Zweierlei Maß

Ein dramatisches Volksstück

Kurz nach dem Bauernaufstand im Jahre 1526/27.
Nach Geschichte und Sage des Südeichsfeldes,
für die Laienbühne des Dt. Kulturbundes bearbeitet von

Lambert Rummel
Lengenfeld unterm Stein

Hauptorte der Handlung:

Burg Bischofstein, Flur von Lengenfeld und Effelder

Personen und Darstellung (im Film):

Franz, ein Bauerschäfer (Josef Gaßmann)

Else, Tochter des Köhlers vom Köhlersborn (Gertrud Witzel, geb. Fick)

Amtsjäger des Pfandherrn Frh. Von Bülzingsleben (Gerhard Hildebrand)

Adam Hecht, Landsknecht aus dem Bauerheer(Lothar Steinwachs)

Nikolaus Bratsch, Landsknecht aus dem Bauerheer (Christoph Steinwachs)

Amtsschreiber von Bischofstein (Heinz Blankenburg)

Amtsvogt des Kurfürsten von Mainz auf Bischofstein (Albin Gaßmann)

Junker Johann, Amtsvogt von Greifenstein

Junher Hermann von Normanstein

Schmied von Effelder

Pfandvogt Weingartner des Freiherrn von Bülzingsleben

Schultheiß von Effelder

Trossknechte, Bauern, Köhler

1. Auftritt

Der Bauernschäfer Franz sitzt unruhig am Waldessaume über dem Köhlersborn an der goldenen Pforte und sieht in den Wald nach links. Er führt folgendes Selbstgespräch:

Franz: Wo doch die Else heute bleibt? – Eine Stunde sitze ich schon und warte. Sie lässt doch sonst nicht auf sich warten. Sollte etwas geschehen sein? – Der Jäger des Pfandvogtes spionierte den ganzen Nachmittag am Hohen Handstein herum. Er ist jetzt noch nicht zurück zur Burg, der Schnüffler. – Aha, endlich, dort kommt die Else – aber wie still, kein Schücher wie sonst.

Else tritt aus den Büschen, sehr niedergeschlagen.

Wie ernst und gedrückt bist du heut’, was ist dir begegnet?

Else: Es ist mir schwer ums Herz, Franz.

Franz: Nimm’s gar nicht so schwer, das Leben, wir sind doch noch jung. Und schön ist das Leben, wenn man sich gern hat. Komm – (fasst sie an der Hand und zieht sie mit sich nieder auf den Rain)

Else: Ja das ist das Einzige Schöne noch auf Erden, dass wir beide uns gern haben. Aber wie schrecklich ist die Not und der Kummer unter uns geringen Leuten. Schon seit über 200 Jahren lastet die Pfandschaft derer von Bülzingsleben auf Burg und Dorfflur, wie es uns schon die Urgroßväter sprachen. Niemand ist sich einig, die Fürsten streiten um ihre Landesgrenzen, der Adel um seine Lehen, die Bauern, Kölner, Holzknechte, Köhler und Schäfer müssen fronen und Handdienst leisten für diese Herren.

Franz: Ja, da hast du Recht Keine Ackergrenzen weiß man sicher, täglich Streit zwischen den Burg- und Dorfschäfern wegen übertreiben. Und wer wird gebüßt9 Die Bauerschäfer. Und wie geht's im Holze? Häckholz und Laubstreu holen ist verboten

Else: Heute Nachmittag hat der Jäger bei unserer Kohlestede in einem hohlen Baum einen gejagten Hasen gefunden. Nun behauptet er, der Vater hätte denselben beim gestrigen Treiben beiseite geschafft und in dem Baum versteckt. Er will den Vater beim Amtsvogt anzeigen, damit er gebüßt werden soll.

Franz: (springt erregt auf) Der Amtsjäger? – der Schleicher und Leisetreter? Grad er ist es ja, der die Vögte aufhetzt und immer behauptet, ich, der Bauerschäfer hatte über die Burggrenze gehütet! Den Burgschäfer streicht er heraus, der ist stets ein Engel und ich der Teufel. Aber warte, auf Kirmes da kriegt er sein Traktament. Da wird ihm sein Wanst geschrubbt.

Else: Davon wird auch nichts besser! Und Kirmes? Wer will feiern und tanzen mit leerem Magen? Kirmes und nichts zu beißen und zu brechen!

Franz: (umfasst sie und dreht sie hemm wie beim Tanz) Juchhe! Wir tanzen doch! (lässt sie los und spricht) So wie die Not das Beten lehrt so lehrt sie auch das Nehmen, wo was ist aus Großvaters Hölzchen, da gibt's noch viel! (Frau: horcht in der Ferne Hundegebell) Hörst du meine Hunde werden laut. Ich muss zu meinem Pferch am Walperbühl. Geh du zurück zum Köhlersborn, fürchte dich nicht. Nur nimm dich in Acht vor dem Amtsjäger. Er ist in der Hohen Dämmerung noch am Handstein herumgestrichen, er ist noch nicht zurück.

Else: Ach, Franz – eine Köhlerstochter und sich furchten! Sind wir nicht mit Hase und Igel
Aufgewachsen? Und dem Jäger, dem schlag ich ein Schnippchen wenn ich ihn treff’ verlass dich drauf.

Franz: (umarmt Else noch einmal und spricht) Bis morgen Abend mein Schatz! (geht rechts ab und jodelt noch einmal)

Else: (verharrt noch ein Weilchen, winkt noch mit der Hand und sagt) Ein Glück nur das ich dich habe! In eine harte Zeit sind wir hineingestellt. Die Not der Zeit fällt wie ein kalter Reif auf unsere junge Liebe.

(Else wendet sich nach links zum gehen, da tritt ihr der Amtsjäger entgegen)

Amtsjäger: (schmeichelhaft freundlich) Ei – sieh doch die Köhler-Else!

Else: Ja – doch lasst mich vorbei, ich will mit euch Burgleuten nichts zu schaffen haben.

Amtsjäger: Ah so – aber desto lieber mit dem Bauerschäfern und Holzknechten!

Else: Was geht es euch an? Lasst mich durch.

Amtsjäger: (schmeichelhaft) Sei doch nicht so kratzig! Doch sag mir lieber: was haben die zwei Kölner von Lengenfeld und der Köhler vom Heinrichstal in der Dämmerung mit Hacken und Schippen im Buchborn getrieben? Von Effelder kamen auch noch zwei durch die Habezug geschlichen. Das musst du doch auch vom Hohen Handstein gesehen haben!

Else: Was werden die gemacht haben?! Dachse haben sie ausgegraben. Ist Dachsfett nicht noch das einzige Fett, womit wir unsere Suppen schmelzen können? Dies hat der Amtsvogt doch erlaubt! Und Jäger - ihr könntet auch mal ein Auge zudrücken in solch schwerer Notzeit!

Amtsjäger: Ihr kleinen Leute, ihr haltet zusammen wie Pech und Schwefel wider die Herrenleute – Gesindel, Buschklepper und Schnapphähne versteckt und verhehlt ihr. (will Else umfassen und an sich ziehen) Komm, gib mir lieber einen Kuss, dann drück ich beide Augen zu und deinem Vater vermelde ich nicht beim Vogt.

Else: Pfui (stampft mit dem Fuß auf und zieht sich zurück) Um einen so krummen Hasen willst du mir meine Ehre und Treue abhandeln? – Pfui und nochmals pfui! Ist das Wild nur für die Herrenleute? Frisst es nicht von den Bauernäckern? Der Herrgott lässt es leben und wachsen für alle Menschen. Jetzt nach dem zusammengebrochenen Baueraufstand bei Frankenhausen treibt’s ihr Herren immer schlimmer mit den kleinen Leuten.

Amtsjäger: (nähert sich Else wieder schmeichelhaft) Warum bist du so störrisch? Warum hältst du nicht zu mir? (will sie umfassen Else weicht zurück, fährt dem Jäger mit gekrallten Fingern durch das Gesicht. - Packt Else und zieht sie zurück) Verdammte Wildkatze! (will sie noch einmal umfassen, in dem Moment fallen Schüsse. Else und Jäger erschrecken und stehen wie erstarrt auf einem Fleck)

Else: Lasst mich los Jäger die Schüsse kommen aus dem Köhlersborn in der Nähe unser Köhlerstätte mein Vater ist in Gefahr – zu ihm muss ich – lasst mich los. (will sich entwinden)

Amtsjäger: Aus dem Buchborn kommt der Hall der Schüsse. Du willst mich verkohlen. (Else tritt den Jäger, reist sich los und entweicht in den Wald, Jäger ballt beide Fäuste hinter ihr her und schreit hinter ihr her) Das gedenke ich euch verruchte Bande – Dachs ausgraben – Köhlerhexe – jetzt wird mir hell im Schädel (lauscht ernüchtert, setzt sich auf den Rasenrain stützt den Kopf in die Hände) Sie stecken alle unter einer Decke. (Weitere Schüsse fallen) Horch – ein Anschlag, ein Überfall im Buchborne – noch heller wird's mir im Schädel – der Anschlag kommt aus Effelder – mit Lengenfeldern Helfershelfern. (Fasst sich an Kopf) Dann müssen sie hier vorbei. Schnapphähne sind’s, du Köhlerhexe. Ich muss mich verstecken, um zu lauschen. (näherkommende Geräusche, Jäger versteckt sich) Ich dachte, sie kommen näher.

Zwei geschwärzte Männer mit einem Fässchen, ein anderer mit einem Ballen Garn machen Rast und legen die erbeuteten Sachen ab. Lagern sich.

Adam Hecht: (erscheint mit Hakenbüchse, streichelt dieselbe liebreich und legt sie auf den Ballen) Sieh Nickel, es ist doch gut, dass wir unsere beiden Hakenbüchsen mit aus dem Lager von Görmar gebracht haben Hätten wir die nicht gehabt, so konnten wir diesen Streich heut Nacht nicht aushecken.

Nikolaus Bratsch: Hahaha, dem Greifensteiner sein Wein! Der soll uns gut schmecken diesen Winter. (trocknet sich den Schweiß, zeigt auf das Garn) Recht geschieht’s auch den Handelsherren und Pfeffersäcken von Mühlhausen. Hungerlöhne zahlen sie den armen Webersleuten. Davon können die sich selbst mal billiges Tuch für den Winter machen.

Adam Hecht: (lacht laut) Fein hatten die Köhler und Kötner vorgearbeitet. Zwei Gräben auf dem Mühlhäuser Weg am Buchborn ausgehoben und dann wieder mit Reisig bedeckt. Wie da die Räder brachen! Und unsere Schüsse knallten – hahaha.

Nikolaus Bratsch: Die Pferde hatten sich ausgesträngt, die preschten hinter den Trossknechten, Reisigen und Fuhrleuten übers Lärchenfeld nach Mühlhausen zu. Die sind jetzt schon bald in Mühlhausen, dass freudige Ereignis zu verkünden.

Adam Hecht: Über den Anschlag die kommende Nacht wisst ihr Bescheid. Jetzt, wo der Amtsvogt mit den Normansteiner Junkern Jagd und Gelage macht, müssen wir noch schnell handeln. Denn wenn die Sache hier ruchbar wird, sitzen sie uns schon übermorgen schon auf dem Hals. Kommende Nacht brechen wir in den Pferch des Amtsschäfers auf dem Uhlenstein ein. Eh der Mond kommt, macht zuerst die Hunde stumm, dann riegelt den Schäfer in sein Karren ein, dann kann er kein Wort schreien. Gegen Mitternacht schleichen wir an den Pferch heran. Bringt aber keine größeren Waffen mit, nur Knifte, Dolche und Hiebmesser, damit wir und die Leute im Winter etwas gutes Fleisch haben. – Und nun packt auf, bald graut der Tag. Bergt alles in den Verstecken, verteilt wird später. Der Schmied von Effelder soll aus dem Spiele bleiben, kommende Nacht. Wenn’s schief geht wird er uns schon den Rücken decken. (Schnapphähne ziehen ab.)

Amtsjäger: (Kriecht vorsichtig aus den Buschen, lugt umher und spricht) Das war also das Dachsausgraben! (droht hinter den Schnapphähnen her) Euch will ich das Hammelstehlen kommende Nacht versalzen! Der Vogt und die Junker müssen sofort vom Normanstein zurückgeholt werden. (Läuft zur Burg)

Vorhang fällt

2. Auftritt

Amtsstube auf Burg Bischofstein