Der Hülfensberg einst und jetzt

Schon von weitem lassen Form und Lage des Hülfensberges erkennen, dass hier eine alte Kultstätte des Eichsfeldes und Werragebietes gewesen sein muss. Dazu war der 447 m hohe Bergkegel durch seine Lage inmitten waldgekrönter Höhenzüge mit herrlicher Aussicht nach allen Seiten wie kein anderer Berg in der ganzen Umgebung geeignet (P. Capristan Bavendiek, Der Hülfensberg, die altehrwürdige Wallfahrtsstätte, F. W. Cordier, Heiligenstadt, 1951).

Auch die auf dem Hülfensberg im Jahre 1867 bei Erdarbeiten gefundenen vorgeschichtlichen Begräbnisstellen und Urnen liefern den Beweis für die obige Annahme. Dem Volksglauben nach stand hier oben die Donareiche, welche der hl. Bonifatius fällte. Das Eichenstück im Gewölbe des nördlichen Seitenschiffes im zweiten Joch soll ein Stück jenes Baumes bzw. ein Balkenrest von der Kapelle sein, welche der Heilige aus der Donareiche erbaute. Der hl. Bonifatius wurde auf dem Hülfensberge seit altersher besonders verehrt. Er ist einer der Nebenpatrone der Wallfahrtskirche, deren ältester Teil vielleicht aus der Zeit vor 1000 stammt. Dieser ist durch zwei einander schräg gegenüberstehender Strebepfeiler außen an der Südseite gekennzeichnet. An ihn wurde um 1860 die Wallfahrtskirche angebaut, die ursprünglich eine Art Scheunendach hatte. Mit der Zeit morsch geworden, musste es 1890 restauriert werden. Um es nicht allzu sehr den Herbst- und Winterstürmen auszusetzen, baute man es in der heutigen Form niedriger. Die an die Wallfahrtskirche angebaute Bonifatiuskapelle wurde abgebrochen und an ihre Stelle die Apsis mit dem Altar- und Chorraum gebaut. Das dreischiffige, einer Krypta nicht unähnliche Gotteshaus ist im frühgotischen Stil erbaut. Es hat von der Türsäule bis zur Chorstufe eine Ausdehnung von 22,24 m, während die durchschnittliche Breite 17,12 m, die Höhe im Scheitelpunkt des Hauptgewölbes aber nur 5,92 m beträgt. Im Innern der Kirche fällt besonders auf, dass der Boden des Gotteshauses sich zum Altar hin merklich senkt, auf der kurzen Strecke vom Hauptportal bis zur Kommunionbank 64 cm. Die Schlusssteine der Gewölberippen sind teilweise älter als die Hülfensbergkirche, die Freskogemälde aus dem 14. bzw. 16. Jahrhundert. Die Bonifatiusstatue wurde der Kirche 1669 geschenkt, ein Zeichen, wie innig damals die Bonifatiustradition mit dem Hülfensberg verbunden war.

Uralt ist das berühmte Wallfahrtskreuz, an dem Beter aus allen Jahrhunderten Erhörung gefunden haben. Es stammt aus dem 11. Jahrhundert. Nach alter Überlieferung soll es ein aus dem Heiligen Lande heimkehrender Kreuzritter, Henning von Bartloff, mitgebracht haben. Jedenfalls befand es sich bereits vor der Erbauung der jetzigen Wallfahrtskirche auf dem Berge und wurde hier als eines der berühmtesten Kreuze des Mittelalters eifrig verehrt. Es stellt Christus als siegreichen König, als Überwinder von Tod und Hölle dar. Vom wundertätigen Hülfenskreuze hat der Hülfensberg seinen Namen. Ursprünglich hieß er nach seiner Form Stuffenberg. Die Hauptwallfahrtstage sind die „Hülfenstage“ von Donnerstag nach Pfingsten bis Montag nach Dreifaltigkeit. Alljährlich, am Sonntag nach dem Bonifatiusfeste, ist dem Heiligen zu Ehren eine besondere Wallfahrt, die in diesem Jahr des 1200-jährigen Bonifatiusjubiläums eine ganz besondere Bedeutung gewinnt.

Die erwähnte Bonifatiuskapelle wurde 1890 abgebrochen. Man nannte die 1716 vom Landgrafen Christian von Hessen-Rotenburg erbaute Fürstenkapelle Bonifatiuskapelle. Da sie baufällig wurde, riss man sie 1902 ab. Auf ihren Fundamenten wurde unter der Leitung des Franziskanerbruders Kletus Schäfer die heutige Bonifatiuskapelle errichtet, in der sich das schöne Altarrelief von Prof. Albermann befindet, das aus französischem Muschelsandstein besteht, 3 m hoch und 2,20 m breit ist.

Die Wallfahrtskirche besitzt neben jenem Eichenstück im Gewölbe ein Freskogemälde, wenigstens die Reste eines solchen, das aller Wahrscheinlichkeit nach die Fällung der Donareiche darstellt. Um den Schlussstein reihen sich durch Wappen und Symbole dargestellt die Orte: Wanfried, Frieda, Schwebda und Aue. Frieda ist dargestellt durch den sogenannten „Frauensteg“, über den die Frauen des Dorfes den hl. Bonifatius geführt haben sollen, als die Männer des Dorfes dem Heiligen den Übergang über den Fluss verwehrten. Noch heute erinnern Bonifatiusweg und -steg an diese sagenhafte Begebenheit. St. Michael als besonderer Patron der Kirche auf dem Hülfensberg trat wohl an die Stelle des germanischen Gottes Donar, ebenso Johannes der Täufer. Zu Ehren der beiden Patrone ist seit alterher alljährlich eine Sankt-Michaels- (am letzten Sonntag im September) und Sankt-Johannes-Wallfahrt (am Sonntag nach dem 24. Juni).

Im Heiligen Jahr 1950 wurde auf dem Hülfensberge neben der Betreuung der Wallfahrer und der Pfarrvikarie noch eine weitere, sehr zeitgemäße Seelsorge in Angriff genommen: religiöse Einkehrtage am Wochenende, die sich von Anfang an großen Zuspruchs erfreuten.

Zum Schluss sei noch des 18,60 m hohen Konrad-Martin-Kreuzes gedacht, welches an der Nordseite eine kreuzförmige Öffnung mit Opalglas trägt, hinter dem sich 64 Glühbirnen von je 60 Watt befinden. „Dies Kreuz voll Stahl und Licht“ soll, wie bei der Einweihung im Jahre 1933 gesagt wurde, der Bevölkerung des Eichsfeldes die stetige Mahnung zurufen: „Sei ein Geschlecht wie Stahl und Eisen, fest wie der Amboss, der keinem Schlage weicht, und leuchtend wie ein Lichtträger in dunkler Zeit!“ So endet die Abhandlung P. Capistrans, des derzeitigen Präses auf dem Hülfensberg, von der wir einen Auszug brachten, um unseren Lesern die Bedeutung des Hülfensberges als Bonifatius-Gedenkstätte aufs Neue ins Gedächtnis zu rufen, wo ihm für immer ein Ehrenplatz gesichert sein soll.

Autor: unbekannt
(Quelle: „Eichsfelder Heimatborn“, Ausgabe vom 12.06.1954)