Wüstung Stadt zum Stein

(Mittelalterliche Wüstungen im Eichsfelder Teil des Kreises Mühlhausen (V))

Gemarkung: Lengenfeld unterm Stein, Kreis Mühlhausen
Messtischblatt: Nr. 4727, W: 11,6-12,5 cm, S: 9,3-9,8 cm.

Lage: Die Wüstung liegt südlich unter der Burg Stein, ca. 0,9 km nordwestlich von Lengenfeld und ca. 0,4 km vom Schloss Bischofstein entfernt. Die Siedelstelle befindet sich auf wenigen Terrassen unter dem Steilabfall der Burg. Das Gelände fällt nach Westen und Süden ab und langsamer nach Osten. Um die Siedlung verläuft im Osten und Süden ein kleiner Wall mit Mörtelresten von der abgebrochenen Befestigungsmauer. Im Westen zeigt er sich ebenfalls und außerhalb davor eine Erosionsrinne mit anscheinend noch einem äußeren Wall. Im Osten der Wüstung folgt ein neuzeitlicher Friedhof des 19. und 20. Jh. Ein Großteil der Siedelstelle ist heute bewaldet. In der Wüstung sind früher kleine Quellen auf der Rötschicht gewesen. Halbwegs nach dem Schloss Bischofstein besteht eine Quelle.

Beschreibung: Die Wüstung war mit einer Ringmauer mit der Burg Stein verbunden, und zwar von der Gegend "des östlichen Rundturmes bis zum Felsmassiv im Westen. Die verhältnismäßig leichte Mauer ist streckenweise mit einem schwachen Schuttwall mit Mörtelresten erkennbar. Wie an der Westseite, kann sie auch an den anderen Seiten einen Graben davor gehabt haben. Die oberste Terrasse im Westen soll bei den Planierungsarbeiten für die Freilichtbühne Reste einer Umfassungsmauer gezeigt haben. Auf einer Landkarte aus dem Jahre 1583 ist hier oben ein dicker Baum erkennbar, der vermutlich auf eine Gerichtsstelle hinweist (ausgestellt im Heimatmuseum Worbis; Prochaska S. 13).

Tiefer befindet sich, aus der Umgebung des Hanges herausgehoben, die überlieferte Stelle der Georgskapelle. Ein flacher Schuttwall mit Mörtel deutet hier einen rechteckigen Raum von ca. 15 x 5 m Grundfläche an. Dicht südlich daneben folgt ein niedriger Ringwall, der die zerfallene Einfriedungsmauer eines möglichen Friedhofes andeuten kann. Nordöstlich der Kirchstelle hat man auf dem Wiesenhang der Siedlung im Jahre 1979 eine unerlaubte Grabung durchgeführt. Dabei wurde die Trockenmauer eines ehemaligen Gebäudes freigelegt. In dem Raum davor konnte ein Posten Keramikscherben neben anderen Funden geborgen werden.

Archäologische Funde: Beim Bau der Eisenbahnlinie Ende des 19. Jh. wurde anscheinend der südliche Teil der Siedlung angeschnitten. Es sollen viele Gegenstände gefunden worden sein, über deren Verbleib nichts bekannt ist.

Im November 1955 wurden bei Ausschachtungen im Nordwesten des neuen Friedhofes ein großer Posten Keramikscherben und drei etwas beschädigte Gefäße geborgen. Diese Funde, die im Schloss Bischofstein aufbewahrt wurden, waren im April 1977 nicht mehr auffindbar. Bei den Gefäßen handelte es sich um einen Bomben-(Kugel-)Topf mit Gurtfurchen unter dem ausladenden Rand, einen großen bauchigen Grapen mit randständigem Henkel, einer Schneppe und Stelzen, von denen noch zwei vorhanden waren, sowie um ein hohes und schlankes Gefäß (Kanne?) mit gewelltem Standring und abgebrochenem Rand.

In den Jahren 1974 bis 1980 wurden geborgen: 2 z. T. zerscherbte Ofenkacheln und 145 Scherben von weiteren Ofenkacheln; 1 kleiner ziegelfarbener hochgezogener Kugeltopf mit umlaufenden Gurtfurchen. 83 meist ziegelfarbene spätmittelalterliche Scherben; ein Bodenbruchstück aus Steinzeug mit gewelltem Standring; eine verrostete Schafschere älterer Art; 1 verrostetes Türband und andere Eisenstücke, wie geschmiedete Nägel; dazu weitere Fundstücke, wie gebrannter Lehm, Dachziegelbruchstücke, Tierknochenfragmente. Die Funde weisen in das 13.-14. Jh. und werden im Heimatmuseum Mühlhausen aufbewahrt. Die wilde Grabung von 1979 zeigte ein durch Brand im 14. Jh. zugrunde gegangenes Gebäude.

Flurnamen: „Stadt Stein“ für die Siedelstelle und für die Waldung „Hagen“ (1326 Hegene).

Urkundliche Erwähnungen (nur Auswahl):
1269 Sifrid Pfarrer zu Bischofstein (Opfermann S. 115). 1326 kauft der Erzbischof von Mainz von den Rittern H., J. und B. von Hardenberg die Burg und Stadt Stein (castrum et oppidum sten apud Hegene – Prochaska S. 13; Grotefend - Rosenfeld 762 a).
1420 sind Stadt zum Stein und andere zum letzten Mal urkundlich genannt (Rummel 1955).

Auf der Landkarte von 1583 ist die Kapelle nicht vermerkt [Anmerkung: Die Kapelle ist dort vermerkt, allerdings schlecht erkennbar und ohne Dach gezeichnet – ein Zeichen dafür, dass sie wüst lag und teilweise zerstört war]. Sie war zerstört und wurde erst 1611 wieder aufgebaut (Rummel 1955). Im Dreißigjährigen Kriege wurden die Burg Stein und die Kapelle arg zerstört (Rummel nach Kirchenbuch).

Die letzte kirchliche Handlung in der Georgskapelle fand mit einer Trauung am 13. 7. 1708 statt (nach Ortschronist Fuchs). Anschließend dienten Burg und die Kapelle als Steinbruch, auch für den Neubau des Schlosses Bischofstein in den Jahren 1740-1748 (Rummel).

Quellen und Literatur:

  • 3. Wolf / Kl. Löfflar, Politische Geschichte des Eichsfeldes. Duderstadt 1921, S. 132.
  • Christoph Völker, Der Besitz der Burg Bischofstein in der Mitte des 14. Jhs. in: Unser Eichsfeld 1930, S. 14 u. 42; 1938, s. 11-12; 1939, S. 102 f. u. 229.
  • L. Rummel, Verschleppte Steine. In; Unser Eichsfeld. 1932, S. 86 f.
  • derselbe, Burg Stein bei Lengenfeld. In: Eichsfelder Heimatborn (Thür. Tageblatt Worbis/Heiligenstadt) v. 6. 8. 1955.
  • derselbe, Geschichte der St. Georgskapelle der Burg Stein. In; Lengenfelder Echo, 8/1959.
  • Walter Prochaska, Zur Geschichte der Windischen Mark beim Bischofstein. In; EHh 1962 S. 15 und 17.
  • Bernhard Opfermann, Die kirchliche Verwaltung des Eichsfeldes in seiner Vergangenheit. Leipzig - Heiligenstadt 1958, S. 119.
  • Rolf Aulepp, Burg Stein und Stadt zum Stein. Schreibmaschinenmanuskripte vom 15.06.1974 und 31.03.1980 im Heimatmuseum Mühlhausen.

Bemerkungen: Die Stadt zum Stein ist als gesonderte Siedlung anzusehen, die in Abhängigkeit zur Burg Stein stand. Sie war durch eine Mauer mit der darüber befindlichen Burg verbunden. Damit ist aber keine Vorburg gemeint. Es ist anzunehmen, dass hier Dienstleute der Burg, aber auch Handwerker angesiedelt waren. Inwieweit in diesem Ort auch der Wirtschaftshof der Burg war, ist noch nicht geklärt. Die Überlieferung spricht von einem Wirtschaftshof beim Brunnen halbwegs zum Schloss Bischofstein. Die Hagemühle im Talgrund der Frieda gilt als zur Burg gehörende Mahlmühle. Die Bezeichnung Stadt weist hier nicht auf eine stadtrechtliche Siedlung. Auch ist von einem Markt nichts bekannt. Es bestand eine enge wirtschaftliche Beziehung zur Burg Stein, so dass man höchstens von einer Minderstadt sprechen kann.

Der Befund von 1979 zeigt ein durch Brand im 14. Jh. untergegangenes Gebäude. Ob eine gewaltsame Zerstörung der Siedlung vorliegt, ist noch nicht geklärt. Interessant ist, daß die Gefäße und die Schafschere liegen blieben. Daher kann angenommen werden, dass der Brand überraschend erfolgte.

Nach dem bisherigen Fehlen von frühneuzeitlicher Keramik scheint die Siedlung spätestens im 15. Jh. aufgegeben worden zu sein. Die Georgskapelle hat aber ihre Funktion in Beziehung zur Burg bis zu deren Zerstörung im Dreißigjährigen Kriege und noch später behalten. Ab 1708 war sie dann verlassen und wurde mit abgebrochen.

Rolf Aulepp
(Quelle: Eichsfelder Heimathefte. Heft 2, Heiligenstadt 1989, S. 180-182)