Lengenfeld und Bischofstein heute (1972)
Lengenfeld hat jetzt etwa 1800 Einwohner, davon ca. 100 Slowaken. Es ist Sperrgebiet für DDR-Bürger. In der Nähe der Kirche gibt es einige neue Häuser, im Oberdorf wurden alte Häuser umgebaut. Für Neu- und Umbauten müssen die Anträge beim Bauamt in Mühlhausen beantragt werden, wobei mit Genehmigungsfristen zu rechnen ist.
Die Post unter der Eisenbahnbrücke existiert noch. Herr König starb mit etwa 85 Jahren. Frau König ist mit über 90 Jahren noch sehr rüstig. Ihr Neffe wohnt noch in der Post.
Zahnarzt Hagemann verstarb mit 57 Jahren an einer Emboli. Die Praxis ist jetzt staatlich, ein Zahnarzt kommt von Struth nach Lengenfeld, um dort zu praktizieren.
Das Sägewerk Busse im Oberdorf arbeitet wie eh und je. Die Gastwirtschaft, Jakob Lorenz jun. (vor der Eisenbahnbrücke) ist jetzt Konsumwirtschaft und Fleischverteilungsstelle. Ein Pfund Rindfleisch kostet etwa DM 5 Ost und Schweinefleisch DM 3,50 Ost.
Die Apotheke ist staatlich und wird von Herrn Graue jun. geführt.
Steinwachs sen. starb in Lengenfeld und wurde auch dort beerdigt. Die restliche Familie lebt in der Bundesrepublik.
Die Gastwirtschaft Hahn ist jetzt Konsum. Peter Hahn aus der Mittelmühle ist verstorben.
Der Bäckermeister Rummel, der Eberhard von Österreich so schöne Baisertorten lieferte und so interessante Schmetterlingsmutationen züchtete, wurde 84 Jahre alt. Er hat in den Jahren 1950 bis 1960 eine Chronik von Lengenfeld herausgegeben.
Die Meierei Dr. Gries, zu der 200 Morgen gehörten, ist aufgeteilt. Der Sohn lebt in der BRD. Der Sohn des Schusters Fuchs, der in den letzten Jahren Lehrer war, ist aus gesundheitlichen Gründen mit 52 Jahren pensioniert worden. Die Schusterei ist aufgelöst.
Zwei Brüder Kuklick (Schneider) sind Rentner und machen nur noch gelegentlich Ausbesserungen. Herr Rautz, der die Bahnhofswirtschaft betrieb, ist über 70 Jahre alt (wie doch der Alkohol konserviert) und lebt in Hundeshagen in der Zone. Das Haus ist aufgeteilt in verschiedene Wohnungen, die von Umsiedlern bewohnt werden.
Der Photograph Hardegen lebt im Ruhestand.
Die Untermühle ist stillgelegt.
Und nun zum Schloss. Der Eselswagen mit den Dampfnudeln oder den herbstlichen Blechen mit Pflaumenkuchen von Rummel fährt am Doktorhaus vorbei zum Schlosstor. Es ist alles beim Alten geblieben. Vor längerer Zeit wurden die Dächer repariert, ausgeflickt. Der Speisesaal ist eine Art Kantine, hat einen Ausschank bekommen. Die Gärtnerei wird bestellt wie früher und in den Stallungen grunzen Schweine. Stallungen und Land gehören zur LPG. Das Schloss ist ein FDGB-Heim für Urlauber und Erholungsbedürftige. Das Chemiehaus ist Autogarage, in den oberen Räumen werden Liegestühle abgestellt.
Auf dem Tennisplatz vor dem Speisesaal wird im Sommer noch gespielt. Alljährlich wird auf dem Tennisplatz zwischen Windmotor, der schon lange außer Betrieb ist, und dem Chemiehaus ein Sommerfest gefeiert. Das Heinitzhaus ist zum Geräteschuppen und Skieraufbewahrungsort degradiert worden. Aber im Schwimmteich quaken wie früher die Frösche und die grünsilbrigen Blätter der Pappeln rauschen leise, wenn der Wind vom Hülfensberg herüberweht. Die Linde auf dem Stein ist ausgebrannt, grünt aber noch Jahr für Jahr. Der Friedhof am Kuhpalais ist gepflegt. Auf dem Hülfensberg gibt es noch Mönche. Der alte Wallfahrtsort kann von einigen katholischen Bürgern Lengenfelds zu bestimmten Zeiten besucht werden, sofern die Behörde in Mühlhausen die eingereichte Liste der Teilnehmer genehmigt.
(Quelle: „Bischofsteiner Rundschreiben“, Weihnachten 1972, S. 1-2)