Pfingstbrauchtum im Eichsfelder und Vogteier Gebiet
Wenn Pfingsten, das liebliche Fest, mit seiner sich verjüngenden Natur naht, muss das junge Grün auch in das Dorf hinein. Seit alter s her betrachten es auch im Eichsfeld die Burschen und Mädchen als ein gewisses Vorrecht, sich gegenseitig die Pfingstmaien vor das Haus zu setzen. Aber die gesamte Dorfgemeinschaft stand da nicht zurück. Gegenseitig und miteinander wollte man sich über den jungen Frühling freuen. So hatte wohl vor der Verkuppelung der Feldflur jedes eichsfeldische Dorf seinen Pfingstanger oder Pfingstrasen.
Im südeichsfeldischen Höhendorf Struth hatte man als Pfingstanger eine unweit des Dorftales gelegene Waldwiese, genannt „Vor dem Heun“ (Hagen, Hain). Unter Vorantritt des Ziehharmonika- oder „Zerrwanst“-Spielers zog man zu Spiel, Reigen und froher Unterhaltung in die herrliche Waldecke. Das geschah aber bereits vor Pfingsten, denn ab Georgitag war der Graswuchs gefährdet und der „Heun“ musste geschont werden.
Als später die Wiese der Weidewirtschaft zugeführt wurde und Drainage bekam, unterblieb der schöne Brauch des „Heungehens“ ganz. In der Neuzeit laden alljährlich der Chor und die Mandolinengruppe die Einwohner am Pfingstfest vor den Steg am alten Mühlhäuser Landgraben zum Dorffest mit Freude und Frohsinn ein.
Früher wurde bei den Waldspielen auch noch das „Dietenhertenlaufen“ geübt, ein Schäferspiel, bei dem sich Burschen und Mädchen gegenseitig abschlagen mußten, wobei viel Neckerei entstand, so berichtet der frühere Bickenrieder Heimatkundler Liborius Goldmann. In Bickenriede wurde früher zu Pfingsten der mit frischem Baumgrün geschmückte Pfingstochse zuerst von der jubelnden Jungmannschaft im Dorf herumgeführt, um nachher auf dem Pfingstrasen geschlachtet zu werden. Im Rhöngebiet, z. B. im Feldatal, setzt der Bursche die Pfingstmaien vor das Haus seines Mädchens. Soll aber die Maid geärgert werden, dann findet sie am nächsten Morgen einen dürren Ast vor ihrem Fenster.
In der Untereichsfelder Goldenen Mark hat sich das Pfingstspiel „Tütje her“ erhalten, ein Abschlagspiel, welches auch noch unter dem Namen „Eins, zwei, drei, letztes Paar vorbei“ bekannt ist. Auch „Maienköniginnen“, mit frischem Birkengrün festlich geziert, gab es mancherorts. Auch hatten in der ersten Jahrhunderthälfte die Obernfelder Jungen einen „Pfingstbären“, den sie mit Maiengrün auskleideten und durch das Dorf leiteten. Diese Gestalt war ein Sinnbild des Frühlings und des Segens der Natur. Dieser Brauch wird noch sehr in der – dem Südeichsfeld vorgelagerten – Vogtei Dorla gepflegt. Wir lesen darüber in Thüringen und Harz (1841) bereits folgende Schilderung: „So war es sonst und ist es noch jetzt gebräuchlich, in Oberdorla den dritten und in den beiden anderen Dörfern [gemeint sind Niederdorla und Langula] den zweiten Pfingsttag ein mannshohes, zuckerhutförmiges Gehäuse zu verfertigen, darunter einen Mann auf ein Pferd zu setzen und diese Figur unter dem Freudengeschrei der begleitenden Knaben durch das Dorf zu führen. Diese abenteuerliche Figur nennt man den ‚Schoßmeier’. Er wurde früher aus Stroh geflochten und nach beendigtem Umzüge außerhalb des Dorfes verbrannt. Aber seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, da zwei Knaben den ‚Schoßmeier’ nachahmen wollten und ihn im Zwinger eines Hauses anzündeten, wobei fast ganz Oberdorla ein Raub der Flammen wurde, wird der ‚Schoßmeier’ aus grünen Zweigen zusammengeflochten und nach dem Umzug ins Wasser gestürzt.“
Der Mann auf dem Pferd ist in der Neuzeit ersetzt worden durch ein Fass oder Gestell, um das der Zweig- oder Laubkegel, der „Grünemann“ (Schößmeier), gewunden wird.
Der Name „Schößmeier“ ist zweifach gedeutet worden, einmal auf „Schoß“ (Zins) = Steuer- und Abgabeneintreibung und zum anderen „Maier“ (lat. Major) = Beamter der Grundherrschaft. Wir bleiben bei der Version von Rektor Rehbein aus Oberdorla, der in seinem Mundartgedicht vom „Schößmeier“ als Major oder Verwalter der Schossen oder Schößlinge spricht. Freuen wir uns mit dem Dichter, wenn er vom Pfingstfest singt: „Schmückt das Fest mit Maien, lasst Blumen streuen, zündet Opfer an“.
Vinzenz Hoppe (1986)