Lengenfeld und Bischofstein heute (1995)
Von Bischofstein ist wenig Erfreuliches zu berichten. Das graue Schloss mit den roten Dächern liegt verlassen vor den hohen Bergwäldern und wartet, dass wieder jugendliches Leben in die hohen Räume einkehrt.
So mancher frühere Bischofsteiner Schüler stand im letzten Jahr vor verschlossenen Türen und konnte seinen Begleitern nur die Außenmauern des „denkmalswürdigen Baues“ zeigen, der einstmals seine Jugendheimat war.
Übrigens kann der Schlüssel bei Herrn Horst Busse (Hauptstraße 104, Tel. 036027-700400) empfangen werden.
Leider hatte das Schloss am 13. März 1995 auch ungebetene Gäste. Sie fuhren nachts mit Lieferwagen an der Parkseite des Alten Schlosses vor, zerbrachen eine der großen Fensterscheiben und bedienten sich in aller Ruhe mit dem Inventar aus den „Komfort-Räumen“ des kurzlebigen Hotels (vorher der Spitzenfunktionäre des FDGB, früher Schul-bzw. Ripkes Eigentum). Nach Informationen der Lokalpresse befanden sich darunter wertvolle antike Möbel, u. a. ein Tisch aus dem 17. Jahrhundert und die dazu gehörigen Stühle, Barockspiegel mit Engelverzierungen und Biedermeierschränke.
Der Diebstahl war der letzte Coup einer vierwöchigen Einbruchserie in Wohnhäuser, Kirchen und Museen.
Der Tipp eines Zeugen, der ein verdächtiges Fahrzeug notiert hatte, führte über eine Autovermietung zur Festnahme von vier jugendlichen Tätern. Die Polizeiinspektion Mühlhausen konnte in vier Garagen der Kreisstadt wertvolle Antiquitäten im Gesamtwert von 200.000 DM ermitteln.
Wie soll es aber in Bischofstein weitergehen?
Nachdem der Vertrag zwischen den Erben von Walter Marseille und dem „Priorat für Kultur und Karitas“ nicht zustande kam, bleiben die Erben weiterhin die Besitzer und beauftragten eine englische Maklerfirma mit dem Verkauf. Die Hausherrenrechte übt weiterhin die Treuhandnachfolgerin aus.
Als einzige Möglichkeit Bischofstein weiter sinnvoll zu nutzen, bleibt der Ausbau eines Internats in Verbindung mit dem Lengenfelder Gymnasium, das für Fahrschüler aus dem Umland noch nicht vollausgelastet ist.
Das Hauptproblem neben Finanzierungsschwierigkeiten beim abgebrochenen Innenausbau der Gebäude bringt die Auswahl des Leiters der Internatsschule. Einen Dr. Ripke wird es nicht noch einmal geben.
Aber auch eine annähernd gleichwertige Persönlichkeit zu finden, die getragen von großem Idealismus bereit ist, nicht nur seine Unterrichtsstunden nebst Vorbereitung und Heftekorrektur zu erledigen, sondern noch über diese Zeit hinaus die jungen Menschen von früh bis spät als Erzieher zu betreuen, fällt schwer.
So gesehen können wir nur unseren früheren Lehrern und deren Frauen danken, die ihre ganze Freizeit opferten, um uns im gemeinsamen Tagesablauf zu betreuen und zu fördern.
An einer Lösung dieser Fragen sind alle Stellen von der Thüringer Landesregierung bis zur Gemeindeverwaltung gleichermaßen interessiert. Wölft v. Scharfenberg berichtet darüber im Schlussartikel dieses Rundschreibens. Wir können nur ideelle Unterstützung bieten durch Gründung von einem „Förderverein des Internates Schloss Bischofstein“.
Im Dorf Lengenfeld ging inzwischen der Aufbau recht zügig voran.
Überall sieht man neue rote Dächer und Maßnahmen zur Renovierung der Häuser. Der Ausbau des Krankenhauses und der Schulneubau kommen gut voran. Die Hauptstraße wurde durch breite solide Bürgersteige ergänzt.
Endlich erhielten die Bürger ein modernes Telefonnetz, die Verbindung zur weiten Welt war früher nur wenigen gestattet.
Die Bahnverbindung wurde zwar vor zwei Jahren eingestellt, doch verkehren regelmäßig Busse nach Mühlhausen. Eine Busverbindung nach Eschwege wurde wieder eingestellt, da die meisten Lengenfelder, die dort beruflich und geschäftlich zu tun haben, inzwischen über eigene Fahrzeuge verfügen.
Für Besucher, die in der Mittelgebirgswelt des Eichsfeldes Erholung mit Wandermöglichkeiten suchen, stehen gute Übernachtungs- und beste Verpflegungsstätten zur Verfügung.
(Quelle: Bischofsteiner Rundschreiben, Weihnachten 1995, S. 13-14)