Wolfgang von Scharfenberg: Zum Tod von Wilhelm Ripke (1965)
Liebe Bischofsteiner!
Weihnachten 1964 kam die letzte Bischofsteiner Chronik – noch ganz von Rpk geschrieben – heraus. Ein Vierteljahr später, am 5. März 1965, wenige Tage nach seinem 79. Geburtstag, hat er für immer die Augen geschlossen, und am 10. März haben wir – ein großer Kreis alter Bischofsteiner – ihn zur letzten Ruhe geleitet.
Inzwischen sind eine Menge Anfragen und Briefe eingegangen, in welchen der Schreiber etwas über die letzten Tage, den Krankheitsverlauf, den Tod und letztlich auch über die Beerdigung von Rpk erfahren möchte. Es sei daher kurz noch einmal rekapituliert:
Seinen 79. Geburtstag hat er noch im Kreis einiger in Hannover lebender Bischofsteiner bei guter Gesundheit begangen und hat sich über eine Menge Geschenke und Briefe von uns freuen können.
Am Mittwoch, den 3. abends bekam er eine üble Gallenkolik, die nicht nur große Schmerzen bereitete, sondern ihn auch zwang, am nächsten Tag ins Krankenhaus überführt zu werden. Hier wurde eine schwere Gallenblasenentzündung festgestellt. Schmerzstillende und betäubende Mittel haben ihn von den Schmerzen erlöst, aber auch in einen Dämmerzustand versetzt, aus welchem er, dessen Gesamt-Konstitution doch sehr geschwächt war, nicht mehr erwachte. Am Freitag, den 5. März in den Morgenstunden ist er dann gestorben, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben.
Mit großer Umsicht und persönlichem Einsatz haben Frau Mund, Arnd Jagow und seine Frau ihm nicht nur in diesen letzten Tagen zur Seite gestanden, sondern auch die gesamte Trauerfeier vorbereitet und sie für uns alle, die wir am Mittwoch den 10. März daran teilgenommen haben, zu einem traurigen, aber doch sehr eindrucksvollen Abschied von Rpk gestaltet. Die Feier fand auf dem Seehorster Friedhof bei Hannover statt, wo auch die Einäscherung erfolgte. Unter einer Decke mit dem Bischofsteiner Wappen war der Sarg – umgeben von Kränzen und Blumen und links und rechts von großen Kerzen eingerahmt – in der Friedhofskapelle aufgestellt. Ein ehemaliger Bischofsteiner, Pfarrer Jürgen Mahrenholz, hielt die Trauerfeier. Helmut Bauer sprach sehr schöne Worte des Gedenkens, und ich habe mit einem letzten Grußwort im Namen aller Bischofsteiner einen Kranz niedergelegt. Sowohl die Ansprache von Mahrenholz als auch die Rede von Helmut Bauer sind dem Rundschreiben beigefügt.
Die Urne soll nun nach Lengenfeld überführt und auf dem kleinen Bischofsteiner Friedhof oben unter dem Stein, wo auch Frau Doktor begraben liegt, beigesetzt werden. Von uns wird keiner dabei sein können. Vielleicht gelingt es Frau Mund, noch einmal die Einreiseerlaubnis zu bekommen. Die Lengenfelder Ortsbehörden wollen sich dafür verwenden – ebenso wie sie dankenswerterweise bereit sind, die gesamten Überführungs- und Bestattungskosten zu übernehmen.
Im Anschluss an die Trauerfeier trafen wir uns alle noch im Hotel Luisenhof (auch die Liste der dort Anwesenden ist beigefügt). Als wir uns am Abend trennten, hatten wir das Gefühl, dass die Worte des Dichters Karl Förster wieder lebendig würden:
Was vergangen, kehrt nicht wieder,
aber ging es leuchtend, nieder,
leuchtet‘s lange noch zurück!
Rpk war das große Bindeglied für uns alle alten Bischofsteiner. Ihn zu ersetzen, ist nicht möglich, zumal ja gerade nach dem Verlust von Bischofstein auch als Schule die persönlichen Beziehungen zwischen ihm und seinen Schülern einer der Hauptfaktoren unseres Zusammenhaltes war. Mit ihm ist nicht nur ein bedeutendes Kapitel Bischofsteiner Geschichte zu Ende gegangen, sondern auch ein Schlussstrich unter die für uns alle so lieb gewordene „Bischofsteiner Chronik“ gezogen. Rpk. hatte schon recht, als er nach der endgültigen Trennung von Bischofstein die Frage aufwarf, ob der Name „Bischofsteiner Chronik“ noch berechtigt sei, da man ja von Bischofstein selbst nichts mehr berichten könne, sondern eigentlich nur noch aus Briefen, Nachrichten etc. alter Bischofsteiner Interessantes und für alle Wissenswertes zusammenstellen könne. Er hat dieses ja in genialer Weise getan und dabei aus alter Tradition den Namen „Bischofsteiner Chronik“ beibehalten. Nun scheint es richtiger, diese von Zeit zu Zeit erscheinende Benachrichtigung „Bischofsteiner Rundschreiben“ zu benennen. Da Frau Mund dank der Hilfsbereitschaft von Jagows in Rpks alter Wohnung bleiben kann, ist es vielleicht praktisch, dort unsere Zentrale aufrecht zu erhalten, weil ja hier auch alle Adressen vorhanden sind und vor allem Frau Mund durch ihre langjährige Zusammenarbeit mit Rpk mehr von allen Bischofsteinern weiß (die sie zum Teil selbst gar nicht kennt) als irgendeiner von uns. Dankenswerterweise ist Frau Mund auch bereit, diese Aufgabe weiterhin zu übernehmen. So bleibt für uns Bischofsteiner die Adresse:
Frau Emmy Mund
Hannover – Linden, Kirchstr. 17 A
Telefon: 44 16 92
bestehen.
Ich denke, wir sollten den Versuch machen, die Verbindung unter den alten Bischofsteinern nicht ganz einschlafen zu lassen. Daher möchte ich vorschlagen, dass wir uns an jedem Sonnabend nach dem 20. August – in diesem Jahr wäre das der 21. August – in Eschwege im Hotel National zu einem Bischofsteiner Abend treffen. Der 20. August als Datum für unseren Stiftungstag ist klar. Eschwege schien mir aus zwei Gründen praktisch. Einmal, weil es den meisten Bischofsteinern aus ihrer Schulzeit als Stadt noch ein Begriff ist und wir haben von dort aus die Möglichkeit, schnell nach Wanfried zu kommen and gegebenenfalls einen Blick über die Zonengrenze nach Bischofstein zu werfen; zweitens aber auch, weil es – wenn auch etwas abseits von der Hauptstraße – so doch im Ganzen sehr zentral gelegen ist. Ich würde von hier aus die notwendigen Vorbereitungen in Eschwege treffen können und möchte nur bitten, dass alle Bischofsteiner einschließlich ihrer Frauen mir bis zum 1. Juli mitteilen, ob sie daran teilnehmen können. Meine Adresse ist:
Wolfgang von Scharfenberg
3442 Wanfried/Werra
Kalkhof
Man wird dann in dem größeren Kreis der hoffentlich erscheinenden Bischofsteiner über die weiteren Zusammenkünfte beraten können.
Für die vielen Beweise aufrichtiger Hilfsbereitschaft, treuer Verbundenheit mit Rpk und Bischofstein dankt Frau Mund von ganzem Herzen.
Wolfgang von Scharfenberg
Wanfried, den 16. März 1965