Vom Esel mit den kaputten Ohren und dem halbierten Ochsen
Die meisten Leute hatten mit Garantie den Weihnachtsputz schon hinter sich, sicherlich die Weihnachtsbäckerei völlig abgeschlossen, und ich denke mir, dass bei einigen nicht nur der Weihnachtsbraten, sondern auch schon so mancher Christbaum im Festtagskleid triumphierend im Wohnzimmer thronte.
Ich jedoch mit meiner großen Männerfamilie, die aus fünf Männern bestand, war bei weitem noch nicht an diesem Punkt angelangt.
Es klingelte an der Tür. Mein Mann ging zum Öffnen und rief im gleichen Moment: „Anneliese, komm schnell mal, hier ist Besuch für dich, ein Pfarrer.“ Ich trocknete mir meine Hände ab und kam.
Der Pfarrer entschuldigte sich zuallererst, dass er jetzt noch käme, aber bei ihnen sei etwas passiert: Er öffnete den Karton, den er unter dem Arm trug, und darin lagen ein Esel ohne Ohren und ein Ochsenleib mit vielen Blessuren. Etwas niedergeschlagen meinte er, diese Figuren könne er doch in dem Zustand nicht in die Krippe tun, und über das Weglassen hätte er schon nachgedacht, irgendwie wäre das doch auch nicht so rechtens ...
Er wüsste ja selbst, dass es fünf Minuten vor Heiligabend sei, aber vielleicht könnte ich ihnen helfen.
Was soll ich sagen? Ich schob unseren persönlichen Kram etwas von mir fort und widmete mich dem Ochs und dem Esel. Ihm formte ich ein neues Ohrenpaar, klebte und glättete, verhalf dem Ochsen zu neuem und würdigem Dasein, strich mit dampfenden Pinseln, und dann war alles O.K.? Nee, nee, die Farbe musste noch trocknen. Noch so viel: Die Kirchengemeinde bemerkte das Malheur nicht. Nur ich, ich hatte mir, wie so manches Mal, eine andere Zeituhr beschafft.
Anneliese Blacha