Mundartliche Namen für Tiere und Pflanzen der Heimat (1941)
Wie überall in deutschen Landen, gibt es auch auf dem Eichsfelde für gewisse Tiere und Pflanzen bodenständige Bezeichnungen, die vom Hochdeutschen abweichen und heute noch mehr oder weniger in der Umgangssprache des Landvolkes in Gebrauch sind. Zuweilen derb, dafür aber umso anschaulicher, zeugen sie von einer guten Beobachtungsgabe und treffen für gewöhnlich den Nagel auf den Kopf, wie die folgenden Beispiele zeigen:
- Rainveul (Regenvogel) = Dryocopus martius = Schwarzspecht
- Tübenstößer (Tauben=) = Accipiter nisus = Sperber
- Kicheweh (Kükenweihe) = Buteo buteo = Mäusebussard
- Nienteeter (Neuntöter) = Lanius Collurio = rotrückiger Würger
- Blutfinken = Pyrrhula pyrrhula = Dompfaff
- Hamsterling = Carduelis (Acanthus) cannabina = Hänfling
- Ackermannchen = Budites flavus = Bachstelze, Wippsterz
- Schaale Maisen = Parus msjor = Kohlmeise
- Küllkopp = Cottus gobio = Groppe
- Ratz = Putorius putorius = Iltis
- Schnailen = Limax agrestis = Acker-, Saatschnecke
- Schwarze Schnacken = Brion empiricorum = Wegschnecke
- Buinter Molch = Salamandra maculosa = Feuersalamander
- Huineschworten (Hundeschwarte) = Arctiida = braune behaarte Bärenraupe
- Hämmelmieschen = Coccinella septempunctata = Siebenpunkt, Marienkäfer
- Hämmelzeegen (Himmelziege) = Cerambycidae = Bockkäfer
- Widdenkaiwer (Weidenkäfer) = Rhizotrogus solstialis – Juni-, Brach-, Sonnenwendkäfer
- Bißding (Beiß-) = Insecta = Insekt
- Qualster = Heteroptera = Getreidewanze
- Kallerworm = Oniscus = Keller-, Mauerassel
- Missittenworm = Fristalis tenax = Larve der Schlammfliege
- Hummäisen = Formica = Ameise
- Füler Schafer = Phalangium = Weberknecht, Kanker
- Spinneganken = Araneina = Spinne
- Botterveuel (Buttervogel) = Lepidoptera = Schmetterling
- Schnietworm = Lepisma saccharina = Silberfischchen
- Klabber = Galium aparine = Klebkraut
- Pappelstock = Taraxacum officinalis = Löwenzahn, Kettenbusch
- Huinetillen = Euphorbia helioscopia = Wolfsmilch
- Dunnerblummen = Cardamine pratensis = Wiesenschaumkraut
- Güldene Äier = Cypripedium calceolus = Frauenschuh
- Ainzig = Gentiana = Enzian (Herbst-)
- Dübrock = Equisetum arvense = Schachtelhalm
- Bocksläub = Aceraceae = Ahorn
- Sammatzen = Juncaceae = Binsen
- Heufeeten (Hage-) = Rosa canina = Hagebutten (Hundsrose)
- Stinkbalsen = Mentha aquatica = Wasserminze
- Käsper = Prunus avium = Kirsche
- Zithrenchen = Syringa vuIgaris = Flieder
- Mimekatzchen = Salicaceae = Weidenkätzchen
- Kullrösen (Kugel-) = Paeonia officinalis = Pfingstrose, gem. Gichtrose
- Kälwerkaaren = Anthiscus vulgaris = Kerbel, Kälberkropf
- Wedewingen = Lonicera perielymenum = Waldgeißblatt
- Je langer je libber = L.-caprivolium = Geißblatt
- Summertienchen = Blüten des Huflattichs
- Latten = Tussilago farfara = große Huflattichblätter (nach der Blüte)
Die Namen sind in einem südeichsfeldischen Dorfe gesammelt und leider zum Teil der heutigen Jugend nicht mehr bekannt. Der in den letzten Jahren besorgniserregende Formen annehmende Rückgang und Wortschwund der Mundart stellt keineswegs eine notwendige oder natürliche Entwickelung dar, sondern wird vielmehr bewirkt durch Gleichgültigkeit, ja feindliche Einstellung der Eltern, die, von falschen Bildungsdünkel befangen, ihren Gebrauch als unfein und rückständig empfinden. Schon der Umzug ins Nachbardorf ist für viele Familien Grund genug, die Sprache der Jugend und des Elternhauses zu verleugnen und mit der neuen Umgebung hochdeutsch zu sprechen. Wenn Schule und Elternhaus sich ihrer Verpflichtung gegenüber der Heimatsprache bewusst bleiben, wird uns dieses Erbe aus Urvätertagen so leicht nicht verloren gehen und weiterhin Urquell und Jungbrunnen für die Schriftsprache bleiben.
Vom sprachgeschichtlichen und volkskundlichen Standpunkte aus wäre es zu wünschen, dass eine Sammlung ähnlicher Namen in allen Dörfern des Eichsfeldes erfolgte.
Anton Fick
(Quelle: „Unser Eichsfeld“, Jahrgang 1941, S. 48 – 50)