Von den Orchideen des Südeichsfeldes (1938)

Seltene Pflanzen, die der Mensch mehr schonen sollte – Freude für den Naturfreund

Auf dem Südeichsfeld sind noch viele seltene und schöne Pflanzen zu finden, die in anderen Gegenden nicht vorkommen. Bei uns ist noch neben den vielen Halborchideen, den Knabenkräutern, auch die wirkliche Orchidee, der Frauenschuh, Cipripedium calceolus, vertreten. Früher nannte man diese herrliche Blume, die jetzt vor der Blüte steht, im Eichsfelder Volksmund „güldene Eier". An der Gobert wird sie Kuckucksschuh genannt. Das ist gewiß die treffendste Benennung neben der Bezeichnung Frauenschuh, gleicht doch die edle Blüte dem goldenen Ei ebenso wie dem goldenen Schuh. Leider wird der Frauenschuh von törichten Menschen immer noch ausgegraben und in die Gärten verpflanzt, wo er dann verkümmert oder eingeht. Der halbschattige Wald ist sein Standort, und nur hier kann er gedeihen.

Wenn der Same des Frauenschuhs nicht auf einen bestimmten Boden gelangt, der einen gewissen Spaltpilz enthält, kann er nicht aufgehen. Hieraus erklärt sich auch die Seltenheit der Pflanze in manchen Wäldern, während in anderen wieder Stellen zu finden sind, wo der Frauenschuh auf kleinem Raum in Gesellschaft von mehr oder weniger Pflanzen anzutreffen ist. Vor etwa 30 Jahren kannte ich noch Stellen mit hundert und mehr Pflanzen. Diese findet man aber heute nicht mehr. In der Natur selbst haben die Orchideenarten keine Feinde, das Wild verschmäht sie und es lebt auch keine Raupe auf ihnen. Es ist ausschließlich der Mensch, der den Frauenschuhseinerschönen Blüten wegen verringert.

Weniger dagegen sind die Halborchideen, die sogenannten Knabenkräuter, gefährdet, weil sie den Menschen giftig erscheinen. Von diesen Knabenkräutern hat das Südeichsfeld eine Neuheit aufzuweisen, und zwar das weiße Knabenkraut, Orchis pallens. Seit ungefähr 15 Jahren breitet es sich immer mehr bei uns aus. Es ist nun schwer festzustellen, ob es zugewandert ist, oder ob die Pflanze bei Aufstellung der Flora des Eichsfeldes übersehen wurde. Professor Neureuther beabsichtigte, das Vorkommen von Orchis pallens auf dem Südeichsfeld in einem Nachtrag zu seiner Flora festzustellen – leider hat ihn der Tod daran gehindert.

Orchis pallens blüht weiß-gelblich (rahm-, farbig) und schon von Mitte April an. Die ganze Pflanze ist auch gedrungener und niedriger als die anderen Knabenkräuter, auch kann sie mit dem „männlichen Knabenkraut", Orchis mascula, nicht verwechselt werden, das auch mal weiß blüht, jedoch meistens purpurrot. Auch blüht dieses erst Mitte Mai, wenn die echte Orchis pallens schon verblüht ist. Außerdem kommen noch häufig das Soldaten-Knabenkraut, Orchis militaris, das gemeine Knabenkraut, Orchis mono, und das Purpur-Knabenkraut, Orchis purpurea, bei uns vor. Etwas seltener sind das gefleckte Knabenkraut, Orchis masculata, dessen Blätter gefleckt sind, und das breitblätterige Knabenkraut, Orchis latifolia, anzutreffen.

Diesen Knabenkräutern droht nicht so sehr die Ausrottung, wie ich schon anführte. Jedoch die schöne kleine Frauenträne Orchis musicfera, die auch zu den Orchideen zählt – auch noch Fliegenblume oder Fliegenorchis genannt – und Anfang Juni blüht, wird wegen ihrer eigenartigen Schönheitleider noch so viel abgepflückt, bewundert und dann wegen des schnellen Wel-kens achtlos weggeworfen. Hier ist es die Pficht aller, die dazu berufen sind, aufzuklären und erzieherisch zu wirken, damit uns diese edlen Schätze der Pflanzenwelt erhalten bleiben.


Lambert Rummel
(Quelle: „Eichsfelder Heimatbote 17/1938 Nr. 24, vom 11. Juni, auch in „Eichsfelder Heimatbote“ 28/1956, Nr. 22, vom 2. Juni)