Die St.-Georgs-Kapelle
Wie wir aus alten Urkunden erfahren, war fast in jeder Burg eine Kapelle eingerichtet. So finden wir in den vielen Burgen als stumme Zeugen der Vergangenheit fast ausschließlich außer den anderen Räumlichkeiten stets die sogenannte „Schlosskapelle (Burgkapelle). So muss auch die Burg „Stein“ - ab 1409 „Bischofstein“ - bereits 1269 eine Kapelle besessen haben. Denn in diesem Jahr wird in einer Urkunde schon ein Pfarrer der Burg „Stein“ mit Namen „Siegfried“ als Zeuge genannt.
Wo hat nun diese Kapelle gestanden? L. von Wintzingerode - Knorr („Die Wüstungen des Eichsfeldes, 1903“) verlegt die Kapelle außerhalb der Burg in das Gelände, wo die ehemalige „Stadt zum Stein“ gestanden hat, die 1420 noch urkundlich erwähnt wird.
Diese Annahme wird durch folgende zwingende Punkte erhärtet:
1.
Als der Amtsvogt Philipp Falk, der in den Kirchenrechnungen von 1581 bis 1617 genannt wird, die derzeitige Burg Bischofstein beschreibt, nennt er sämtliche Gebäude mit ihren Räumen, dann die Pferdeställe und auch die Holzschuppen.
Unter dieser Aufzählung der Räumlichkeiten erwähnt er sogar eine „wüste Stuben“, die „Nonnenstube“ genannt, die im Dachgeschoss liegt.
Wenn eine Kapelle innerhalb der Burg, vielleicht im Amtsgebäude gelegen hätte bestimmt Philipp Falk dieselbe mit allen Inventarien bei dieser Beschreibung erwähnt.
2.
Wolf schreibt in seiner „Politischen Geschichte des Eichsfeldes, 1792,“ Seite 139:
„Stadt zum Stein, ein 1420 noch stehender Marktflecken, der durch einen Felsen von dem alten Schlosse Stein getrennt und auf den übrigen Seiten mit Mauern und Gräben umgeben war.
3.
"Der jetzige kurfürstliche Amtmann, Herr Regierungsrat Holzborn (gestorben am 14.9.1793), hat die Trümmer der Kirche entdeckt und das Mauerwerk derselben bei 4 Schuh hoch über der Erde aus dem Schutte aufgraben lassen.“
Ein genaueres Bild von der Lage der St.-Georgs-Kapelle vermittelt uns die Grenzregulierungskarte von 1583. Nach dieser Darstellung stand diese Kapelle unterhalb des Burgfelsens auf einem kleinen Plateau in Ost-West-Richtung.
Die Erbauer dieser Kapelle, die wahrscheinlich um 1200 errichtet worden ist, sind die Ritter als damalige Besitzer der Burg „Stein“ gewesen. Da St. Georg als Vorbild ihr Schutzpatron war, ließen sie diese Kapelle auf den Titel „St. Georg“ weihen.
Im Saalbuch vom Bischofstein finden wir auf Seite 315 das Einkommen dieser Kapelle: „Acht Morgen Land beim Frauenstein gelegen, zinset der St.-Georgs-Kapelle auf Bischofstein.“
In den Pfarrakten der Divi-Blasi-Kirche zu Mühlhausen ist folgende Eintragung vermerkt: „Der Amtsvogt Philipp Falk auf Bischofstein wurde am 22. September 1594 mit Ottilie, verw. Schwellenberg, geb. Reinhard zum ersten Male aufgeboten. Die Trauung aber fand in der St. Georgskapelle auf Bischofstein statt.“
In den Kirchenrechnungen von 1604 lesen wir unter Rubrik „Ausgabe“:
„9 Pfennig vor Meßwein in die St. Georgi Kapelle.“
Also hat derzeit schon der Lengenfelder Pfarrer Laurentius Hahn in dieser Kapelle die hl. Messe gelesen und die Insassen der Burg Bischofstein seelsorgerisch betreut.
Anlässlich der Weihe der Kirche zu Lengenfeld auf ihren alten Titel B.M.V., der Friedhofsweihe, und der Firmung am 5. Mai 1611 weihte der Mainzer Weihbischof zu Erfurt Cornelius Gobelius am 11. Mai 1611 die St.-Georgs-Kapelle auf der alten Burg Bischofstein auf ihren alten Titel.
Aus den Kirchenbüchern in Lengenfeld erfahren wir weiterhin, dass die Lengenfelder Pfarrer auch nach dem Dreißigjährigen Krieg den kirchlichen Dienst in dieser Kapelle in etwa weiter geführt haben, wie folgt:
„Anno 1693, 5. Oktober habe ein unächtig Kind getauft in der Kapelle St. Georgi ufm Bischofstein, so von einer Malefifizperson geboren der Vater wurde dazu benannt - der Scharfrichter aus der Vogtei ein Ehemann. Dies Kind hat H. Amtsvogts Magt Margaretha aus der Taufe gehoben.“
„Anno 1695, 5. August ist auf dem Amtshause Bischofstein ein unächtich Kind als Söhnlein geboren von Margaretha Kobold aus der Fulung gebürtig, zu welchem Kinde der Vatter Hans Grieß aus dem Lüneburger Lande von ermelter Person denomiert. Dies Kind ist in der Schloßkapelle St. Georgi getauft worden. Darzu Gefattern sind gestanden Jacob Kobold jun., Joseph Witzel und Maria Hedderich.“
Aus den Lengenfelder Pfarrakten vom Jahre 1699 erfahren wir auch die Entlohnung des Pfarrers und des Schuldieners für die Abhaltung des Gottesdienstes auf Bischofstein:
„Copia Churfürstl. Inscripti“
„.........haben wir von unserm Pfarr und Schuldiener zu Lengenfeld Amt Bischofstein eingestalten Manoli und dem darauf unterthänigst erstatteten Bericht ausersehen, daß dieselbe gegen die Versehung des Gottesdienstes auf Schloß Bischofstein gehabte vor 7 Jahren versprochene Zulage an Holz beschwerend um der Erhöhung bitten wollen.
Wir mögen darauf gnädigst geschehen lassen, daß wieder die deswegen habende Mühe ihm Pfarrer jährlich und das 1700 ste Jahr zum ersten Male zwei Malter Scheite und zwei Schock Reisig, dem Schuldiener aber jährlich wie erst gemeldet vier Schock Reisig aus unserer Waldung gefolget und von unserem Förster angewiesen werden sollen.
Bamberg, den 11. Dec. 1699
Lothar Franz
Churfürst“
Als letzte Eintragung über die St.-Georgs-Kapelle lesen wir im Trauregister des Kirchenbuches zu Lengenfeld:
„Henricus Helm Präfect in Bischoffstein et Greiffenstein cum vituosa virgine Maria Regina Duderstadiana Sothen in Sacello ad S. Georgium in Arce Bischoffensteinensi die 18. July 1708 copulati a me infra Scripto
Henrico Adamo Heittrich.“
Als nun im Jahre 1747 das Amtsgebäude Schloss Bischofstein am Fuße des Burgberges, dort, wo einst das Vorwerk der Burg Stein gestanden hatte, gebaut wurde, erfolgte vorher der Abbruch der alten Burg und auch der St.-Georgs-Kapelle, um Baumaterial für diesen Neubau zu gewinnen. Während der Abbruch- und Bauarbeiten war die Meierei der Amtssitz des Amtsvogtes. Nach Fertigstellung des neuen Amtsgebäudes wurde darin als Tradition eine St.-Georgs-Kapelle eingerichtet, die aber nach der Okkupation im Jahre 1803 durch das Königreich Preußen geschlossen wurde. Bei dem Okkupationsbericht des letzten Amtsvogts Kellner im Jahre 1803 werden folgende Inventarien der St.-Georgs-Kapelle aufgezählt: 1 silberner Kelch mit Patene, 1 tragbarer Altar, 2 schlechte Messgewänder, 2 massive Leuchter, 2 zinnerne Leuchter, 1 Hand - und Beierschelle, 1 altes Messbuch.
Mit der Schließung dieser Kapelle fand die über sechshundert Jahre alte St.-Georgs-Tradition auf der Burg und Schloss Bischofstein ihr jähes Ende.
Walther Fuchs
(Quelle: Kirchenchronik der Pfarrei „Mariä Geburt“, Lengenfeld unterm Stein)