Bischofsteiner Erinnerungen: Forschungsvorhaben „Badewanne“ (1988)

Vorab die Exculpation: nur weil Günther Hangen - dem ich das folgende natürlich als höchst unschicklich moralisch zu verurteilende Geschehen, beim letzten Bischofsteiner Treffen nach inzwischen eingetretener Verjährung errötend unterbreitete – weil eben dieser Günther Hangen mich aufforderte, die Story dennoch abzusondern: also geschehe es.

Es muss sich irgendwann 1941 abgespielt haben, Beteiligte werden schamhaft verschwiegen, die Erinnerung mag auch manches verschönt, die Phantasie zu mancher Bereicherung beigetragen haben, objektive Wahrheit in allen Einzelheiten kann also nicht schwurfest versichert werden.

Wie bekannt, wurde der streng eingeteilten Reinlichkeit in wöchentlicher Höchstleistung durch das Ermöglichen der Benutzung von Badewannen im Keller Tribut gezollt. 8 Badewannen lauerten in zwei Reihen im Raume auf reinigungsbedürftige Knabenkörper, denen Nutzungszeit und -dauer in einem wohldurchdachten Organisationsplan verordnet wurden. Mit Ausnahme seltener Wasserscheuer genossen wir es, schon am Lärm konnten es Außenstehende wahrnehmen. Ein Pfiffikus hatte jedoch ermittelt, dass es während einer bestimmten Sperrzeit die dem weiblichen Geschlecht zugeordneten Maiden des Küchen- und sonstigen Personals dieses Privilegs (aus vielfachen Gründen war dies begrüßenswert) auch teilhaftig wurden. Versteht sich von selbst, dass zu dieser Zeit jedenfalls den Schülern das Aufsuchen oder auch nur Näherkommen dieses Bereichs strikt untersagt war. Was verboten ist, heischt nach Übertretung. Dies umso mehr, als in jenen grauen Vorzeiten gar manchem Bauart und Konstruktion des weiblichen Körpers zumindest in lebender Natura in heute unvorstellbarer Weise völlig unbekannt war. Nach sorgfältiger Erörterung der denkbaren Risiken wurde generalstabsmäßig geplant, wie ein höchstmöglicher Erfolg erreichbar sei. Ein strenger Logiker entwickelte den Plan:

Erheblich vor Beginn der weiblichen Badezeit müsse man sich (nur zwei konnten allerdings aus Platzgründen insoweit aktiv handeln) in einer der hintersten Wannen flach legen und mucksmäuschenstill der Dinge harren. Die Erfahrung lehrte, dass zunächst von vorn beginnend die ersten in die Wannen stiegen. Bis also die in den hinteren Wannen versteckten Späher entdeckt würden, müsse schon ein beträchtliches Angebot zu verzeichnen sein.

Mittels Los wurden die beiden Aktivisten ermittelt. Gute Planung trägt stets reiche Früchte: es geschah wie geplant. Vorsichtig über den Badewannenrand linsend genossen die Untäter jedenfalls schon von der Masse her ihnen neue Anblicke. Bis eine der Maiden in die vorletzte Wanne wollte und mit schrillem Aufschrei ihre Entdeckung meldete.

Über den weiteren Geschehensablauf gibt es verschiedene Versionen. Sie spiegelten teils übertriebene Phantasie und Genusssucht, teils aber auch dürftige Beobachtungsgabe und Merkfähigkeit wider. Das Ergebnis wurde im Kreis der Verschwörer eingehend erörtert, dabei kam es auch zu Wetten über die verschiedenen denkbaren Reaktionen der auf der anderen Seite Beteiligten. Letztlich sollte auch hier der Logiker Recht behalten: mögen einige auch schweigen, manche sich vielleicht dessen sogar schalkhaft oder aus anderen Gründen erfreut haben – eine quackelt immer, sodass es höheren Ortes an die Glocke kommt. Dem galt es mannhaft zu begegnen.

Wenn keiner leugnet (schon der so erworbene Tatenruhm ließ ein Geständnis reizvoll erscheinen), alle sich zur Gesamtschuld bekennen, die Späher ausdrücklich als dem Team verpflichtete Beauftragte vor einer Hauptschuld bewahrt wurden, dann hatte man es mit Gruppenhaftung zu tun, womit allzu boshafte Sanktionen kaum denkbar waren.

So ging es denn letztlich auch aus. Heiner Hoffmanns Moralinsuada wurde mit Sündermiene ertragen. Was verhängt wurde, weiß ich nicht mehr. Unrichtig ist aber die Behauptung, Rpk sei an näherer Darstellung des Forschungsergebnisses interessiert gewesen. Er lächelte nur, hob den Zeigefinger, meinte, wir sollten das Gesehene nicht verallgemeinern, geschweige denn, uns davon abschrecken lassen - und verwies auf einschlägige Kunstmappen.

Rückschauend betrachtet: wie war man vor Zeiten doch als Jüngling selbst bei vermeintlich sündigem Tun doch bescheiden sittsam, was manchem heute durchaus zu wünschen wäre.

Und eine Bitte: haltet denjenigen, der dies Geschehen nun offenbart hat, bitte nicht für einen frühzeitigen Sittenstrolch, denn alle Beteiligten haben sich seither (soweit bekannt) eines ehrenhaften Lebenswandels befleißigt.

Jan-Wolfgang Berlit (Schüler der Internatsschule Bischofstein von 1940 – 1941)
(Quelle: „Bischofsteiner Rundschreiben“, Weihnachten 1988, S. 18-19)