Großbartloff, einst „Bartdorff“ genannt

In einer schönen Landschaft des Süd-Eichsfeldes liegt das stille Dorf Großbartloff, eingebettet in eine herrliche Bergwelt mit Tälern und Höhen, durchweht von der würzigen Luft der umliegenden Wälder. Der alte Erholungsort ist reich an geschichtlichen Erinnerungen. Im alten Bartdorff (Bartloff) sind wir auf den Spuren des gemeinsamen Grundbesitzes der alten Markgenossen, auch „gemeine Mark“, „Gemeinheit“ genannt. Hier ist es schon vor dem Jahre 1000 zur Bildung einer alten Markgenossenschaft gekommen, die den Grafen von Tonna-Gleichen als Lehen gegeben worden ist. Diese alte Dorfgenossenschaft war eine Art Selbstverwaltung, Rückhalt der Bauern in ältester Zeit. Jeder Markgenosse hatte gleiches Recht auf Jagd, Fisch, Holzung, Weide und Rodung. Die alte Dorfgenossenschaft war Weide- und Maststatt. Aus der gemeinen Mark wurde das Bau-, Brenn- und Nutzholz geholt. Die Mark Bartloff umfasste die Feldmark (Feldflur), Weidemark und Waldgebiete und erstreckte sich über Teile der Mark Geismar und Wilbich.

Als nach dem Untergang des Thüringer Reiches (531 n. Chr.) die Franken in das Obereichsfeld eindrangen, bedeckten Wald und Weide das Land auch in dem südlich gelegenen Teil an der Lutter und Frieda. Die fränkische Eroberung gab den Anstoß zu einer dichteren Besiedlung. Mit Axt und Rodehacke trotzten die ersten Siedler dem Walde und dem Ödlande den Ackerboden und den Baugrund ab. Auf flutfreien Stellen am Bach der Lutter entstanden die ersten Höfe. Zwischen den Höfen lagen große Flächen, auf die der einzelne Siedler keinen Eigentumsanspruch erhob. Die ersten Siedler führten die Feldgemeinschaft ein. Niemand besaß eigenen Grund und Boden. Die Äcker wurden jedem Markgenossen von Jahr zu Jahr neu zugewiesen. Die Wirtschaftsführung der Höfe baute sich auf der Nutzung der liegengebliebenen Fluren mit auf. Der Vorrat an Wald und Heide war zunächst unerschöpflich. Man brauchte die Nutzung in der Siedlung nicht besonders zu regeln. Als die Zahl der Höfe zunahm, musste man die eigenen Nutzungsansprüche gegen die der anderen Siedler abgrenzen. In der Zeit des fränkischen Landesausbaues wurden von den Königshöfen in Eschwege und Mühlhausen aus neue Siedlungen angelegt. Man brach viel Weide und Wald zu Ackerland um. Die Nutznießer des der Allgemeinheit verbliebenen Landes und Waldes schlossen sich zur Wahrung ihrer Rechte und zur Regelung der Nutzung zusammen. So kam es in Bartloff zur Bildung einer Markgenossenschaft, die nicht an Gerichts- oder Kirchspielgrenzen gebunden war. In der Benutzung der Ackerfluren bürgerte sich bald eine gewisse Ordnung ein, die Dreifelderwirtschaft. Die Feldmark musste in jährlichem Wechsel einheitlich mit Wintergetreide oder Sommergetreide bestellt werden. In der Markgenossenschaft gab es mehrere zusammenhängende Flurstücke oder Gewanne. Von diesen Gewannen wurde ein Gewann mit Winterfrucht, das zweite mit Sommerfrucht besät, während das dritte Gewann brachlag. Es herrschte strenger Flurzwang, es musste „Saat gehalten“ werden. Keiner konnte etwa Korn oder Weizen nach seinem Ermessen säen. Das alte Bartdorff bildete zur Zeit der Dreifelderwirtschaft eine wirkliche Agrargemeinschaft, eine starre Zwangsgenossenschaft.

Für den gemeinsamen Grundbesitz der Markgenossen gab es eine bestimmte Ordnung, Weistum genannt. Darin waren die Gewohnheitsrechte in bestimmten Abständen zusammengefasst und aufgeschrieben.

Die Blütezeit der Markgenossenschaft lag im 14. Jahrhundert. Damals wurde das Land auf Kosten der Mark weiter ausgebaut. Das Markenweistum von Bartloff mit der Aussage über das ursprüngliche Markenrecht der Bauern ist vermutlich 1472 verbrannt. Damals überfielen die Ritter Hermann und Georg Rietesel Bartloff mit Feuer und Schwert. Bei späteren Streitigkeiten musste das Recht oft nur noch nach den Aussagen der Dorfältesten gefunden werden.

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts trat ein grundlegender Umschwung im tausendjährigen Getriebe der Landwirtschaft ein. Der alte Gemeinbesitz wurde aufgeteilt. Die Gründe gingen in den Privatbesitz über. Der Flurzwang war erloschen. Spuren des alten Markeigentums haben sich in alten Flurnamen bis heute erhalten.

Die Markgenossenschaft Bartloff lag im altthüringischen Gebiet der Gemarkung, eine thüringische Grenzprovinz, die auch als Gau, Landschaft, gemeine Mark oder Königsgut-Bezirk bezeichnet wird. Der Name dieses Siedlungsgebietes wird auf die Markgenossenschaft um Görmar bei Mühlhausen zurückgeführt. In einem Teil der Germaramark herrschte das Grafengeschlecht der Wigger (970 bis 1075). Die Grenzen der Germaramark erstreckten sich über den Hülfensberg hinaus, die Werra entlang über den Hanstein bis zur Westgrenze des Eichsfeldes. Um 1075 zerfiel die politische Einheit der Germaramark.

Das selbständige Kirchspiel mit einer eigenen Kirche reicht in das 12. Jahrhundert zurück. Das im 11. Jahrhundert gegründete St.-Cyriakus-Stift zu Eschwege hat bis zu seiner Auflösung 1527 Patronatsrechte über die alte Dorfkirche ausgeübt. Aus dem Urkundenbestande des Stifts, den Albert Huyskens in „Die Klöster in der Landschaft an der Werra“ in Regestenform zusammengefasst hat, ergibt sich, dass das Stift auch über die alten Kirchen in Lengenfeld und Großtöpfer Patronatsherr gewesen ist. Das Stift hat reichen Besitz im Werratal und in Bartloff, Lengenfeld und Geismar besessen.

Um 1692 wurde in Bartloff der erste Webstuhl auf dem Eichsfelde aufgestellt. Die alte Hausweberei hat lange Zeit das Gesicht und die Geschichte des alten Weberdorfes im Amt Bischofstein bestimmt. In den Waldgebieten um Bartloff war schon im 14. Jahrhundert eine Glashütte. In napoleonischer Zeit (1806 – 1813) ist Bartloff ein Cantonsort im Distrikt Heiligenstadt. Hier lebten einst bekannte und unbekannte Menschen, die sich Verdienste um das Gemeinwohl erworben haben.

Valentin Degenhardt (1692 – 1748)

Gründer der eichsfeldischen Handweberei (Raschmacherei), Retter in großer Not und Mutlosigkeit, 1. Raschmacherzunft (Webergilde). Ein bahnbrechend tätiger Mann mit Unternehmungsgeist, dem Bartloffer Heimatfreunde 1953 einen Gedenkstein im Dorf errichtet haben.

Dorothea Fromm (1827 – 1887)

Gründerin des Waisenhauses (1874), das noch heute an die edle Frau und Wohltäterin erinnert. Eine eichsfeldische Lehrerin, Erzieherin von Format, eine Persönlichkeit im 19. Jahrhundert.

Das Dorf weist zwei bedeutende Söhne auf, die hier ihre Jugendzeit verlebten. Das Andenken an diese Männer lebt in alten Briefen fort.

Prof. Dr. Georg Degenhardt (1729 – 1787)

Jesuit, Schuldirektor des Gymnasiums zu Heiligenstadt (1775 – 1783), dann Pfarrer zu Duderstadt, (1783 – 1791).

Prof. Ignaz Hoppe (1811 – 1891)

Ein tüchtiger Arzt (Chirurg, Gelehrter in Basel)

Nikolaus Görich

Hier wäre noch besonders des Pfarrers Nikolaus Görich zu Bartloff (1913 - 1927) zu gedenken.

Ein „pastor bonus“, ein großer Heimatforscher. Verfasser der Ortschroniken von Bartloff und Wilbich und vieler Beiträge für „Unser Eichsfeld“.

Die genannten Persönlichkeiten sind in „Gestalten des Eichsfeldes" von Dr. Opfermann besonders herausgestellt.

„Die Bächlein von den Bergen springen …“

Durch die Feldfluren von Bartloff schlängeln sich der Rottenbach und der Wulfenbach, von Erlen und Weiden umsäumt. Im Rottenbach, heute noch so genannt, lagen die obere und die untere Spitzmühle. 1911 änderte sich hier das vertraute Bild. Die Quelle des Gläsener, auch Gläßner genannt, das Bächlein mit dem guten Wasser am Rande des Westerwaldes wurde damals aufgefangen. Man leitete das Wasser in Röhren zur Spitzmühle. Dort erbaute man ein großes Maschinenhaus mit Turbine und Motoren. Die Lutter pumpt heute noch Wasser des Gläsener 200 m hoch auf den Rain zwischen Struth und Effelder. Seitdem fließen Millionen m³ klares Bergwasser aus dem Hochbehälter auf der Höhe in Röhren in die bekannten Höhendörfer Effelder, Struth, Küllstedt, Büttstedt, Wachstedt, Kloster Zella, Annaberg und weiter ins Dorf Eigenrieden.

In den weiten Wäldern „boben Bartloff“ lagen einst mehrere Bauerschaften, kleine Rodungssiedlungen aus der 2. Rodungszeit im 12. – 13. Jh. Götzenrode (Gozerode) die Siedlung des Götzo (Gozo), 1433 Lehen der von Keudel.

Rudolfshausen (Rudolffeshusen) im Rudelsberg, die Siedlung des Ruotolf (Rudolf), Lehen der von Hanstein zu Geismar.

Luttershausen (Luttereckshusen), eine Bauerschaft bei der alten Luttermühle, die später mit dem Weiler untergegangen ist. Als 2. Name dieser Wüstung erscheint auch der Name „Luzeyfhus“ (1328).

Im waldreichen Bartloff war schon früh eine Glashütte. Die Glasbläser fanden hier reichlich Holz, Wasser und Quarzsand für ihr Gewerbe. Sie stammten aus dem Werratal (Meißnergebiet) und wohnten noch im 16. Jh. in den Wäldern von Bartloff.

Woher kommt der alte Name Bartdorf?

Bartdorf gehört der Namensendung nach zu einer kleinen „dorf“-Gruppe am Südrande des Eichsfeldes. Es handelt sich um planmäßig angelegte Siedlungen, dörfliche Anlagen in einer alten Siedellandschaft der 2. Siedlungsperiode, die in die fränkische Zeit zurückreicht (7. – 9. Jh.) Dazu gehören: Bartdorff, Döringsdorf, Bebendorf, Diedorf und einige alte Weiler (Wüstungen) Pulkendorf bei Geismar, Kubsdorf (später Keudelstein), Wintersdorf an der Plesse und Freßdorf bei Ershausen. Diedorf (altes Reichsgut) mit seinem schönen Anger, dem bekannten hl. Grab und der alten St.-Albanskirche tritt schon früh urkundlich auf (874 Tiodorf, 897 Ditdorf). Die Flurnamen Wulferloh, Heyloh, Wiedhau und der „ossenborn“ im Dorf sprechen dafür, daß Diedorf schon in germanischer Zeit als kleine Bauerschaft gegründet worden ist. Der Ort ist dann in fränkischer Zeit beim Landesausbau zur Dorfschaft weiter ausgebaut worden.

Die Namen dieser „dorf“-Orte, die aus Rodungen entstanden sind, hängen mit Personennamen zusammen. So ist Döringsdorf die Siedlung eines Döring (Thoring, Düring, Thüringer), Bebendorf die eines Bebo, Pulkendorf eines Bolko, Kubsdorf eines Kobbo, Diedorf eines Diether. In nächster Nähe der „dorf“-Orte liegen einige „hausen“- und „felde“-Orte, an die sich fränkischer Einfluss knüpft und die etwa zu der gleichen Zeit entstanden sind (siehe Hildebrandshausen, Lengenfeld, Martinfeld).

Bartdorf ist nach der Lage und Siedlungsform eine der ältesten bäuerlichen Siedlungen der „dorf“-Gruppe um den alten Stuffenberg (Hülfensberg). Die Siedlung ist auf altem Waldboden entstanden, der leichter zu bearbeiten war. Der Name erscheint erstmalig in den Urkunden der Burg Stein (Bischofstein), die nicht weit davon etwa um 1070 von dem im Friedatal begüterten Grafen Giso von Gudensberg gegründet worden ist. Die ältesten Überlieferungen des Namens lauten: Bardorf und Bartdorff (1329, 1358). Neue Namen treten im 15. – 17. Jh. auf. Dazu gehören auch Bartlof und Bartloff. Später hat man den Namen in heutiger Form als Großbartloff zur Unterscheidung von Kleinbartloff im Eichsfelder Kessel amtlich festgelegt.

Eine klare Deutung des Ortsnamens ist noch nicht gefunden worden. Die Deutung des Bestimmungswortes „bart“ wird als schwierig angesehen. Man hat den Ursprung des Namens auch hier vom Gründer der Siedlung abgeleitet. Im Bestimmungswort soll der Personenname Bardo stecken. Demgemäß wäre Bartdorf die Siedlung des Bardo oder Barthold (Barthel). Bardo soll einen Hof in einer kleinen Feldflur mit Wall und Graben errichtet haben.

Bartdorf ist eine bäuerliche Siedlung, die am Rande eines Waldes entstanden ist. Der für eine Ortschaft gerodete Wald hat vielfach der Siedlung einen entsprechenden Namen gegeben. Das Bestimmungswort „bart“ geht auf ahd. „bartu“= Wald, Bergwald oder auf ahd. „brort, brart“= Rand zurück. Danach wäre Bartdorf als Dorf am Rande eines Waldes, Randdorf, Walddorf zu bezeichnen.

Diese Deutung kann nach der örtlichen Lage als richtig angesehen werden. Eine alte Dorfsage ist noch in der Erinnerung lebendig. Sie erzählt vom Ursprung des Namens: Als man eines Tages beim Bau der ersten Höfe in der Ursiedlung das Tor eines Hofes errichtete, führte ein Mann mit Namen „Großbart“ die Aufsicht. Die Siedler wollten schon lange wissen, wie ihr Dorf heißen sollte. Man konnte sich aber lange Zeit darüber nicht einigen. Ein kleines Ereignis gab dann eines Tages den Ausschlag. Auf einem Gerüst fiel einem Maurer plötzlich ein schwerer Stein aus der Hand. Erschrocken rief er dem Aufseher zu: „Großbart, lof (lauf)!“ Dieser sprang schnell zur Seite und war so gerettet. Als die Leute das erfuhren, schlug ein Siedler vor, diesen Warnruf als Namen für die Siedlung einzusetzen. Der Vorschlag fand allgemein Beifall. Man nannte den Ort fortan Bartlof, später Bartloff.

„Waldeslust! Waldeslust! O, wie einsam schlägt die Brust …“

Bartloff mit seiner waldreichen Umgebung war in längst vergangener Zeit oft unser Wanderziel. Wie doch die Jahre enteilen! Es ist keine Übertreibung, wenn man feststellt, dass Bartloff ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen in die weiten Wälder ringsum ist, ein Hort der Erholung. Erinnerungen aus froher Jugendzeit tauchen auf! Oft sind wir durch das stille Tal der Lutter auf der alten Landstraße nach Bartloff dahinmarschiert. In der Geismarer Flur erinnert das Flurstück an dieser Straße, „An der Halben Frau“ an die alte Sage vom „Fräubchen von Engeland“, die mit der Burg Stein in Verbindung gebracht wird. An der alten Lutterbrücke bleiben wir stehen. Hier spukt es von altersher. Pfr. Höppner erzählt die alte Bocksage vom Pfarrer und Küster der Bergkirche auf dem Hülfensberg, die hier bei der Brücke von Gestern und Heute beginnt. Wir schauen sinnend und betrachtend in die Wellen der Lutter, des klaren Baches mit dem guten Wasser, wie sie dahinrennen zu der nahen Stelle, wo die Frieda sie empfängt. 1904 verwandelten sich Lutter und Frieda bei einem schweren Unwetter in reißende Ströme. In beiden Tälern entstanden schwere Schäden. Die Lutter stieg in Bartloff in 10 Minuten 3 Meter hoch. Postagent Hahn wurde im Dienst vom Blitz erschlagen. In Geismar mussten 15 Familien Haus und Hof verlassen. Bei der Brücke gabelt sich unser Weg, der uns zur nahen Entenmühle führt, dicht an der Straße, nahe bei Feld und Wald. Es ist die letzte der 8 alten Wassermühlen von Bartloff, deren Räder die Lutter einst bei Tag und Nacht drehte. Man hat die Lutter zu Recht den fleißigsten Bach des Eichsfeldes genannt. In der Entenmühle lebt das altgeismarsche Geschlecht der Herwigs, die in althergebrachter Tradition eine Mühle mit Landwirtschaft betreiben. Hier und auf den anderen Luttermühlen erklang das hohe Lied der Arbeit. Man mahlte das Korn, presste das Öl und schnitt die Bäume aus den nahen Wäldern. Der Entenberg (Antenberg= Anhöhe) ragt auf. Hier lag der alte Weiler (Wüstung) „Amscherode“ (Amsrode), die Siedlung des Amal, später Lehen der von Hanstein zu Geismar. Das Tal weitet sich. Eine liebliche Wiesenlandschaft begleitet uns. Bald kommt man in einen bäuerlichen Gasthof an der Straße. Hier ist das „Heirätchen“ (Härätchen), eine kleine Rodung am Walde. Bauern mit ihren Holzfuhrwerken machen kurz Rast. An dieser Stelle war im Mittelalter ein alter Siechenhof, ein Leprosenhaus. Diese Krankheit war eine Folge der Kreuzzüge (1096 – 1270). Die vielen Kreuzritter brachten den Aussatz aus dem Orient in die europäischen Länder, wo er sich nach und nach bis in die entlegensten Gegenden verbreitete. Es hat mehrere hundert Jahre gedauert, bis der Aussatz wieder verschwand. In der Wiesenlandschaft erfreuen uns einheimische Blumen, bekannte Ufer- und Wasserpflanzen. Prof. Neureuter, hat Bartloff oft als Standort in seiner „Flora des Eichsfeldes“ genannt. (Knabenkraut, Nachtschatten, Pestwurz u. a.) Bald kommen wir nach Bartloff mit den alten Bauernhäusern an der Straße. Mitten im Dorf steht die Dorfkirche mit einem wuchtigen Turm. Im Innern ist die Doppelmadonna bemerkenswert. Neue Stühle mit Schnitzereien sind in den letzten Jahren aufgestellt worden. Das Gotteshaus stammt aus dem Jahre 1551 und ist 1739 erweitert worden. Die Kirche passt sich schön und würdig dem Dorf und der Landschaft an. Das erste Gotteshaus, eine Wehrkirche, stand an der Stelle, wo die jetzige Kirche steht. Die Kirche ist im 12. Jh. errichtet worden und hat in engen Beziehungen zum Stift St. Cyriakus in Eschwege gestanden. Das etwa um 1024 gegründete Eschweger Stift hat von etwa 1150 bis zu seiner Aufhebung 1527 Patronatsrechte über diese Kirche ausgeübt. Man vermutet wohl mit Recht, dass der Bau des ersten Gotteshauses unter dem Einfluss des Stifts zustande gekommen ist. Von diesem Stift sind wesentliche Strömungen ins Südeichsfeld gegangen.

Wir steigen auf die Höhen von Bartloff und finden am Schimberg große Bestände an Wacholder. Im Wolfstal, am Klusberg, Heiligenberg, Mittelberg, Iberg, Rudelsberg, im Rottenbach, an der Helle, bieten sich dem Auge herrliche Landschaftsbilder in einem weiten Tal. Überall spürt man die Nähe der Natur, eine Welt voller Wald. In der alten Klostermühle im Luttergrund kehren wir ein. Hier war einst eine alte Mühle des Klosters Zella, umgestaltet in einen gemütlichen Gasthof (Pension). Hier im schönsten Wiesengrunde verleben wir mit alten Heimatfreunden noch einige Stunden – „Dich mein stilles Tal, grüß‘ ich tausendmal ...“ –

Ein anderer Ferientag führt uns aus der Bergwelt des Friedatales durch die Wälder und Höhen von Bartloff aufwärts nach Effelder. Von dort geht unser Weg ins Tal hinab. Im Kloster Zella, von Waldbergen umgeben, bleiben wir vor dem Portal der alten Klosterkirche eindrucksvoll stehen. Wir sehen den Annaberg, wo einst ein beliebter Wallfahrtsort des Südeichsfeldes war. Auf einer schroffen Felswand an einer Bergzunge liegt die sagenumwobene Schranne, auch Klosterschranne genannt. Hier genießt man einen herrlichen Blick ins Tal der Frieda. Wir kommen ins Friedadorf Lengenfeld, eine Perle des Südeichsfeldes. Hier ist das lange Feld und die lange Dorfstraße am rauschenden Bach. Auf dem Kirchberg ragt die Kirche mit ihrem Turm empor. Sie beherrscht seit 1882/84 den Ort. Die älteste Kirche aus dem 12. Jh. war eine Wehrkirche, die ebenfalls zu dem Stift St. Cyriakus in Eschwege in Beziehung gestanden hat. Zum Dorfbild gehört auch der Viadukt, ein mächtiges Bauwerk, das in weitem Bogen – 18 m hoch und 90 m lang – die beiden Täler verbindet. Wie oft sind wir hoch über den Häusern dahingefahren! Unter uns das Bauerndorf, eingebettet ins Tal der Frieda, die mit starkem Gefälle aus den Bergen herausgetreten ist.

Hier lebten die alten Heimatfreunde Adam Richwien, Verfasser vieler schöner volkstümlicher Heimatgedichte und Vater Rummel, der ehrbare Bäckermeister, der sein Leben lang sein Hobby Heimatkunde betrieb, der Heimat durch viele Beiträge verbunden. Das Andenken an die verdienten Männer ist im Dorf wach.

Ein Wandertag gen Bartloff führt uns abseits der Landstraße über den Rollsberg bei Geismar. Dabei hat man herrliche Ausblicke auf das zu Füßen liegende Geismar mit seiner nach 1945 umgestalteten schönen Kirche, auf den Hülfensberg und auf das geschäftstüchtige Wilbich am wilden Bach, als „Wildbach“ gedeutet. Hier kann man die südeichsfeldische Grabenversenkung studieren und die Kraft des Wassers an den Trockenrissen der Berge feststellen. Die Kirche in Wilbich, 1912/13 erbaut, hat 2 Marienbildstöcke und einen wertvollen Taufstein. Es sei an dieser Stelle der unternehmungsfreudigen Männer gedacht, die in Wilbich lebten. Daneben seien Rektor Hendus und Norbert Lorentz erwähnt, alte Heimatfreunde, die unermüdlich für unser Eichsfeld gearbeitet haben.

Otto Martin
(Quelle: „Eichsfelder Heimatstimmen“, Mai-Ausgabe 1972)