Verschleppte Steine
Von der alten „Burg Stein“ die ehemals auf dem nach ihr benannten Burgberg westlich Lengenfelds gelegen war, hat der Zahn der Zeit nichts weiter übrig gelassen als einen kärglichen Rest offener Kellerruinen Wäre dieser Rest Steine leichter abzubrechen gewesen, so wären auch sie früher schon denselben Weg zu Tal gegangen wie ihre Genossen, die nun heute in den Gewölben, Kellern und Fundamenten Lengenfelds im dunklen ihren nützlichen Zweck erfüllen - sie die einst im großen Verbande als stolze „Burg Stein“ über den Höhen des Südeichsfeldes im hellen Licht zum Himmel ragten.
Joh. Wolf schreibt: „Burg Stein scheint vor der Mitte des 12. Jahrhunderts erbaut worden zu sein und war ursprünglich im Besitze der Landgrafen von Thüringen. 1132 wird es „hus zu dem Steyne“ genannt. 1133 hören wir schon von einen Poppo von Stein. 1282 war Hugo von Stein Vogt auf Burg Stein. Nach dem Tode des Landgrafen Ludwigs III. (1190) fiel die Burg seiner Tochter Jutto zu und durch diese an ihre Söhne Heinrich den Erlauchten von Meißen und Thüringen und Berthold von Henneberg. 1326 kam zunächst die thüringische und um 1400 auch die Hennebergische Hälfte an Mainz. 1409 wird die Burg erstmalig urkundlich „Bischofsburg“ und „Bischofsstein“ genannt. Von 1400 bis 1804 belehnte Mainz nacheinander viele Eichsfelder Adelsgeschlechter mit der Burg Bischofsstein, zuletzt die von Hannstein. Unterhalb der Burg Stein, am Süd - Osthang des Berges lag die „Stadt zum Stein“, ein nach 1420 gestehender Marktflecken. 1611 weihte der Weihbischof Gobelius, Bischof von Askalon, die St. Georgskapelle auf dem Bischofstein auf den alten Titel.“
In seinem „Amt Bischofstein“ schreibt Aloys Höppner weiter: „Wenige Jahre später 1620 erteilt die Burg durch die Schweden, Tillys und Wallensteins Truppen arge Beschädigungen, wonach sie sich nie wieder zum früheren Glanze erhob. Zwar blieb sie Sitz und Verwaltung des Vogtes. 1693 wurde in der Georgskapelle noch ein Kind getauft, Desgleichen ist 1695 noch von einem Amtshause die Rede, wo in der „Gefangenschaft“ ein Kind geboren, welches ebenfalls noch in der Georgskapelle getauft wurde. Im 18. Jahrhundert entdeckte der Mainzer Amtmann, Regierungsrat Holzborn in Bischofstein, die Rudera der Kirche zur „Stadt Stein“.
Das jetzige Schloss Bischofstein wurde erst 1747 und 48 unter Kurfürst Johann Friedrich von Ostein (1743 - 1763) in halber Berghöhe als Amts - und Wirtschaftsgebäude von Meister Heinemann aus Dingelstädt errichtet. Leider benutzte man bei dieser Gelegenheit, so wie beim Bau der Mittelmühle in Lengenfeld und des sogenannten Gewölbes die damals noch stattliche Burg als Steinbruch.
Nun wollte es der Zufall und auch ein gütiges Geschick, daß uns im dunklen Keller der Mittelmühle eine echte Rekonstruktion von zwei Eingängen der alten Burg Stein oder von der St. Georgskapelle erhalten geblieben sind. Die Maurer haben seinerzeit, der Zweckmäßigkeit und Einfachheit entsprechend, Eingänge auf luftiger Höhe abgebrochen und in den Mühlkeller als Kellereingänge gesetzt. Daß diese Steine bei Erbauung der Mittelmühle solcher Linienführung, - für einen Keller - neu zugehauen sein könnten, will nicht einleuchten (s. Abb.) Es ist die Linienführung alter Eingänge von Burgen oder Kirchen aus dem Mittelalter. Es sind zweifellos die ältesten behauenen Steine Lengenfelds. Irgend welche Zeichen oder Inschriften an Steinen des Mühlenkellers sind bis jetzt trotz eifrigen Suchens nicht gefunden worden.
Lambert Rummel
(Quelle: "Unser Eichsfeld", 33. Jahrgang, 1938)
Zeichnung:
Türeingänge von der ehemaligen Burg Stein, jetzt im Keller der Mittelmühle zu Lengenfeld unterm Stein.