Spuren älterer Saurier der Trias im Südeichsfeld (1955)

Im oberen Friedatal wurde unweit von Lengenfeld u. Stein bei Ausschachtungsarbeiten für Neubauten zwischen dem Hauptbuntsandstein und der unteren Grenze des Rot (oberer Buntsandstein) eine Karneolsandsteinschicht angeschnitten, in der ich im Juli 1955 für das Eichsfeld erstmalig Fußabdrücke von größeren Handtieren feststellen konnte. Handtiere deshalb, weil die Abdrücke, die sie auf den Steinplatten hinterlassen haben, menschlichen Händen gleichen. Diese Karneolsandsteinschicht wird darum auch Chirotheriumschicht genannt. Es sind die Abdrücke der ersten „Landkriechenden Wirbeltiere“ (Stegocephalen), die heute ausgestorben sind. Sie waren die kleineren Vorläufer von Reptilien, aus denen sich erst in der oberen Trias, im Jura, die größeren Dinosaurier entwickelten.

Diese Reptilien werden in nachfolgende Klassen eingeteilt: die Brückenechsen (Rinchoaphalea), die Echsen (Sauria), die Krokodile (Crocodilinia), die Schildkröten (Chelonia) und die Schlangen (Ophidia).

Handtierfußabdrücke und Fährten sind für die Wissenschaft der Phylogenese, d. h. der Stammesentwicklung der Tierwelt, außerordentlich wichtig, besonders die Abdrücke aus dem „deutschen" Buntsandstein, da .mit dem Beginn der Trias die Herrschaft der digitigraden Reptilien, der Zehengänger, und der Übergang zu zweibeiniger Fortbewegung beginnen. Die Wissenschaft misst solchen Abdrücken und Fährten von Handtieren das Alter von 130 Millionen Jahren zu.

Die dem Südeichsfeld am nächsten liegende altbekannte Fundstelle solcher Abdrücke ist Wanfried an der Werra. Da Lengenfeld u. Stein von Wanfried nur durch die schmale Störungszone des Rosebachtales (Saalfeld-Eichenberger-Grabenversenkung) und den sich dieser anschließenden Höhenzug der Plesse getrennt ist, war die Möglichkeit solcher Funde auch „bei uns“ begründet.

Beim Abbruch einer blaugrauen, sehr harten Karniolsandsteinschicht auf der Baustelle des Kunstmalers Josef Richwien konnte ich unter Mithilfe seiner Familie vier einzelne Fußabdrücke feststellen. Auf der Baustelle von Albin Gaßmann, die im gleichen Niveau etwa 200 Meter von der Richwienschen entfernt liegt, stellte ich ebenfalls einen noch heute zweifelhaften Abdruck fest. Über diesen muss ich erst das Urteil eines namhaften Paläontologen einholen.

Leider waren beide Aufschlüsse in dieser Karneolsandsteinschicht nur sehr kurz. Gerne hätte ich gesehen, dass eine größere Steinplatte geborgen werden konnte, auf der sich eine zusammenhängende Fährte der Tiere befunden hätte. Jetzt, da das Interesse und das Wissen bei den Bauarbeitern geweckt sind, besteht die Hoffnung, dass früher oder später eine solche Fährte aufgefunden und geborgen wird. Wir müssen unseren Blick immer wieder auf das Ziel unserer Natur- und Heimatforschung richten, auf die Schaffung und Abrundung unseres eichsfeldischen Heimatbildes.

Im erdgeschichtlichen Aufbau unserer Heimat ist der Buntsandstein der Trias durch eine Wüste entstanden. Hierüber und bezüglich obiger Fußspuren möchte ich unseren hochverdienten Geologen Prof. Neureuter zitieren. Er schreibt in seinem Werk „Das Eichsfeld, Einführung in die Geologie“, Band I, Seite 63 bis 64: „In wüstenartigen Gegenden ist das Tier- und Pflanzenleben nur ein beschränktes. So herrscht auch eine große Armut an Petrefakten im Buntsandstein. Die Pflanzenwelt tritt vorwiegend nur an Randgebieten der Gewässer auf und fristet an salzigen Lachen und Seen ein schweres und wenig formenreiches Dasein. In den Oasen des Buntsandsteines wuchsen einige Schachtelhalme und Farne, von denen Reste in der eichsfeldischen Landschaft bisher überhaupt nicht und nur wenige Arten in den Steinbrüchen des dem Eichsfelde unmittelbar benachbarten Bremkertales gefunden worden sind. Die Zeugnisse vom Vorhandensein einer Tierwelt beschränken sich hauptsächlich auf allerlei Wülste auf den Sandsteinplatten, die gleichartig gerichtet sind oder sich kreuzen, auch miteinander zu mehreren strahlenförmig von einem Punkte ausgehen und Vogelspuren in weichem Schlamm ähneln. Abgesehen von diesen undeutlichen und unsicheren Kriechspuren kommen aber vier- oder fünfzehige Fußabdrücke neben anderen Resten gewaltiger, molchartiger Tiere vor, die man als Chirotheriumfährten bezeichnet. Sie fehlen im eichsfeldischen Buntsandstein bisher ebenfalls, sind aber in der Nähe Treffurts und Wanfrieds gefunden worden.

In der Randzone der hier und da vorhandenen größeren Seen und Lachen werden diese Tiere vorwiegend eine Lebensweise nach Art der Amphibien geführt haben. Hier fanden sie zugleich ihre Nahrung. Später wurden die Kriechspuren und Fährten wieder mit Sand und Schlamm ausgefüllt und zugedeckt. Ihren Abguß findet man daher auf der Unterseite der Sandsteinplatten. Tierfährten sind im eichsfeldischen Buntsandstein bisher nicht nachgewiesen.“

Lambert Rummel

(Quelle: Eichsfelder Heimatbote, Ausgabe vom 05.11.1955)
(wiederveröffentlicht in: Eichsfelder Heimatbuch. Ausgewählt und zusammengestellt von Walter Prochaska. Heiligenstadt: Cordier, 1956)