Weshalb auf dem Eichsfeld die Häuser zu Johanni mit Mauerpfeffer geschmückt werden
In zahlreichen Ortschaften des Obereichsfeldes ist es allgemein üblich, dass zu Johanni unter den Fenstern der Wohnhäuser Kränze aufgehängt werden, die aus den Blüten des Mauerpfeffers (Sedum acre) gewunden sind. Welche Bewandtnis es mit diesen Kränzen hat, darüber weiß der Eichsfelder Volksmund Aufschluss zu geben. Aus der Bibel ist bekannt, dass Herodes, Fürst von Galiläa, ein Sohn jenes Herodes, der dem Jesuskind nach dem Leben trachtete, die Frau seines noch lebenden Halbbruders Philippus zur Ehefrau genommen hatte. Das Weib hieß Herodias. Freimütig wies Johannes den leichtsinnigen Fürsten auf das Gesetz Gottes hin und sprach: „Es ist dir nicht erlaubt, das Weib deines Bruders zu haben!" Durch sein Vorgehen zog sich der heilige Täufer den Zorn der Herodias, eines ehrgeizigen und leidenschaftlichen Weibes, in ganz besonderem Maße zu. Da Herodes selbst eine hohe Achtung vor dem heiligen Manne hatte, befürchtete Herodias, dass der Fürst sich beeinflussen lassen könnte, ihre Verbindung zu lösen und sie von seinem Hofe zu entfernen. Das rachsüchtige Weib beschloss deshalb, den lästigen Mahner heimlich aus dem Weg zu räumen. Durch Bestechung, so geht die Legende, gewann Herodias zwei böse Männer, die sich bereit erklärten, den Johannes während einer Nach zu überfallen und zu töten. Da Johannes von dem Vorhaben erfuhr, wechselte er oft seinen nächtlichen Aufenthaltsort. Es wurden daher noch zwei Spione gedungen, denen es gelang zu erfahren, in welchem Haus der heilige Mann die Nacht verbrachte. Damit die Mörder das Haus nicht verfehlen konnten, kamen sie mit den Spähern überein, dass diese in später Abendstunde einen Kranz von Mauerpfeffer, der an dem fraglichen Ort in großen Mengen wuchs, an das betreffende Haus hängen sollten. Als die Mörder in der Absicht, ihr verbrecherisches Vorhaben auszuführen, die betreffende Straße betraten, mussten sie mit Erstaunen feststellen, dass an jedem Haus ein Kranz von leuchtendem Mauerpfeffer angebracht war. Also konnten die gedungenen Bösewichte ihren Anschlag nicht ausführen. Johannes war zunächst einmal den Nachstellungen des rachsüchtigen Weibes entgangen. Wie Herodias aber später doch zum Ziel kam, ist aus der Bibel bekannt. Nach dem Tode des hl. Johannes hingen, so wird weiter erzählt, seine Anhänger alljährlich am Tage seiner Geburt zum Andenken an das wunderbare Vorkommnis an ihren Häusern Kränze aus Mauerpfeffer auf. Dieser Brauch erhielt sich und soll später durch fromme Pilger auch in unsere Gegend gekommen sein, wo er sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.