menschen, tief aus dem Thale schlägt nicht an sein lauschendes Ohr, nur leise hallt aus der Tiefe die Schalmei des Hirten, das Geläut der Herden oder das Glockengetön aus den benachbarten Dörfern.“


Nun, zu unserer Zeit war es nicht so still um den Stein. überall hörte man die Laute der Schüler, die dort oben spielten oder ihre Höhlen bauten und die im Wettlauf vom Schloss hinaufjagten, um festzustellen, wer als Erster an der Linde an­schlug. Vom Kuhpalais herauf ertönten die anfeuernden Rufe der Fußballer, und im Winter riss das Geschrei von der Bob­bahn nicht ab. Aber vielleicht fiel seit unseren Tagen der Stein, dessen Linde inzwischen einem Blitzschlag zum Opfer fiel, wieder in die idyllische Ruhe zurück, die der Chronist beschreibt.


Die Geschichte Bischofsteins sei hier gerafft mitgeteilt.

Als erster Besitzer ist Ritter Poppo vom Stein in einer Urkunde von 113 3 belegt. Das Rittergeschlecht vom Stein musste aber den Burgsitz im 13. Jahrhundert Heinrich dem Erlauchten, Landgraf von Thüringen, überlassen, blieb aber als deren Burgmänner auf ihrem früheren Eigentum. Sie bauten die Burg zu einer ausgedehnten Festung aus, in deren Schutz sich auf dem heutigen Kuhpalais ein kleiner Marktort „Stadt am Stein“, umgeben von Mauer und Graben, entwickelte. Die Versuche des kriegerischen Mainzer Erzbischofs Gerhard v. Eppstein, die Burg während der hessisch-thüringischen Erb­folgekämpfe in seine Hand zu bringen, schlugen zunächst fehl. Um 1300 konnte er aber Burg und Amt käuflich erwerben zur Abrundung des von den Grafen von Gleichen gekauften Besitzes im Eichsfeld. Das Geschlecht derer vom Stein ist seitdem im südlichen Thüringen sowie in Nassau anzutreffen. Aus letzterem Zweig ging später der bekannte Staatsrefor­mer Preußens hervor.

An deren Stelle belehnten die Erzbischöfe die von Hanstein mit Burg und Amt Bischofstein. Aus dem Jahr 1358 gibt es ein Register aller zum Stein gehörigen Güter in den Ortschaften Bartloff, Diedorf, Ershausen, Faulungen, Frieda, Geismar, Haynrode, Hildebrandshausen, Katharinenberg, Keudelstein, Krambach, Lena, Miserode, Lengefeld, Töpfer, Wilbich so­wie 11 weiteren Orten, die inzwischen Wüstungen wurden. 1583 wurde mit der Landgrafschaft Hessen Frieda gegen das bisher hessische Döringsdorf am Fuße des Hilfensberges ausgetauscht.

Seit 1460 wird Burg und Amt Stein in allen Akten „Bischofstein“ genannt. Im gleichen Jahr billigte Erzbischof Diether dem Burgmann auf dem Bischofstein 100 Gulden zu, zwecks Verbauen des Brunnens. Da das Heraufholen des Wassers aus dem sehr tiefen Schlossbrunnen sehr mühselig war, hatte man in den letzten Jahren das Wasser auf den Rücken von Eseln aus dem Tal heraufgebracht. Als jedoch der Wolf eines dieser geduldigen Tragtiere „erwürgt“ hatte, sah man sich zu einem derartigen Aufwand genötigt, zumal die Verteidigungsbereitschaft der Burg mangels Trinkwasser wesentlich geschmälert schien.

Im 30-Jährigen Krieg wurde das Schloss und die Stadt am Stein völlig zerstört. Die Dörfer des Amtes hatten furchtbar ge­litten. Z.B. gab es am Ende des Krieges in Lengefeld nur noch 24 Herdstellen. In den nächsten Jahren ließ das Erzstift am Fuße des Burgberges einen massiven Bau als Amtssitz neu errichten. Man verwendete dazu die Steine der alten Burg. Aber 1747 beschloss der Erzbischof Johann Friedrich Carl Graf v. Ostein bei einem Besuch seiner Besitzungen im Eichs­feld, Bischofstein als Sommersitz auszubauen. Nach den in Mainz angefertigten Plänen entstand der heutige Baukomplex unter der Leitung des Baumeisters Heinemann aus Dingelstedt. Zunächst wurde das Alte Schloss hochgezogen mit seinem weiten Treppenhaus, den repräsentativen Räumen und Wohnzimmern. Dann wurde das Amtsgebäude erweitert, in dem später unsere Schulräume und Schlafsäle untergebracht waren. Schließlich wurden an den Längsseiten des rechteckigen Hofes die Wirtschaftsgebäude errichtet. Damals wurde der tiefe Brunnen in der Ecke des Schlosshofes gegraben und der schöne Park angelegt. Selbst die beiden Maulbeerbäume sollen in der Folgezeit gepflanzt worden sein.

1802 endete die Selbständigkeit der geistlichen Fürstentümer. Im Reichsdeputationsschluss wurde das mainzische Eichs­feld preußisch. Innerhalb des Kreises Heiligenstadt wurde Bischofstein preußische Domäne und mit dem landwirtschaft­lichen Betrieb verpachtet. In der Zeit der napoleonischen Okkupation wurde das Eichsfeld Departement des Königreichs Westfalen. Dessen neu ernannter König Jerome, des Kaisers lebenslustiger jüngster Bruder, verkaufte Bischofstein wie die meisten anderen Domänen an Privatleute, um die Kosten für die aufwendige glanzvolle Hofhaltung in Kassel finanzieren zu können. Die Besitzer wechselten häufig und die Gebäudesubstanz war sehr heruntergekommen als Dr. Marseille im Herbst 1907 das Schloss erwarb, um es zu einer Heimstätte der Jugend auszubauen.

Carl Duval
(Quelle: „Das Eichsfeld“, Sondershausen: Druck und Verlag von Friedrich August Eupel, 1845, S. 357 ff.)