Wanderungen in die Umgebung von Schloss Bischofstein (1977)

Wer mit offenen Augen in die Natur der Umgebung Lengenfelds hinauswandert, dem wird dieses Erlebnis zur bleibenden Erinnerung an das schöne Eichsfeld. Das von verschiedenartigen Bergkonturen begrenzte Friedatal mit seinen Wäldern, felsigen Kuppen und einsamen Tälern liegt dem Ort so nahe, dass es in kurzer Zeit erreichbar ist.

In dem Wald- und Bergland findet der Wanderer fast alle Arten von Laub- und Nadelhölzern. Im Gemisch von Rot- und Weißbuchen, Eschen, Eichen und Ahorn sind Linden, Espen und Ulmen, vereinzelt auch Birken und Ebereschen, zu finden. Verstreut und in Gruppen stehen im Laubholzbestand junge und uralte Eiben. An den Hängen und in der Nähe der Vorgehölze wächst auch noch der Wacholder. Fichten, Lärchen und Kiefern bilden den geschlossenen Bestand des Nadelwaldes. Tannen sind selten.

Ein Paradies seltener Pflanzen und Kräuter, bedingt durch die Bodenformation (Muschelkalk) und klimatische Einwirkungen, bietet die Flora. An den Waldhängen und auf den Lichtungen findet man schon im zeitigen Frühling den Seidelbast mit seinen purpurblauen, duftenden Blüten. Bald danach erscheinen das Leberblümchen, weiße und gelbe Anemonen und das rot- und blaugefärbte Lungenkraut. Kommt der Frühsommer, so treten andere seltene Pflanzen an ihre Stelle: Aronstab und Maiblumen stehen in dichten Scharen beisammen, seltener schon und versteckt Salomonsiegel und die wundervollen Blüten des Frauenschuhs. Oft leuchten uns der Türkenbund, die verschiedenen Arten der Knabenkräuter sowie das rote und weiße Waldvöglein und die Fliegenblume entgegen. Im Herbst sind dann alle Hänge und Wiesen wie ein Teppich durchwirkt mit den blauen Blüten des Enzians. Alle diese seltenen Pflanzen der eichsfeldischen Flora stehen unter Naturschutz.

Wenn auch der Wildbestand der Wälder und Fluren geringer geworden ist, so begegnet der Wanderer oft Hasen und Rehen. Hier und da gräbt der Dachs, und der Fuchs schnürt im Gelände herum. Seltener und dann nur im Westerwald sind die Hirsche. Dafür hat sich das Schwarzwild wieder stark eingebürgert. Als Seltenheit unter den Lurcharten finden wir die Geburtshelferkröte, auch Glockenfrosch genannt.

Aber auch der Geologe wird auf dem Eichsfeld mit seinen guten Aufschlüssen des unteren, mittleren und oberen Muschelkalks viele sehr schöne Arten von Versteinerungen finden, die ihm aus der Entstehungsgeschichte der Erde erzählen.

WANDERUNG ZUM SCHLOSSBERG

In einer halbstündigen Wanderung vom Bischofstein aus erreichen wir auf leicht ansteigendem Waldweg das Plateau des Schlossberges, 402 m hoch. Hier stand einst die feste Burg „Stein“, ab 1409 „Bischofstein“ genannt. Wenige Überreste von Mauerwerk und Gewölben erinnern an die einstigen Beherrscher des Friedatales. Von der nach Süden gelegenen steil abfallenden Felswand hat man einen herrlichen Ausblick in das Friedatal. Unten liegt Lengenfeld, östlich Faulungen, eingebettet im engen Talkessel und umgeben von den Bergzügen des „Faulunger Steins“ und der „Pfaffenköpfe“ mit der alten Wallburg, die „Spindelsburg“. Südlich liegt Hildebrandshausen. Westlich sieht man Geismar mit dem Hülfensberg, 447 m hoch. Nach dieser einzigartigen Schau soll man nicht versäumen, das hinter dem Schlossberg gelegene Bilatal zu durchwandern. Am Hang entlang findet man dann auf stillen Waldwegen die seltenen Eiben in ganzen Gruppen. Hat man dann den Berghang erreicht, bietet sich erneut die wunderbare Sicht ins Bilatal, östlich schauen wir ins Effeldertal mit dem Walperbühl, einem Bergkegel, 450 m hoch. Auf einem bequemen Waldweg erreichen wir in einer viertel Stunde wieder Bischofstein.

WANDERUNG NACH KLOSTER ZELLA

Oberhalb Lengenfelds beim Sägewerk zweigt links die Straße nach Struth ab. Auf ihr etwa 4 km entlangwandernd, erreicht man das ehemalige Kloster Zella. Still und erhaben grüßt es den Wanderer auf der Landstraße. Seine altersgrauen Mauern, teils noch aus der Gründerzeit um 1100, beeindrucken uns tief. Dicht hinter dem Kloster entspringt die Frieda dem Berginnern. Links die Landstraße verlassend, gelangen wir auf den Eingangsweg zum ehemaligen Kloster.

Kloster Zella oder Kloster „Friedensspring“, wie es nach dem Flüsslein, das zu Fußen des Klosters entspringt, benannt ist, wurde um 1100 als Doppelkloster gegründet. Die älteste noch vorhandene Urkunde von 1215 bezeichnet das Kloster als Frauenkloster. Alles andere urkundliche Material wurde bei dem großen Mühlhäuser Brand im Zell’schen Hof, wohin im Dreißigjährigen Krieg ein Teil der Nonnen mit Klosterschatz und Urkunden geflüchtet waren, vernichtet. Torhaus und Kirche sind die letzten sichtbaren Zeichen aus der Entstehungsgeschichte. Die übrigen Klostergebäude sind in Fachwerk ausgeführt, von denen die ältesten seit 1603 stehen. Nur die Grundmauern, Keller und Gewölbe geben noch ein Bild davon, wie das Kloster bei seiner Erbauung eingerichtet gewesen sein mag. Das Kloster wurde 1948 im Zuge der demokratischen Bodenreform vom Land Thüringen der evangelischen Kirchenprovinz Sachsen übereignet. Die Kirchenleitung beauftragte das Evangelische Hilfswerk, in Kloster Zella ein Altersheim einzurichten. Die ersten Heimbewohner kamen am 15. Juli 1949.

WANDERUNG NACH GROSSBARTLOFF – KLOSTERMÜHLE – LUTTERMÜHLE – EFFELDER

Mit dem Zug fahren wir von Lengenfeld unterm Stein nach Großbartloff, das schon 1294 zu Kurmainz gehörte und zu diesem Zeitpunkt Bartdorf genannt wurde. Schon um 1500 besaß das Dorf eine eigene Brauerei und mehrere Mühlen. Im Dreißigjährigen Krieg wurde Großbartloff 1640 teilweise verbrannt. Valentin Degenhard aus Frieda begründete 1680 hier die Raschmacherei, aus der sich 1711 die südeichsfeldische Raschmacherzunft entwickelte, die bis 1809 bestand. Im Jahre 1870 ging die Wollspinnerei ganz ein. An Valentin Degenhard erinnert ein Gedenkstein in der Mitte des Dorfes.

Der Kunstliebhaber sollte nicht versäumen, einen Blick in die Kirche zu werfen, deren Turm die Jahreszahl 1551 trägt und in seiner Bauart einzigartig auf dem Eichsfelde ist. Im Dorf selbst finden wir schöne Bauernhäuser in Fachwerk und mit stattlichen Torbögen.

Wir verlassen Großbartloff und wandern auf der Landstraße nach Wachstedt rund 400 m. Dort biegen wir ostwärts auf einem Weg ab und erreichen, nachdem wir noch den Tuffsteinbruch und den Wasserfall besichtigt haben, die Klostermühle, die zu einer Erholungsstätte ausgebaut worden ist. Diese Mühle gehörte als Bannmühle zu dem ehemaligen Benediktinerinnen-Kloster Zella. Nach einer ausgiebigen Erfrischung in der Klostermühle besuchen wir noch das Erholungszentrum Luttergrund, ein wahres Urlauberparadies, mit der Luttermühle, die nach modernen gastronomischen Gesichtspunkten ausgebaut wurde.

Nach einer erholsamen Rast führt uns eine gut ausgebaute Landstraße in südöstlicher Richtung nach dem zwei Kilometer entfernten Effelder, das mit seiner Höhenlage von 460 m neben Struth das höchstgelegene Dorf des Eichsfeldes ist. Urkundlich wird das Dorf „Effeldra“ schon 1280 genannt. Damals verkaufte der Graf Albrecht von Gleichenstein das Dorf an das Kloster Zella, bei dem es bis zur Säkularisation im Jahre 1802 blieb. Ein Besuch in der Kirche, dem „Eichsfelder Dom“ mit seiner reichen Innenausstattung, lohnt sich. Nachdem wir uns in einer der Gaststätten erquickt haben, wandern wir auf dem Bartloffer Stieg in nordwestlicher Richtung und erreichen nach 1,5 km den Haltepunkt Effelder. Dort nehmen wir den Spätnachmittagszug und fahren wieder nach Lengenfeld unterm Stein zurück.

WANDERUNG NACH FAULUNGEN

Jedem Urlauber empfehlen wir eine Wanderung nach Faulungen. Oberhalb Lengenfelds, dort wo bei dem Sägewerk die Straße in südöstlicher Richtung abzweigt, erreichen wir nach einer Wanderung von 3 km an der neugestalteten Untermühle vorbei mit einem herrlichen Blick auf den Zellaer Grund das romantisch gelegene Dorf Faulungen. Schön hebt sich die Kirche gegen die steilen Felsen des „Faulunger Steins“ ab, auf dem ehemals eine Wallburg stand. Wunderbare alte Fachwerkhäuser geben dem Dorf ein besonderes Gepräge. Ganz besonders aber lohnt es sich, das Terrassencafé mit Sitzterrasse, Tanzfläche, Grünflächen, Musikpavillon und Jägerhäuschen mit Terrasse zu besuchen, das die Faulunger Einwohner mit einem Wert von 180 000 Mark in Eigenleistung selbst geschaffen haben.

Walther Fuchs
(Quelle: Barthel, Rolf: Zwischenspiel auf Bischofstein. Käthe Kollwitz, das Eichsfeld und Nordhausen. Sonderausgabe der „Eichsfelder Monatshefte“, 1977).