Zur Einweihung der neuen Kirchenorgel in Struth (1933)

Der morgige Sonntag bedeutet für unsere Gemeinde einen Freudentag. In einem besonderen Festakt wird nachmittags um 3 Uhr die neue Orgel eingeweiht. Durch die große Opferfreudigkeit unserer Bevölkerung ist es gelungen, dieses prachtvolle Orgelwerk zu beschaffen. Aus kleinen und kleinsten Quellen flossen die Gaben, bis eine namhafte Summe den Kirchenvorstand ermutigte, die Beschaffung der neuen Orgel in die Wege zu leiten. Das alte Werk wurde am 16. Juni d. J. abgebrochen. Mit der Ausführung der neuen Orgel wurde die bekannte Orgelbauanstalt Helfenbein, Gotha, betraut.

Eine freudig gestimmte Volksmenge wird morgen in der ehrwürdigen Dorfkirche den Melodien des neuen Orgelwerkes lauschen, das von nun an, so Gott will, für lange Zeit zur Verschönerung und Erbauung des Gottesdienstes beitragen möge.

An diesem Freudentage dürfte die Geschichte der früheren Orgeln, die sich in unserem Gotteshause befanden, auch über den engen Heimatkreis hinaus interessierte Leser finden.

Am 10. August 1800 konsekrierte der Weihbischof v. Haunold, Erfurt, die neuerbaute Pfarrkirche in Struth. Der damalige Pfarrer von Struth und Kaplan in Kloster Zella, P. Coelestinus Zander, hat auf der inneren Seite der Einbanddecke eines alten Kirchenbuches einen Bericht über die Einweihungsfeierlichkeiten in lateinischer Sprache aufgezeichnet. Während der mehrjährigen Bauzeit fand der Gottesdienst für die Pfarrgemeinde in der nahen Wallfahrtskapelle auf dem Annaberge statt. Der Bau hatte das Kirchenvermögen vollständig erschöpft und auch die arme Gemeinde Struth schwer belastet. Diese sah sich darum genötigt, von der Vervollkommnung der Inneneinrichtung des Gotteshaues, wozu sie laut Baukontrakt verpflichtet war, vorläufig abzusehen. Ganz besonders vermisste man in der schönen Kirche das Orgelspiel bei der Feier des hl. Messopfers, an das man sich auf dem Annaberge so schnell gewöhnt hatte. Unerwartet schnell sollte die Gemeinde Struth in den Besitz der ersten Kirchenorgel kommen.

Am 5. Juni 1810 wurde Kloster Zella durch das Dekret des Königs Jerome nach vielhundertjährigem Bestehen aufgehoben und am 16. April 1811 an die Mühlhäuser Kaufleute Lutteroth und Gebrüder Röbling für 212.000 Frs. veräußert und am 5. Juni d. J. förmlich übergeben. In dem Kontrakt war vom Kauf nur das direkt Kirchliche ausgeschlossen. Die Kirche in Struth erhielt damals laut Schenkungsurkunde des Kommissarius Würschmidt die Kirchenstühle. Ferner überließ das Bischöfliche Kommissariat Heiligenstadt Struth die Kirchenorgel des Klosters, deren Wert von dem Dingelstädter Orgelbauer Frankenberg auf 700 Taler geschätzt war, für 200 Taler. Diese Summe wurde von der Gemeinde und Kirche zu gleichen Teilen bestritten. Der Betrag wurde dann vom Kommissariat für andere bedürftige Kirchengemeinden des Eichsfeldes verwandt.

Am 12. September 1811 wurde diese Orgel nach Struth geschafft und dort von dem oben erwähnten Orgelbauer Frankenberg in unserer Kirche aufgestellt. Andächtig und freudig mögen damals die Gläubigen dem Orgelspiel gelauscht haben, das zum ersten Male unser Gotteshaus durchflutete. Jahrzehntelang hatten fromme Chorschwestern dieses Werk in der ehrwürdigen Klosterkirche gespielt. Man rühmt der letzten dieser Ordensfrauen, Cäcilie, nach, dass sie eine ganz vorzügliche Organistin gewesen sei.

Nur zwei Jahrzehnte sollte unsere Gemeinde in ungeteilter Freude dieses herrliche Werk besitzen. Bereits 1839 waren die ersten Reparaturen notwendig geworden. Damals entstand zwischen Gemeinde und Kirche eine Meinungsverschiedenheit über die Unterhaltungspflicht der Orgel. Auf eine diesbezügliche Eingabe hin wurde der Gemeinde von der Königlichen Regierung Erfurt durch den Landrat vom Hagen eröffnet, dass die Verpflichtung der Gemeinde zur Unterhaltung der Orgel außer Zweifel stehe. Da jedoch die Gemeinde wirklich arm sei, solle für diesmal von der Erstattung des von der Kirchenkasse bereits gezahlten Betrages abgesehen werden.

Das wertvolle Orgelwerk scheint in unserer Kirche, die besonders in den Wintermonaten feucht ist, sehr gelitten zu haben. Einer Eingabe an das Kommissariat Heiligenstadt entnehmen wir, dass die Orgel bereits 1838 nur noch notdürftige Dienste leistete und eine Reparatur sehr notwendig war, um das Werk vor gänzlicher Zerstörung zu bewahren. Angesichts der großen Armut der Gemeinde bat damals der Kirchenvorstand das Kommissariat, die Reparatur auf Kosten der Kirchenkasse ausführen zu lassen. Die Verhandlungen zogen sich jedoch mehrere Jahre hin. 1842 befand sich die Orgel in einem ganz traurigen Zustande. Das Werk war kaum noch spielbar. Ermutigt durch die Verfügung der Königlichen Regierung Erfurt, betr. Überwachung der Kirchenorgeln vom 4. März, wagte der Kirchenvorstand eine erneute Eingabe an das Kommissariat mit der Bitte, die sehr notwendige Orgelreparatur aus Mitteln der Kirchenkasse bestreiten zu dürfen. Dem Antrage wurde nun stattgegeben, und die Gemeinde erklärte, dass aus diesem Orgelbau, der eigentlich nur Sache der Gemeinde sei, für die Kirche keine spätere Verbindlichkeit erwachsen solle.

Der Reparaturplan des Orgelbaumeisters Dittus erwies sich als unzulänglich Der Kirchenvorstand ließ darum 1843 durch den Orgelbauer Schmalbach eine gründliche Prüfung der Orgel vornehmen. Nach dem Voranschlag Schmalbachs sollten die Reparaturkosten 200 Taler betragen. Das Kommissariat verhielt sich ablehnend, da der Kostenvoranschlag im Bausch und Bogen angelegt sei und eine klare Spezifikation vermissen lasse. Die Arbeiten wurden endlich 1844 durch den Orgelbauer Hottenrott, Heiligenstadt, nach dem Plane des Organisten Peter, Worbis, ausgeführt. Die Gesamtkosten betrugen 294 Taler. Die Revision der Orgel durch den Organisten Peter ergab einige Mängel. Nach Beseitigung dieser Fehler im nächsten Frühjahr ergab die Nachrevision durch den Lehrer Lorenz eine günstigere Beurteilung der Reparaturarbeiten.

Leider vermochte auch diese gründliche Reparatur den völligen Verfall der alten Klosterorgel nur noch vier Jahrzehnte hinauszuschieben. 1885 wurde die zellesche Orgel abgebrochen. Die Oberklaviatur versagte ganz, die meisten Holzpfeifen waren vom Wurm zerfressen und vollständig unbrauchbar. Die Ausführung der neuen Orgel hatte der Mühlhäuser Orgelbauer Breitbart übernommen. Einzelne Teile und wenige guterhaltene Register der alten Orgel wurden wieder verwandt. Im Sommer 1885 wurde das Werk fertiggestellt. Die Breitbartsche Orgel war mit 21 klingenden Stimmen und 2 Klaviaturen ausgerüstet. Die gesamten Kosten beliefen sich auf 3800 Mark und wurden aus der Kirchenkasse bestritten.

Vor dem Abbruch der zelleschen Orgel wurde vom Orgelbauer Breitbart ein kleines Werk mit 9 klingenden Stimmen im Chor der Kirche aufgestellt. Nach Fertigstellung der neuen Orgel wurde dieses kleine Orgelwerk, das sich hier gut bewährt hatte, wieder abgebrochen und im Februar 1886 an die Kirche in Lehna für 1000 Mark verkauft.

Leider enttäuschte die Breitbartsche Orgel von Anfang an. Trotz der kostspieligen Reparaturen, die sich in den letzten Jahren häuften, versagte die Orgel sehr oft, zumal es nicht gelingen wollte, die vorhandenen Konstruktionsfehler zu beseitigen. Das guterhaltene Material wurde für die jetzige Orgel wiederverwendet. Der neuen Orgel wünschen wir eine längere Lebensdauer.

Franz Springmann
(Quelle: „Eichsfelder Volksblatt“, Ausgabe vom 18.11.1933, Nr. 266)

Anmerkung:
Der vorliegende Beitrag wurde von Tobias Stude (Struth) zur Verfügung gestellt. Für die vollständige Transkription des Textes sei ihm hiermit im Namen aller Benutzerinnen und Benutzer dieser Seite gedankt.