Von Unwetterkatastrophen auf dem Eichsfelde (1926)
Das größte Unwetter, welches die Gemeinde Helmsdorf je betroffen hat, dürfte wohl am 26. Mai 1852 eingetreten sein. Der damalige Ortspfarrer Rheinländer (1848 bis 1857) hat darüber im hiesigen Kirchenbuche Nr. 4 folgende Aufzeichnung gemacht, welche hier auszugsweise folgen möge:
„War schon in den Jahren 1850 und 1851 infolge schlechter Ernte und ansteckender Krankheit – Cholera – Elend und Not in manche Gemeinde eingezogen, infolgedessen viele Landsleute, ja ganze Familien, zur Auswanderung nach Amerika sich genötigt sahen, so dauerte dieses Elend auch noch im Jahre 1852 an; es wurde sogar noch größer und schlimmer. Denn im Frühling dieses Jahres sah es sehr schlecht aus mit dem Saatenbestande, da derselbe durch die allzu große Nässe des Winters und durch die ungewöhnliche Kälte im April sehr gelitten hatte. Erfreulicherweise trat nun gegen Mitte Mai ein günstiger Umschwung in der Witterung ein, so dass alsbald der anfangs so schwache Saatenbestand sich erholte und die schönsten Ernte-Aussichten erhoffen ließ. Aber bald nachher stellten sich täglich sehr heftige Gewitter ein, welche zuerst schadlos vorübergingen und nicht vermochten, die drückende Temperatur abzukühlen.
Auch am 26. Mai herrschte wieder eine große Gewitterschwüle. Und siehe, 4 Uhr nachmittags stiegen im Süden und Osten je ein Gewitter auf, welche sich bald miteinander vereinigten und über das Unstruttal ein Unwetter hereinbrechen ließen, wie es wohl seit Jahrhunderten nicht vorgekommen war. Gegen 5 Uhr stellte sich große Dunkelheit ein, der Regen fiel in Strömen herab, dicke Hagelkörner sausten in Menge hernieder und dabei brauste der Sturmwind so gewaltig, dass das unterbrochene Donnern teilweise gar nicht gehört wurde. Infolge dieses bis 6 Uhr dauernden Unwetters waren die Saatenfelder gänzlich vernichtet, die Bäume entlaubt oder lagen entwurzelt am Boden, das lockere Erdreich an den Abhängen war hinweggeschwemmt, kahles Felsengestein wurde auf den Ländereien sichtbar, die Wiesentäler waren dagegen einige Fuß hoch mit Schlamm und allerlei Geröll bedeckt. Jedoch kaum hatten die hiesigen Einwohner gegen 6 Uhr abends wieder etwas freien Atem geschöpft, da sollten sie bald noch Schrecklicheres erfahren. Inzwischen kamen große Wassermengen infolge des anhaltenden starken Regens von den Bergen und Höhen herabgestürzt, eilten unter lautem Getöse zum Unstruttale, verwandelten die sonst so friedliche Unstrut in einen reißenden Strom und richteten unterwegs die größten Verheerungen und Verwüstungen an. In Dingelstädt wurde eine Frau, welche krank im Bette lag, von den Fluten hinweggeschwemmt und fand dabei den Tod. Der sogenannte Bach, ein fließendes Gewässer aus der Dingelstädter Flur kommend, hat dortselbst eine Schafherde von nahezu 600 Stück in seinen Fluten mitgerissen und darin ertränkt; einige Tierkadaver hiervon konnte man nach dem Unglückstage hier noch im Geäst der Bäume, welche vom Hochflutwasser nicht mit fortgerissen waren, hängen sehen. Selbst sieben Menschen, welche die Dingelstädter – Küllstedter Chaussee bauten und in ihrer Bude vor dem Unwetter Schutz suchten, wurden von den Fluten des ‚Baches‘ mit fortgeschwemmt und fanden darin den Tod. Von den Leichen wurden vier in der Helmsdorfer Feldflur gefunden, nämlich die des Philipp Montag aus Küllstedt, des Josef Sander aus Kefferhausen und des Nikolaus Freund aus Kreuzebra; die vierte Leiche, nämlich die des Georg Kirchberg aus Dingelstädt, fand sich erst einige Zeit nachher, als die Brücke in der Wolkramshäuser Mühle erneuert werden sollte, wo sie im Schlamm verborgen lag. Der andere Bach, der ‚Mertel‘, welcher an der Grenze der Küllstedter Feldflur entspringt und sich vor der Wolkramshäuser Mühle mit dem ‚Bache‘ zur ‚Wüsterott‘ vereinigt, war noch stärker angeschwollen. Diese Gewässer, der Bach und Mertel oder die Wüsterott, stauten sich bei der Wolkramshäuser Mühle, wo das Tal sich verengt, vor der Brücke, setzten die sich hier vorfindende Kunkell‘sche Fabrikanlage unter Wasser und verursachten daselbst einen Schaden von 5.000 Talern. Erst nach 4 Monaten konnte die Fabrik ihren Betrieb wieder aufnehmen.
Von da kam das Wasser der Wüsterott verheerend in die Dorflage von Helmsdorf, wo es sich mit dem Flutwasser der Unstrut vereinigte und den Ort teilweise in einen See verwandelte.“
Wilhelm Klingebiel, Pfarrer
(Quelle: „Chronik von Helmsdorf“, 1926, Seite 97. Wiederabgedruckt in: „Eichsfelder Heimatbuch“ von Walter Prochaska, S. 30 – 32)