Was der Holzergottlieb prophezeite und wie es in Erfüllung ging

Wie ich so in die Jahre kam, wo ein Dorfjunge einen Unterschied machen kann zwischen einem Göckelhahn und einem Schornsteinfeger, hatten wir mal eine Zeit lang richtige "Harzer" im Hause. Es waren das aber weder Harzer-Käse, noch Harzer-Kanarien-Edelroller, sondern vielmehr Harzer Holzhauerleute. Sie holzten am Ochsenberge Grubenholz ab.

Mein Vater hatte die Sache den Leuten vermittelt. Die Harzer Holzer sind allezeit seine gute seine gute Kundschaft gewesen. Er besuchte sie all monatlich auf einer Handelstour. Dorten lobten die Holzhauerfrauen sein selbstgesponnenes Wollgarn und seinen selbstgefertigten Kleider- und Joppenrasch. Diese und andere Wollwaren vertrieb mein Vater dort im Gebirge und noch nach seinem Tode kamen viele Warenbestellungen auf Postkarten und Briefen in unser Haus. Leider konnten wir die guten Leutchen nicht bedienen, denn es war Krieg und niemand konnte das Geschäft in Vaters Art und Weise fortbetreiben.

Der Führer dieser Holzerleute, die damals bei uns im Quartier lagen, war der Holzergottlieb. Gottlieb hieß er tatsächlich, und das "Holzer" hatten wir zugetan. Sein Familienname tut nichts zur Sache. In der Zeit nun kramte ich in kindlichem Zeitvertreib mit dem Bleistift. Ich malte Hund und Katz, Hinz und Kunz und gar auch einmal – den Holzergottlieb aufs Papier. Dem Holzergottlieb, der ein rechter Kinderfreund war, machte die Sache sichtlichen Spaß. Und wie er sein Konterfei sah, nickte er beifällig und sagte: „Na, der Holzergottlieb sieht wohl ein bissel anders aus, aber dennoch, – in dir könnt was drin stecken, Jüngelchen.

Zu Vater sagte er aber einige Tage später: "Verlass dich, Joachim, in deinem Jüngelchen steckt was." - "Na, dann wird's schon rauskommen", gab ihm mein Vater zurück. Ich vergaß das Gespräch alsbald, verschönte mit dem Blei die Kalendermänner durch stramme Schnauzbärte und üppiges Dufthaar, sofern sie grad Glatzeln hatten.

Dann kam die Zeit, wo der "Schlag" am Ochsenberge beendet war und die Harzer heimzogen. Der Gottlieb schenkte mir noch einen schönen Kasten mit Farbstiften. Dann kam das Frühjahr, wo es mich allgewaltig ans Wässerlein zog. Aber die Tage mochten noch kalt sein und wie ein unflügger Vogel saß ich da auf einem Stein, worauf es Peterstag schon heiß geschneit hatte und äugte sinnierend nach der Sonne. Die Leute fassten nun aber meine Frühlingssehnsucht falsch auf und sie sagten zu Mutter:

"Schau, da sitzt er, dein Jüngster, und sinniert - 's ist doch ein bissel ein 'Eigener'". Andere drehten das Wort noch mehr um und sagten: "Ein bissel ein Komischer". - Noch andere sagten: "Der sinniert so an allem, - in dem steckt was." Über solches Gerede musste ich, wenn es mir grad' zu Ohren kam, nun wieder erst recht sinnieren und ich bekam richtige Angst, was wohl da in mir stecken tät.

Als ich nun kurz vor Ostern einmal abgeschlagen nach Hause kam, sah mir die alte Therese, die derzeit grade für uns Wolle in Lohn verspann, prüfend in die Augen und sagte: "Junge, ich trüg' mich nicht, du hast was in dir. Gleich gehst ins Bett und die Mutter gibt dir z' schwitzen." Also kam ich ins Bett und bekam Holundertee und Lindenblütentee. Dann musste ich bis über die Ohren unter der Decke stecken.

Alle fünf Minuten hielt die Therese ihr Spinnrad an und kam herüber geschlurpft zur Bettstatt. "Schwitzt noch nit?" Da half ich denn nach und machte mir die Stirn mit Spucke recht glitschig. Wie sie nun wieder herüber schlurpfte und fragte: "Schwitzt nit?", antwortete ich: "Eh, wie ein Sack." "Kalter Schweiß, eiskalt", sagte die Therese. Aber ich durfte nicht herauslugen und so kam es, dass schließlich auch viel warmer Schweiß aus allen Poren trat.

Am folgenden Tage aber war die Prophezeiung des Holzergottlieb wahr geworden. Es war heraus, was in mir war - und das waren die Masern. Nun verhingen sie die Fenster, dass es in der Stube halbdüster war und ich musste liegen bleiben, dass mir das Übel nicht beischlüg, derweil ich sonsten erblinden könnte, meinte die Therese. Um mir aber das genehmlicher zu machen, brachte mir die Therese noch fünf hutzelige Äpfel, weil unsere Paradiesfrüchte, weil es längst Lichtmessen gewesen, alle waren für das Jahr und Obst neuer Ernte, weils erst um die Karwoche war, noch nit recht aus der Blüte war.

Aber ein Gutes hatte die ganze Sache noch für mich. Die Masern waren nun diesmal wenigstens nicht vom grünen Obst, was ja bei manchen Kinderkrankheiten vielfältig als Ursach' bezeichnet wird.