Auf den Spuren alter Wallburgen im Südeichsfeld

Wer durch die Berge und Täler am Südrande des Eichsfeldes wandert und die Eigenart dieser schönen Landschaft auf sich wirken lässt, wird reich belohnt. In den durch Erosion ausgeweiteten, idyllischen Tälern der Frieda, Lutter und Rosoppe hat jeder Weg seine Reize und seine Besonderheiten.

Professor Neureuter hat oft auf die charakteristischen Trockenrisse an den Bergwänden im Friedatal hingewiesen, an denen man die Schichtung des Gesteins gut erkennen kann (Heiligenberg, Herrental bei Geismar). Auf den Wanderungen begegnet man aber auch alten volkstümlichen Baudenkmälern, die oft bescheiden am Wege übersehen werden (alte Dorfbrunnen, Anger, Dorfkirchen, traute Kapellen, alte Bauernhäuser, Wegekreuze, alte Sühne- oder Mordkreuze auf den Fluren). Auf Bergvorsprüngen kann der Wanderer Reste von alten Wallburgen (Ringwallanlagen) feststellen, die seine Gedanken in die vorgeschichtliche Zeit schweifen lassen.

Über die Wallburgen mit ihren Problemen ist uns geschichtlich kaum etwas überliefert worden. Jahrhundertelang lagen sie als stumme Zeugen, oft versteckt im dichten Walde. Heute ist durch systematische Forschungsarbeit besonders in Westfalen und Mitteldeutschland eine ziemlich sichere Erklärung dieser Wallanlagen möglich. Professor Dr. August Stieren in Münster (Westf.) hat viele Wallburgen im westfälischen Raum durchforscht.

Im südlichen Westfalen sind die ersten großen Volksburgen etwa um 500 v. Chr. aus den Kämpfen der germanischen Völkerschaften gegen die sesshaften Kelten entstanden (Bruchhausen bei Brilon, Steeden, Lippern, Afholderbach, Rittershausen bei Kassel). Die großen westfälischen Fluchtburgen Babilonie bei Lübbecke, Gellingbausen bei Borchen (Kreis Büren), die „schiedliche Borg" auf dem Küppel bei Freienohl, Burg Letmathe u. a. erscheinen erst nach der Vertreibung der Römer (3 Jh. n. Chr.). Es ist nicht ganz geklärt, ob man diese Wallburgen zum (Schutz gegen römische Streifzüge oder zur Sicherung gegen benachbarte germanische Stämme gebaut bat.

In Mitteldeutschland werden die beiden größten Wallburgen, die Steinsburg auf dem kleinen Gleichen bei Römhild in Thüringen und die Alteburg an der Gera (bedeutendste neolithische Fundstelle in Thüringen) nach neuen Forschungen nicht mehr als Keltenburgen angesehen.

Auf den Bergrücken im Eichsfeld sind noch Spuren von vielen Wallanlagen vorhanden, die Dr. Johannes Müller 1940 erstmalig beschrieben bat (Zeitung für Deutsche Vorgeschichte, Heft 1/2, 1940). Eine systematische Untersuchung dieser Anlagen liegt noch nicht vor. Man hat früher die Ansicht vertreten, diese Wälle seien zur Verteidigung der Kelten gegen die allmählich vordringenden Westgermanen des Elbegebietes (etwa 500 – 200 v. Chr.), bestimmt gewesen. Die keltische Herkunft der Wallanlagen auf unseren Höhen, die meistens Bezeichnungen auf „burg“ = bergen tragen (Hasenburg, Matzenburg, Harburg, Madeburg, die Alte Burg, Burghagen beim Reifenstein u. a.) ist zum Teil umstritten. Solche Namen sind im Laufe der Jahrhunderte zuweilen auch natürlichen Felsgebilden zugelegt worden.

Im Randgebiet des südlichen Eichsfeldes bilden zehn zum Teil erhaltene Wallanlagen eine zusammenhängende Befestigungslinie, die sich vom Dörneberg bei Diedorf bis bin zur Gobert erstreckt und als ein natürlicher Schutzwall angesehen werden kann. Die Wälle sind vermutlich in den schweren Kämpfen der Hermunduren (Doringer, Thüringer) und Chatten 58 v. Chr. um die Salzquellen benutzt worden, die nach Ansicht verschiedener Geschichtsforscher bei Sooden-Allendorf stattgefunden haben sollen. An einigen Stellen liegen Funde der Spätlatene-Zeit vor, die erkennen lassen, dass schon im letzten Jahrhundert v. Chr. hier ansässige Menschen unter keltischem Einfluss gestanden und vielleicht als Handwerker Handel mit hergestellten Töpfen getrieben haben.

Auf steil aufsteigenden Waldbergen mit oft lauschigen, verträumten Winkeln stehen wir im Osten vor den Spuren von sechs vorgeschichtlichen Wallburgen: die „Alte Burg" bei Eigenrieden (Mühlhäuser Landgraben), Dörnerberg mit Schanze bei Diedorf, Spindelsburg und Sieboldsburg bei Faulungen, die Schanze im Wilhelmswald bei Bickenriede, Sömmerstein bei Heyerode.

Im Norden: Die Burgbergwallburg auf der alten Burg Stein (Bischofstein), „Der Ochsenkopf" zwischen Büttstedt und Effelder mit Sponstätte (Gerichtsstätte).

Im Süden: Der Stuffenberg (Hülfensberg), die Keudelskuppe (Plesse), Im Westen: Die Goburg (Gabert).

Die Befestigung der Wallburgen bestand aus einem kräftigen Ringwall mit Palisade (Brustwehr) und einem davorliegenden Graben, der an der Bergseite oft durch umfangreiche Wälle abgeriegelt war. In germanischer Zeit waren hier Versammlungsplätze, auch Gerichtsstätten (Mahlstätten). Aus den Anlagen wurden zugleich Kultstätten, wo man den Göttern (Donar, Thor) huldigte.

Die Dörnerborg-Wallburg in der Gemarkung Diedorf zwischen Hainich und Werra (rd. 480 m). Der Berggipfel wird Schanze genannt. Von der Wallburg sind Reste eines großen Ringwalles bei der alten, großen Buche erkennbar. Hier war eine germanische Kultstätte (Donarberg, Donarstätte). Nördlich auf dem Dinkelbühl (Dinkelbiehl) befand sich eine Dingstätte (Gerichtsstätte), die mit dem Donarberg in Verbindung stand. Östlich davon liegt die alte Richtstätte „Galgenrain" (Flurname). Westlich führt uns der Weg auf den „Ziegenberg", wo Donars Böcke weideten.

Auf der Spindelsburg im Waldgebiet des Gaiberich zwischen Hildebrandshausen und Faulungen. Ausgedehnte Erdbefestigungen (Graben, Vertiefungen im Erdboden, Reste einer Erdhöhle innerhalb der Wallanlagen) weisen darauf hin, dass hier in vorgeschichtlicher Zeit eine Wallburg gestanden hat. In Mainzer Zeit war der Wald Zubehör des Bischofstein. In der Flur von Hildebrandshausen weist der Gaiberich (Goy- oder Gayberg, Geuberg) auf eine alte Sponstätte (Gerichtsstätte) hin. Auf dieser Stelle — „Ding“, Thing oder „Mal“ — wurden in altgermanischer Zeit die Rechts- und Verwaltungsfälle der Gemeinde oder des Gaues geschlichtet oder darüber entschieden. Alle freien Männer mussten zum „Ding" erscheinen.

Auf der Sieboldsburg bei Faulungen: Am Sieboldsberg lassen mehrere vorgeschichtliche Wohngruben vermuten, daß hier eine Wallanlage stand. Hier im alten Steinerwald entstand die späte Rodesiedlung Faulungen im landschaftlich reizvollen Tal.

Die Burgbergwallburg bei Lengenfeld unterm Stein: Dem Lauf der jungen Frieda folgend, liegt in der Nähe des durch den Eisenbahn-Viadukt und seine Pfarrkirche auf dem Kirchberg bekannten Dorfes Lengenfeld hinter Schloss Bischofstein ein bewaldeter Bergrücken. Ein steiler Pfad führt allmählich hinauf auf einen mächtigen Felsblock, wo der Blick weit in die reizvolle Landschaft schweift. Bei Ausgrabungen wurden auf der hohen, schwer zugänglichen Bergkuppe zwischen Klippen und Felsen Spuren von alten Ringwällen, Gräben und Siedlungsreste festgestellt. Hier war schon in vorgeschichtlicher Zeit der Mittelpunkt eines alten Befestigungssystems, das bis zur Gobert reichte. Die Quelle am Berghang „In der Tulpen" wird als keltisch angesehen (tulba = Gebirgsbach).

An derselben Stelle wurde etwa um 1070 die alte Feste „Steyn“, „Stene“, „Sten“, „castrum Steyn“, „Burg Stein“, – nach 1409 „Bischofstein“ – erbaut.

Eine fast tausendjährige Überlieferung, gesponnen aus Geschichte und Sage umstrahlt die als eine der ältesten Höhenburgen des Eichsfeldes geltende Burg Stein auf den Höhen des „Hegene“ (Hainich) 1133 urkundlich erwähnt, 1326 „Castrum et oppidum Steyn apud nemus Hegene“ genannt.

Die herrlich gelegene Burg war ursprünglich im Besitz der Gisonen von Gudensberg (hessisches Grafengeschlecht) von 1070-1137, danach folgten die Landgrafen von Thüringen 1137-1241. Nach dem thüringischen Erbfolgekrieg kam Burg Stein an das Haus der Markgrafen von Meißen, später gehörte die Feste zur Hälfte den Grafen von Henneberg und Hardenberg (1298-1409). Unter der Herrschaft von Kurmainz, das nach 1326 über die Hälfte der Burg verfügte, entstand nach 1409 hier ein großer Verwaltungsbezirk (Amt Bischofstein mit 18 Dörfern) bis 1802. Die Burg verfiel nach dem Dreißigjährigen Kriege immer mehr.

Schloss Bischofstein wurde nach Abtragung der alten Burg Stein am Abhang des Burgberges 1747 als Amtssitz vom Baumeister Christoph Heinemann aus Dingelstädt erbaut. Nach 1803 war hier ein Domänengut, nach 1900 ein Landschulheim, heute Ferienheim des FDGB. Die früher allgemein bekannte historische Volkssage „Vom Fräuwechen (Fräubchen) von Engeland“, erzählt von der Zerstörung der Feste Stein.

Über die Stuffenberg-Wallburg (Hülfensberg) zur Keudelskuppe und zum Konstein auf der Plesse:

Auf dem Stuffenberg (Staufenberg), der den alten Namen im 14. Jahrhundert in Hülfensberg geändert hat, ist eine alte Wallanlage und eine heidnische Kultstätte vorhanden gewesen. An der Nordseite des Berges finden wir Erdbefestigungen. Hier hat sich ein Abschnittswall mit einem heute noch teilweise erhaltenen Wallgraben erhalten, der im Halbkreis verläuft und eine Bergzunge abschließt. Die umwallte Stelle bot wegen ihrer günstigen Lage noch im Mittelalter Schutz gegen Überfälle aus dem Frieda- und Werratal. In den Fehdezeiten des 15. Jahrhunderts flüchteten die Dörfer ringsum auf den Berg und verbargen sich in den Vertiefungen und Erdaufwürfen.

Die Bodenfunde aus 1868 und 1890 haben vorgeschichtliche Grabstätten, Gefäßscherben wendischer Herkunft erbracht (Urnen, Knochenreste, Asche im Bergspalt). Die slawischen Keramikfunde weisen auf ehemalige slawische Ansiedler der „Windiscben Mark“ hin, ein Siedlungsgebiet mit überwiegend slawischer Bevölkerung im Umkreis der alten Burg Stein, um 1074-1130 entstanden. Von dem alten stuffenbergischen Kirchsprengel (Urpfarre) aus wurde das Christentum vom 10. bis 13. Jahrhundert ins umliegende Gebiet weitergetragen.

Auf dem langgestreckten, bewaldeten Bergrücken Plesse (483 m hoch)

Hier ist ein reizvolles Wandergebiet, das sich mit der Keudelskuppe und der weithin leuchtenden Klippenwand (Felssturz) bis zu dem nach Südosten vorspringenden Konstein hinzieht. Der Muschelkalkberg ist als hervorragender Pflanzenstandort bekannt (s. „Flora des Eichsfeldes“ von Neureuter). Auf der Bergspitze der Keudelskuppe und des Konstein (keltisch kon, kun = Spitze, Erhebung) sind Reste alter Wallanlagen nachgewiesen (Wälle, Abböschungen, Halsgraben). Hier sollen in altgermanischer Zeit Holztürme zur Überwachung des Verkehrs gestanden haben. Überreste mittelalterlicher Befestigungsanlagen auf der Keudelskuppe, einst auch „Bramborg“ genannt, stammen aus der Zeit Kaiser Heinrich IV (1056-1106), der mit den Sachsen unter Graf Otto von Nordheim 1070 bei Eschwege, bei der Burg Hanstein, 1075 bei Hohenburg an der Unstrut heftige Kämpfe führte. Hier oben war ein Burgstall des Ritters Gottschalk von Plesse, Burgmann auf Burg Stein (*1251-12 9), später Keudelscher Burgstall. Die Wüstung Burgerode weist auf eine burgähnliche Anlage an der Plesse hin. Unter der Keudelskuppe entstand im alten Weiler Kubsdorf das spätere Gut Keudelstein der von Keudel, altes Rittergeschlecht, einst Burgmannen „Uff dem Steyn“, Mainzer Lehnsleute:

Auf der Goburg (Gobert) zum „Hohen Stein“: „Ein Sträußchen am Hute, den Stab in der Hand ...“ Im südwestlichen Randgebiet des Eichsfeldes steigt ein breiter Höhenrücken (570 m hoch) auf, der von den Silberklippen bei Kella bis ins Waisetal über die Werra reicht. Auf der steilen Muschelkalkhöhe mit felsigen Abhängen begleiten wunderschöne große Wälder den Wanderer. „Salzfrau“, „Pferdeloch“, „Meinhard“ mit „Wolfstisch“ (altgermanischer Opferstein, 8 m Umfang) waren einst vielbesuchte Orte. Hauptlehrer Joh. Feldmann von Geismar schrieb in den Eichsfelder Heimatstimmen Nr. 7/1966 aus froher Erinnerung fern der Heimat über vergangene, prächtige Wandertage in diesem Gebiet, über die alte Burgruine Greifenstein bis hin zur Gobert. Noch in seinen letzten Tagen fügte er die schöne Sage „vom Heuberg“ in den Sagenkranz des Dorfes ein.

Bei Hitzelrode springt die Gobert nach Süden vor. Nordwestlich des Gebirgsmassives ist der „Hohe Stein“ (Hohenstein) und die „Hörne“, die sich bis an die Werra heranschieben. Im Gebiet des „Hohen Stein“ am Südrande des Eichsfeldes ist eine alte Wallburg (Fliehburg) aufgrund von Grabungen und Funden mit Sicherheit nachgewiesen. Das Gelände ist durch Bodenbefestigungen, Vertiefungen und Wälle zwischen hohen Kalksteinfelsen nach Norden abgeriegelt. Auf dem Wege von der „Schönen Aussicht“ über den „Hohen Stein“ bis zur „Hörne“ fällt ein großer Wall (450 m lang, 3 m hoch) auf, der den „Hohen Stein“ von dem übrigen Plateau trennt und ihn fast unzugänglich macht.

Felswände stürzen hier teilweise bis zu 40 m ab. Die hoch interessanten Feststellungen haben ergeben, dass hier ein sogenannter vorgeschichtlicher Brand- oder Schlackenwall war, der nach und nach aufgebaut und ganz gebrannt worden ist. Dieser Wall mit roter, lehmiger Branderde im Innern ist als ein vorgeschobener Angriffs- oder Verteidigungsposten bezeichnet worden.

Im Süden der Gobert haben die Wälder, Felsen und Schluchten in den Fehdezeiten, zuletzt im Dreißigjährigen Krieg (1618 – 48) als Versteckplatz gedient. Grab- und Siedlungsfunde auf der Gobert weisen in die Bronzezeit hin (etwa 1800 – 900 v. Ohr.). Einzelne Stücke finden wir im Heimatmuseum zu Heiligenstadt. Auf dem Bergrücken liegt die alte Wüstung „Villa Gaburg“ (Goburgk), einst Feste Goburg, ursprünglich eine Gauburg zum Schutze des Salzwerkes in Allendorf, später Gut und Forsthaus „Goburg“, 1318 Siedlung mit 18 Höfen, Burg Stein gehörig, Rittersitz der von Boyneburg-Honstein.

Der alte Burg-, Berg- und Dorfname Goburg oder Gobert wird als Gowe-burg, Goyburg oder Gauiburg, als Siedlung des Kobo, Kobbo, oder des Godabert, Gobbert, Gobert und als „Gowe – Hardt“ – Höhenbergzug gedeutet.

Otto Martin
(Quelle: Eichsfelder Heimatstimmen 1969, S. 339-344)