Wanerwerk

"Zu den Quellen ländlichen Volkstums und örtlicher Historie führen die Wanergeschichten, die ein sagenfrohes, gemütstiefes Geschlecht in traulichen Herdstunden weitergab, in unsern Tagen aber als unersetzliches Volksgut mit ins Grab nimmt." (Aloys Höppner)

Bei der "schwarzen Bricken" unweit des Klosters Zella kann es dem mitternächtlichen Wanderer geschehen, dass er gebannt wird, d.h. er eine Zeit lang keinen Fuß mehr vor den andern setzen kann. Dass es dortselbst nicht geheuer ist, musste ein Lehrling der Keudelsgässer Ziegelhütte erfahren, als er an einem Sonnabend in der Dämmerung in sein Heimatdorf Struth wollte. Nach einiger Zeit kam er wieder zurück mit dem Bemerken: "Bie der Bricken im Zallschen Gruine stet än Farr (Pfarrer), da let mich nit verbie."

Der "Zehnackersmann" in seiner Kümmelsalzjacke schreitet über die Felder, oder er sitzt zu Pferde und reitet querfeldein. Anstelle des Kopfes trägt er ein Wagenrad, manchmal aber hält er seinen Kopf unter dem Arm. So sah ihn mein Onkel einmal am "Kläwawerbiel". Eine andere Fassung ist die vom "Siebenackersmann", der zu Lebzeiten Furchen von den Nachbarsäckern abpflügt und nun zur Strafe in der Nähe der "Siebenäcker" (unweit der "Diewelsnasen") umgehen muss, indem er als Reiter ohne Kopf die Felder überquert. Ein Ehepaar, das einmal in der Dämmerung den Bahnpfad entlang kam, konnte in das Bahnwärterhäuschen flüchten und die Tür verriegeln, als es plötzlich den Reiter ohne Kopf auf sich zutraben sah. Wenige Augenblicke später war der Unhold zur Stelle und peitschte immer wieder mit seiner Reitgerte gegen die Tür des Wärterhäuschens, in dem sich der Mann und die Frau fast zu Tode ängstigten. Erst beim Morgengrauen, als man vom Hülfensberge das Metteläuten hörte, verschwand der Spuk.

-In der Diedorfer Flur spukt in ähnlicher Gestalt der "Achtzehnackersmann". Unweit der Wüstung Wolkramshausen bei Dingelstädt wird um Mitternacht ein Reiter ohne Kopf gesehen. Im Dinkelröder Felde bei Hesserode, Grafschaft Honstein, soll nachts zwischen zwölfe und eins ebenfalls ein Reiter ohne Kopf umhertraben. Es scheint, dass er eine beliebte Sagengestalt in der ganzen Gegend ist. Höppner lässt den "Zehnackersmann" im Nussgrunde bei Faulungen umgehen.

Um die mitternächtliche Stunde kommt zuweilen der "Enzenreiter", eine schwarze Gestalt, auf einem Rappen den Entenberg herab, um bei der Lutterbrücke zu reiten. Entweder gleitet er gespensterhaft ohne Laut, wie ein Schemen vorüber, oder er kommt mit Getöse wie die wilde Jagd dahergebraust. (Höppner) D’r aale Millerklais hatte eine Fuhre Holz in der "Habezucht" geholt. Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen und man befand sich noch in der Gegend "hingerm Gericht". Als die Männer ein Licht wie eine Leuchte auf sich zukommen sahen, meinte Millerklais: "Kimmt dann eeren min Trüdchen un wall mich oblange?" Es war aber ein Irrwisch, der um den Wagen herumhüpfte, für Augenblicke verschwand, um wieder seinen Schabernack zu treiben, so dass Millerklais unwillig rief: "Es ann daas Taamelding nach do?" Plötzlich war – für den Bruchteil einer Sekunde - alles in eine Feuerkugel eingehüllt und der Spuk war verschwunden. Zwei Burschen wollten Weiden aus dem Klosterholze unweit der "schwarzen Bricken" holen. Einer war unten geblieben und suchte am Wasser, während der andere von oben mit einem Bündel auf dem Rücken daherkam, das ihm immer schwerer wurde, so dass er in Schweiß gebadet war. Da sah sein Genosse den alten Förster Gassmann, der schon lange tot war, auf der Last hocken und nahm Reißaus.
In einer uralten Buche im Holze am Wege nach Effelder wohnte der "Schlampanjesmann", ein Hockekobold, der sich nachts von Vorübergehenden "Huckepäischen" tragen ließ und sie durch seine übermächtige Schwere in die Knie zwang. Unmittelbar neben der Schlampanjesbuche in einer großen Dornhecke hauste die "Spinnmützen", die in der Dämmerstund summend den Fanden spann.

–Auf der "Stenner Bricken" sperrt in der Geisterstunde der Wasseresel dem späten Zecher den Weg und zwingt ihn, den Heimweg durchs Wasser zu nehmen, indem er ins Riesenhafte wächst.

Hin und wieder wurde eine weiße Frau gesehen, die wandern musste, weil sie unter der Erde keine Ruhe fand.

Tief im Holze auf dem Kälberberge liegt die "Wanertallen". Wer sich in ihre Einsamkeit verliert, dem kann es geschehen, dass er die Richtung verliert und den ganzen Tag im Kreise herumirrt. Eine Frau, die beim Holzsammeln einmal in die "Wanertallen" geraten war, hatte, als sie glücklich wieder zu Hause angekommen war, Knochen statt Leseholz im Korbe.

Am 2. Januar, dem Waldmännchenstag, spannte – noch um 1900 – kein Bauer an, aus Furcht, an Achsen, Deichsel und Rad, an Leib und Leben von Mensch und Tief, Schaden zu erleiden. Einem Mann, der an diesem Tage Mist auflud, brach der Stiel an zwei Gabeln entzwei. Als er dennoch seinen Willen durchsetzen wollte und hinausfuhr, brach auch die Wagendeichsel durch.

Anton Fick