Von der Heimatliebe der Eichsfelder
Wilhelm, ein flotter Bursche in Effelder, kam wieder einmal zu spät aus der Schenke, und er hatte auch mehr getrunken als er vertragen konnte. Da gab’s dann am andern Morgen daheim eine lange Strafpredigt mit vielen bösen, brummigen Worten. Bei Wilhelm regte sich da auf einmal der Trotz und er begehrte auf: „Ich geh’ in de wiete Walt un kumme nie wärre.“ Und da der Vater kurz erklärte: „Je, es hält dich doch kener, mach ruhig, daß du fortkimmst, daß du endlich mol geschät (gescheit) wärst“, suchte Wilhelm seine „sieben Sachen“ zusammen, legte alles in eine braune Holzkiste, holte Strick und Bänder und machte den „Koffer“ zum Tragen fertig. Dann rief er seinem Vater noch zu: „Macht’s gut; ich kumme nie wärre, un ich schriebe äu ken äinzigmol.“ Und er ging trutzig von dannen.
Die Leute auf der Straße blieben stehen: „Wilhelm, wo wit du dann hen?“ Und Wilhelm antwortete ganz bockig und mit bösem Gesicht: „Ich geh so wiet, wie mich de Bene träun (Beine tragen). Mach’s gut, Kathrin!“ – Nun machte aber der wanderlustige Geselle einen großen Fehler. Als er nämlich zur Kapelle am Hügel gekommen war, schaute er sich noch einmal um. Da sah er sein Heimatdorf im Sonnenschein vor sich liegen – hoch über den Häusern die Kirche – und etwas weiter die vertrauten Wälder seiner Kindheit und in der Ferne die Berge an der Werra. Da wurde ihm auf einmal so eigen ums Herz, er wusste nicht, wie ihm geschah. Der Bock in ihm zog seine Hörner ein, das Trotzeis in seinem Gemüt begann zu schmelzen und in die Augen schoss ihm das Wasser. So weh war ihm da, als er von der Heimat scheiden sollte. Sein Entschluss kam ins Wanken; er ging trübselig die „sieben Gerten“ hinab bis ins „Hübenthal“. Da versteckte er sich mit seiner Wanderlust unter die Straßenbrücke, damit ihn niemand sähe und finde, und er blieb mit zerrissener Seele da, bis die Sterne am Himmel aufzogen. Dann raffte er sich auf, nahm sein Wandergepäck, schlich ins Dorf zurück, kam auf heimlichem Wege ins Vaterhaus, fand die Hoftür offen, trat in die Stube und sagte: „Ich kann nit fort, ees äs was, was mich festhält, ich bliebe hie.“
Franz Huhnstock
(Quelle: Eichsfelder Heimatbuch. Ausgewählt und zusammengestellt von Walter Prochaska. Heiligenstadt: Cordier, 1956)