Reif für die Insel? - Zwei Wochen auf der Greifswalder Oie

Einleitung: Die Greifswalder Oie – Die Insel der tausend Vögel

Die Greifswalder Oie ist 54 ha groß und liegt 12 Kilometer vor Usedom. Erlebt und gesehen hat das Eiland schon viel, denn es wechselte oft die Zugehörigkeit und Benutzung. So wurde sie als Pferdeweide und Ackerfläche genutzt, bis sie im 20. Jahrhundert für touristische Zwecke entdeckt wurde. Später wurde die Oie von der Heeresversuchsanstalt Peenemünde für Raketenversuche und 1945 von der Roten Armee besetzt. Schließlich galt sie als militärisches Sperrgebiet, geriet in Vergessenheit und verwahrloste. Bis sie 1990 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde.

Dass die Insel eine besondere Bedeutung für den Vogelzug hat, wusste bereits der Zoologe Walter Banzhaf, der hier von 1929 bis 1938 biologische Studien durchführte. Deswegen war es das Ziel des Verein Jordsand, welcher seit dem 1. August 1993 die Oie betreut, eine Vogelberingungsstation aufzubauen. Die erste Beringungssaison war im Herbst 1994.

Doch welche Bedeutung hat die Vogelberingung?

Die Vogelberingung begann im späten 19. Jahrhundert. Zu dieser Zeit wusste man noch sehr wenig über das Zugverhalten der Vögel, es konnten jedoch schnell neue Erkenntnisse gewonnen werden. Durch dieses Wissen konnten effektive Schutzmaßnahmen für bedrohte Arten ergriffen werden. Der Ring, welcher so leicht ist, dass es dem Vogel gar nicht stört, enthält Informationen zur Wiedererkennung. Es sind der Name der Beringungszentrale und eine fortlaufende Nummer eingraviert. Unter der Ringnummer werden von dem Beringer oder der Beringerin Daten wie Körperkondition, Alter, Geschlecht und Mauserzustand digital festgehalten.

Wird ein Vogel wiedergefangen, können über diese Informationen Erkenntnisse über Entwicklung und Verhalten gewonnen werden. Dies ist besonders wichtig für die Beobachtung von Bestandsveränderungen und dem Schutz der Vögel.

Ein Erfahrungsbericht von Michaela Hildebrand

Als ich mir letztes Jahr den Vortrag von Mathias Mähler in der Schule angehört hatte, war ich von der Greifswalder Oie und von der Arbeit, die dort geleistet wird, begeistert. So beschloss ich mich dazu, ein Praktikum als Beringungshelfer zu machen.

Eigentlich hatte ich schon immer viel mit Tieren zu tun, doch Vögel waren mir zugegebener Maßen etwas suspekt. Amsel, Spatz und Gimpel, das bekam ich gerade noch zusammen, doch was es für eine Bandbreite an Vögeln gibt, was für Besonderheiten sie haben und wie man sie für die Beringung anfassen und halten muss, davon wusste ich noch nicht viel.

Als ich mich schließlich am 1. August 2012 auf den Weg in den Norden machte, war mir doch etwas mulmig zumute. Ich würde dort als totaler Neuling ankommen und musste erst die Grundlagen erlernen. In Peenemünde, einem Dorf auf Usedom angekommen, stand mir nun noch eine eineinhalb stündige Fahrt bevor, während der der Kapitän der „MS Seeadler“ ein wenig über die Inseln und Orte erklärte, die wir während der Fahrt sahen. Schnell tauchte auch die Greifswalder Oie im Meer auf und man konnte beobachten, wie sie von Minute zu Minute größer erschien.

Bei meiner Ankunft wurde mir auch gleich berichtet, dass für den ersten Tag der Herbstsaison (1.8.- 6.11.) schon recht viele Vögel in den Netzen des sogenannten „Fanggartens“ gefangen wurden. Unter anderem ein paar Buntspechte, die mir in den folgenden 13 Tagen aber noch mehrmals begegnen würden. Innerhalb einer Woche wurde ein Rekord von erstberingten Buntspechten aufgestellt.

Außer dem Stationsleiter Mathias, einer FÖJ-lerin und den Beringungshelfern, waren bei meiner Ankunft noch zwei Herren des Deutschen Wetterdienstes da, welche mehrmals im Jahr die Daten ihrer Messstation auf der Oie ablesen. Die Besetzung des Inselhofes ist immer von einem stetigen Kommen und Gehen geprägt und die Zahl der Bewohner während meines Aufenthaltes wechselte zwischen sechs und elf Personen. Schnell wuchs man zu einer Gemeinschaft zusammen und gestaltete gemeinsam den Tag. Es wurde zusammen gekocht, sonstige Arbeiten erledigt und natürlich die Kontrolle der Netze übernommen. Der Fanggarten wird stündlich, bei Regen halbstündig, abgelaufen. Bei der Strecke von ungefähr einem Kilometer werden die Vögel aus den Netzen befreit, in ein Beutelchen gesteckt, damit sie sicher und möglichst stressfrei transportiert werden können, um dann beringt und wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Die erste Kontrolle begann an den noch langen Tagen um 5 Uhr morgens und die letzte siedelte sich je nachdem, wie dunkel es bereits war, zwischen 10 Uhr und halb 11 an.

Zwischen den Kontrollen wurden andere Arbeiten erledigt wie Hausarbeit, Rasen mähen und Holz für den Winter stapeln. Natürlich durfte auch der Spaß nicht fehlen, so blieb auch Zeit für Volleyball, Grillabende, Sonnenuntergänge und Inselerkundungen.

Das Leben im Inselhof war anders, als man es von seiner Wohnung oder Haus gewohnt war. Alles ist sehr einfach gehalten, warmes Wasser gab es nicht oft, mit dem Strom musste man sparen, schließlich gab es nur welchen, wenn die Sonne schien. Die Internetnutzung war möglich, aber oft so langsam, dass man sich nie lange aufhielt und der Fernseher war nie eingeschaltet. Für mich war es am ersten Tag etwas gewöhnungsbedürftig, doch ich habe schnell gemerkt, dass man manche Dinge eigentlich gar nicht braucht und die Zeit genossen. Auch das Leben auf einer kleinen Insel- andere Inseln und das Festland vor Augen, aber doch ein ganzes Stück davon entfernt- ist vielleicht nicht für jeden etwas. Einmal am Tag jedoch besuchten Touristen für 2 Stunden die Greifswalder Oie, hörten einen Vortrag im Infozentrum und besichtigten anschließend die Insel und den Leuchtturm.

Am zweiten Tag meines Aufenthaltes durfte ich schließlich zum ersten Mal einen Vogel aus dem Netz pulen. Natürlich dauerte es eine Zeit, ehe man den Dreh mit den Maschen raus hatte und man wusste, wie nun was wo rüber musste.  Doch Übung macht bekanntlich den Meister und ich hatte viele geduldige Lehrmeister, denn jeder nahm sich Zeit, mir und auch jedem anderen Neuankömmling alles genau zu erklären.

Mein Ehrgeiz war geweckt. Ich lernte die ersten Vogelarten kennen und war selbst von mir überrascht, wie groß mein Wissensdrang war.

Der stündliche Gang durch den Fanggarten glich manchmal einem Überraschungsei. Manchmal kam man enttäuscht von der Kontrolle zurück, weil an einem schlechten Tag mal wieder kein einziger Vogel im Netz hing. Oder es sind plötzlich so viele Vögel im Netz, dass man mit der Arbeit gar nicht hinterher kommt. Ich hatte Glück einen solchen Einflug miterleben zu dürfen, als in der 8- Uhr-Kontrolle plötzlich dutzende Fitisse im Hauptnetz hingen. Und wenn man in der Kontrolle plötzlich einen Greifvogel im Netz hat, dann ist auch ein vogelarmer Tag gerettet. In den 2 Wochen, wo ich da war, fingen wir zwei Habichte, einen Mäusebussard und eine Waldohreule. Bei solchen Fängen war die Aufregung immer sehr groß. Alle versammelten sich um den Beringertisch, schauten gespannt zu, ließen sich besondere Merkmale beschreiben und das eine oder andere Foto wurde auch noch schnell geschossen, bevor der Vogel wieder entlassen wurde.

Ein ganz besonderes Highlight war für mich der Tag, an dem ich das erste Mal einen Vogel selber beringen durfte. Am Anfang hatte ich große Bedenken, denn das Bein eines Singvogels ist so dünn und wirkt so zerbrechlich, dass da sicher schnell was schief gehen konnte. Doch schnell wurde ich sicherer und fand großen Spaß daran, denn man konnte sich den Vogel noch einmal genauer anschauen und anschließend dem Beringer bei der Datenerfassung über die Schulter schauen.

Natürlich fliegen nicht alle Vögel ins Netz, deswegen ist es auch ein wichtiger Teil der Arbeit, bewaffnet mit Fernglas und Spektiv, auf die Jagd nach spannenden Vogelbeobachtungen zu gehen. Als Neuling ist das nicht so ganz leicht, weil man die Merkmale oder Stimmen der Vögel noch nicht unterscheiden kann. Umso stolzer kann man dann darauf sein, wenn man etwas Besonderes entdeckt hat.

Auf der Insel leben eine Herde von Heidschnucken, die den größten Teil des Jahres sich selbst überlassen bleiben, etliche Siebenschläfer, die auf die Insel eingeschleppt wurden, sowie zur Zeit ein Seehund und eine Kegelrobbe. Hin und wieder verirrt sich auch ein Fuchs auf die Insel, wenn im Winter die Ostsee zugefroren ist. Doch dieser bleibt meist nicht lange, denn sein Revier und Nahrungsangebot ist auf der Oie doch sehr begrenzt.

Die wenigen Tage auf der Insel vergingen viel schneller als gedacht und der Abschied fiel mir umso schwerer. Ich habe sehr viel gelernt und ich hatte die Gelegenheit, ein für mich völlig unbekanntes Gebiet der Tierwelt und des Tierschutzes zu erkunden. Die zwei Wochen auf der Oie haben mich der Vogelwelt näher gebracht und meine Begeisterung für die so gut angepassten und faszinierenden Tiere geweckt. Die Erfahrungen haben Spuren hinterlassen und mittlerweile ist auf jeden Spaziergang ein kleines Fernglas mit im Gepäck.

Einen Besuch der Insel kann ich jedem wärmstens empfehlen und wer jetzt ebenfalls Interesse an einem Praktikum hat, der muss sich einfach bei Mathias melden. Er freut sich über jeden Helfer- besonders aus der Heimat.