Die blühende Klosterschranne

Der kahle Stumpfkegel der Klosterschranne ist für den Naturfreund keineswegs so uninteressant, wie er sich aus dem Lengenfelder Tal erhebt.

Er hängt beim Nähertreten zur Blütezeit wie ein weißer Schleier über den einzelnen Stellen der Geröllhaldens Die Felsenbirne (Amelanchier vulgaris) und die mit ihr verwandte Steinmispel (Cotoneaster) herrschen hier vor. Die weißen Blüten verraten zur Zeit der Obstblüte die Ähnlichkeit mit Apfel und Birne. Der Felsen erscheint dann als ein einziger Blütenhang.

Die Bodenflora der Geröllhalden führt einen recht harten Daseinskampf. Man sieht es den Pflanzen an, wie zäh sie ihren Standort im Felsgeröll behaupten müssen. Besonders die verkrüppelten Wurzeln der Eibe (Taxus baccata) zeugen hiervon. Am Hang der Schranne ist noch eines der seltenen Eibenschutzgebiete. Der Naturschutzbeauftragte muss hier immer auf der Hut sein, damit Zweige nicht sinnlos abgerissen und als Schmuckreisig verwendet werden. Unmittelbar am Fuße der Schranne steht eine besonders prächtige Eibengruppe. Aber auch manche entwurzelte

Eibe verrät uns den zähen Kampf mit den Klüften, den dieser uralte deutsche Baum zu führen hat. Gerade der poröse Muschelkalk ist der ureigenste Lebensraum dieses zähen Baumes.

Unser Blick schweift nach oben. Der Zahn der Zeit hat in der Felswand stufenförmige Gesimse geschaffen. Hier ist das Blaugras (Sesleria coerule) zu Hause. Es kann sich an dieser Stelle nur halten, weil der untere Teil des Stengels mit einem Wust zerschlissener Blätter umgeben ist. In der

Biologie bezeichnet man diesen Schutz als Tunika. Infolge seiner Wucherung hat das Blaugras am Felsmassiv eine Art Schuttstauung verursacht.

Kleine Treppen haben sich gebildet, die der Besteiger des Schrannrisses benutzt. Man nennt den großen Schrannriss auch „Nonnenschleere“ in Verbindung mit einer alten Heimatsage aus der klösterlichen Zeit Zellas.

Der häufigste Vertreter aus der Pflanzengruppe der Lianen ist hier die Waldrebe (Clematis vitalba). Pflanzen, die ebenfalls auf dieser Schutthalde den Kampf mit dem Gleitschutt aufgenommen haben, sind: Storchschnabelfarn (Nephrodium Robertianum), Storchschnabel (geranium

Robertianum), Haselnuss, Faulbaum, Bergahorn, Hartriegel und die junge Elsbeere (Pirus torminalis). Das bis 1,6 Meter hoch werdende dreiblättrige Laserkraut (Laserpitium) heißt im Volksmund „weißer Enzian“.

Die Bewohner der Höhe sagen „Enzig oder Einzig“. Die Wurzeln dieser mit der Möhre verwandten Pflanzenart zerschneidet man und gibt sie dem Branntwein oder Schnaps bei, welchem man dann eine medizinische Heilkraft zuschreibt. Mitunter setzt nach dem „Enzian“ eine wahre Jagd ein. Auch diese Pflanze verdient unbedingte Schonung, wenn sie uns erhalten bleiben soll.

Als Teekraut sehr gesucht ist eine Pflanze, die an der Klosterschranne ebenfalls noch blüht: die kleine Bibernelle (Pimpinella saxifraga). Im Struther Volksmund spricht man von der „Pimpernelle“.

An Orchideen hat der bekannte Erfurter Botaniker Bradler am Hang des Schrannfelsens bestimmt: die braune Sumpfwurz (Epipactis rubiginosa) und die „Händelwurz" (Gymnadenia conopoea), die beide den würzigen Duft der Vanille an sich haben. Nicht unerwähnt sei eine Blüte, die in den ältesten Eichsfelder Floren nicht erwähnt wird: die Scheiden-Kronenwicke (Coronilla vaginalis). Sie ist eine besondere Zierde der Klosterschranne. In den letzten Jahrzehnten ist der Standort dieses recht zierlichen Schmetterlingsblütlers in der Umgebung des Taldorfes Faulungen immer häufiger ausgemacht worden.

Nicht alle Blüten und Pflanzenarten am Schrannfelsen können hier genannt und beschrieben werden. Wer den Mut hat, den Aufstieg zu wagen, dürfte noch mehrere botanische Seltenheiten und Schönheiten hier an der „Blaugrashalde“, wie sie der Alpinist im Bergland kennt, entdecken.

Es sollten sich aber noch viele junge Naturfreunde finden, die sich als Naturschutzbeauftragte zur Verfügung stellen, um die heimatliche Flora schützen zu helfen gegen die Unvernunft der Naturverschandler. Der heimatverbundene Wanderer wird es zu danken wissen und immer wieder gern zur Klosterschranne kommen!

Vinzenz Hoppe, Struth
(Quelle: „Mühlhäuser Warte“, Ausgabe 1961/07)