Vom Beten und vom Sirup
Es war einmal ein kleines Mädchen und dieses kleine Mädchen, das war ich und diese Geschichte trug sich nach dem Krieg zu:
Wir hatten, wie alle anderen Leute, einen Kessel voll Sirup gekocht und alltäglich gab es nachmittags Brot mit Sirup. Das war scheußlich! Der Sirup tropfte durch alle Brotporen und ich mochte ihn sowieso nicht!
So saß ich an einem Nachmittag vor meinem Sirupbrot und betete unaufhörlich für die Armen Seelen. "Lieber Heiland, sei so gut, lasse doch dein teures Blut in das Fegefeuer fließen, wo die armen Seelen büßen", usw. Schon etliche Male hatte ich von vorn begonnen, als meine Mutter frug, was ich da mache. Ich sagte: "Ich bete, dass ich keinen Sirup mehr zu essen brauche." Das Beten half! Nie mehr ward mir ein Sirupbrot angeboten! Auch in späterer Zeit aß ich Sirupbrot niemals wieder. Aber dafür mochte ich immer gern eine Schnitte Brot mit Schmand und Pflaumenmus beschmiert –so, wie es noch heutzutage im Eichsfeld praktiziert wird.